Fragt man locker in einer Runde von Familienvätern und -müttern, dann ist für viele die Vereinbarung von Karriere und Familie "kein Problem". Auch laut der Studie Leben & Arbeiten in Deutschland sind zwei Drittel der Berufstätigen dieser Meinung. Doch gleichzeitig klagen die meisten über den Stress im Job, der durch den starken Zeitdruck entsteht.
Wartet die Familie zuhause, so lassen sich nicht einfach mal ein paar Stündchen mehr im Büro verbringen, um alles in Ruhe erledigen zu können. Da gibt es zum einen den Druck, die eigenen Kinder abends noch sehen zu wollen - oder zu müssen. Noch schlimmer ist es für viele dann, wenn zuhause ein Partner wartet, der für den Job des anderen kein Verständnis hat und schon nörgelt, wenn man nur ein paar Minuten zu spät heim kommt.
Was ist die Folge? Laut dem GfK Verein und der Financial Times Deutschland, die zusammen die Studie durchgeführt haben, leiden 58 Prozent der Berufstätigen mit Familie unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Rückenschmerzen. Rund ein Drittel gibt an, dass ihr Hobby zu kurz kommt und zu wenig Zeit für Freunde sei. Die Umfrage bringt auch wieder den Klassiker der Karrierebremsen hervor, nämlich das Geschlecht. Eine Mehrheit von 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung glaubt nicht, dass Frauen mit Kindern in Deutschland Karriere machen können. Für einen Mann mit Kindern sehen hingegen nur 23 Prozent der Beschäftigten eingeschränkte Karrierechancen, wie der GfK Verein und die Financial Times Deutschlang angeben.
In der Studie "Leben & Arbeiten in Deutschland" wurden im Zeitraum von April und Mai 2655 Menschen befragt. Diese seien repräsentativ für alle Berufstätige im Alter von 20 bis 59 Jahren, die regelmäßig mindestens 20 Stunden in der Woche arbeiten. Der Studie zufolge gibt es bei der Einstellung der Berufstätigen vier Gruppen:
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Die Berufsorientierten (23 Prozent): sind größtenteils Männer, die viel arbeiten und gut verdienen; haben durchschnittlich oft Kinder; gewichten Beruf und Karriere höher als alle anderen Lebensbereiche.
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Die Familienorientierten (23 Prozent): sind vor allem Frauen, die Teilzeit arbeiten, einen niedrigen Schulabschluss und ein geringes Einkommen haben; haben die meisten Kinder; stellen Partnerschaft und Kinder über Arbeit, Karriere und Freizeit.
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Die Vereinbarer (30 Prozent): sind die jüngste Gruppe; Männer und Frauen sind gleich vertreten haben durchschnittlich oft Kinder; glauben, dass Kinder und Karriere zu vereinbaren sind.
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Die Unabhängigen (24 Prozent): sind oft Männer, Singles und Selbstständige; verdienen gut und haben selten Kinder; konzentrieren sich auf den Job, achten aber sehr darauf, dass Freizeit und Freunde nicht zu kurz kommen.
Gutes Einkommen und hohe Bildung helfen
Die größte Gruppe der deutschen Beschäftigten, die Vereinbarer, zeigt laut der Auswertung, dass sich der Wunsch nach beruflichem Weiterkommen und Familienleben erfüllen kann. Von ihnen sagen mit 76 Prozent überdurchschnittlich viele, dass sich ihre Arbeit gut mit der Familie verträgt. Die Arbeit selbst verursacht weniger Stress als dem Durchschnitt der Befragten. Außerdem nehmen sie weniger davon mit nach Hause.
Wie die Studie auch ergibt, würden 30 Prozent der Vereinbarer auf eine Karriere um jeden Preis verzichten, wenn sie dadurch weniger Zeit für die Familie hätten. Nur die Gruppe der Familienorientierten übertrifft die Vereinbarer mit 44 Prozent. Von den Unabhängigen und Berufsorientierten würden mit 19 beziehungsweise 17 Prozent deutlich weniger dem beruflichen Erfolg entsagen, wie die Studienergebnisse zeigen. Interessant sei jedoch, dass nur acht Prozent der Vereinbarer für ihre Kinder den Beruf ganz aufgeben würden - bei den Familienorientierten seien dazu immerhin 50 Prozent bereit.
Warum es den Vereinbarern besser als den Familienorientierten gelingt, die Balance zu halten, erklären der Studie zufolge mehrere Faktoren: Sie sind höher gebildet, haben die besseren Jobs und verdienen daher mehr. "Natürlich lässt sich mit einem höheren Einkommen die Kinderbetreuung leichter organisieren. Entscheidend ist jedoch auch, dass beide Partner an einem Strang ziehen und sich die Verantwortung teilen. Dadurch werden sie krisenresistenter und insgesamt zufriedener", sagt Prof. Dr. Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK Vereins.
Der Job allein macht nicht glücklich
Als weiteres Ergebnis der Studie geben der GfK Verein und die Financial Times Deutschland an, dass die starke Konzentration auf den Beruf offenbar nicht zu größerer Zufriedenheit führe. So geben demnach nur 41 Prozent der Berufsorientierten an, mit ihrer beruflichen Tätigkeit zufrieden zu sein. Einen schlechteren Wert erreichen nur die Familienorientierten mit 40 Prozent. Dafür geben von ihnen nur 22 Prozent an, dass ihre Familie zu kurz kommt, wohingegen die Berufsorientierten dies zu 41 Prozent sagen. Die Unabhängigen und demnach Karrierefixierten empfinden mit 72 Prozent extrem oft eine berufliche Belastung: Für die Karriere würden sie zu 67 Prozent auf Hobbys ganz verzichten, 53 Prozent die Freunde vernachlässigen und rund 40 Prozent würden auf (weitere) Kinder verzichten.
Auffällig sei der Studie zufolge außerdem, dass Kinder und Karriere offenbar einen ähnlichen Tribut fordern: Familien- und Berufsorientierte klagen gleich oft über Gesundheitsbeschwerden, nämlich zu je 63 Prozent. Damit liegen sie deutlich über den Werten der anderen Gruppen.
Um Job und Familie besser vereinbaren zu können, würden die Berufstätigen gerne die Möglichkeiten von Arbeitszeitkonten, Gleitzeit und Teilzeitarbeit gerne intensiver nutzen. Je 22 Prozent der Befragten sehen auch einen großen Verbesserungsbedarf bei Serviceangeboten wie der Vermittlung von Betreuungsplätzen für Kinder. (Tecchannel)