IT-Manager wetten

Kein Kunde kauft mehr ohne IT ein

28.05.2015 von Mark Michaelis
Mark Michaelis von Kaiser's Tengelmann, wettet, dass im Jahr 2025 im deutschen stationären Handel 90 Prozent der Kunden vor dem Kauf eines Produktes mindestens eine IT-Interaktion ausgeführt haben.
Mark Michaelis von Kaiser's Tengelmann
Foto: Kaiser‘s Tengelmann

Meine Wette beschäftigt sich mit einem Bereich des täglichen Lebens, den jeder von uns aus Sicht eines Kunden kennt: dem stationären Handel in Deutschland. Der stationäre Handel setzte in Deutschland gemäß dem Institut für Handelsforschung (IFH) im 2013 rund 448 Milliarden Euro um. Schon seit einigen Jahren kämpft die Branche mit der Konkurrenz durch das Internet (Umsatz Online:Handel 2013: 38 Milliarden Euro, Steigerung derzeit: rund 15 Prozent jährlich).

Mit dem Einsatz von IT hat man sich in der Vergangenheit in erster Linie auf die Verbesserung der internen Prozesse konzentriert. Zunehmend werden die Technologien aber auch an der Schnittstelle zum Kunden genutzt. Durch die Verbreitung der entsprechenden Endgeräte bei den Konsumenten und die vielfältigen Möglichkeiten mobiler Anwendungen nimmt diese Entwicklung jetzt richtig Fahrt auf.

Daher wette ich, dass 2025 bei neun von zehn Kunden von der ersten Kaufidee bis zur abschließenden Kaufabwicklung mindestens eine Interaktion über ein informationstechnisches Gerät erfolgt.

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Mit Interaktionen im Bereich der technischen Informationsverarbeitung sind in der Regel rückkopplungsarme, einseitige Kommunikationsabläufe gemeint. Partner oder Teilnehmer dieser Kommunikation ist das jeweilige Gerät. Dieses stellt innerhalb einer ersten Interaktion eine Information bereit, die der Anwender visuell oder auditiv empfängt und anschließend interpretiert. Eine Reaktion ist die Folge. Diese Reaktion wiederum kann, muss aber nicht, in eine weitere Interaktion mit dem Gerät münden.

Auf den ersten Blick mag der Anteil von 90 Prozent hoch erscheinen. Doch wenn man den Kaufprozess in seinen einzelnen Phasen betrachtet, zeigt sich, dass die IT-Interaktion zwischen Kaufhaus, Supermarkt oder Autohändler und deren Kunden gar nicht in so weiter Ferne liegt. Die Grundannahme für meine Wette liegt in der Geschwindigkeit, mit er sich schon heute unsere elektronischen Medien und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten weiterentwickeln und verselbstständigen.

Das McKinsey Global Institute (MGI) ermittelte in einer Studie im Juli 2012, wie lange es bei verschiedenen Medien dauerte, bis sie die Zahl von 50 Millionen Nutzern erreicht hatten. Das Radio benötigte dafür ganze 38, das Fernsehen 13 Jahre. Das Internet verbreitete sich dagegen in nur drei Jahren unter 50 Millionen Nutzern, der iPod war nach vier Jahren so weit. Spitzenreiter sind allerdings Facebook mit einem Jahr und Twitter mit sogar nur 0,5 Jahren.

Diese Zahlen zeigen zum einen die rasante Entwicklung technischer Möglichkeiten und zum anderen die wachsende Geschwindigkeit der Kundenakzeptanz für neue Medien. Die Scheu vor dem Gebrauch neuer Technologien geht immer weiter zurück. Eben wegen dieser Schnelligkeit lassen sich die Fortschritte für die nächsten zehn Jahre zwar nur sehr bedingt absehen. Gleichzeitig ist jedoch gerade das Tempo ein Garant für den positiven Ausgang meiner Wette.

Die zweite wichtige Vorausetzung für den Erfolg meiner Wette ist die weiterhin steigende Nutzung von mobilen Endgeräten in Deutschland. Mary Meeker (Internet Trends, Morgan Stanley; KPCB) prognostizierte, dass bereits 2014 die Anzahl der mobilen Nutzer die Zahl der Desktop-User übertreffen. Wir werden in den nächsten fünf Jahren mit einer Vollabdeckung der kauffähigen Bevölkerung mit mobilen Geräten rechnen können, wie das folgende Rechenbeispiel zeigt: Rund 70 Millionen Einwohner Deutschlands sind über 15 Jahre alt und somit (teil-)geschäftsfähig beziehungsweise handlungsfähig.

Im Jahr 2014 liegt die Zahl der Smartphone-Benutzer bereits bei über 40 Millionen, und sie wächst jährlich um rund sieben Millionen. (Am Rande sei erwähnt, dass bei mehr als 70 Prozent dieser Smartphone-Anwender die erste und letzte IT-Interaktion des Tages mit dem Smartphone vom Bett aus ausgeführt wird.) Wir können somit in spätestens fünf Jahren von einer vollständigen mobilen Endgeräteabdeckung der geschäftsfähigen Bevölkerung ausgehen. Dabei sind Tablets, die heute noch nicht so stark verbreiteten Wearables wie iWatch, Google Glass und weitere, noch unbekannte Innovationen nicht berücksichtigt. Die mobile Voraussetzung für den positiven Ausgang meiner Wette ist somit gegeben.

Ich möchte nun auf den gesamten Kaufprozess eingehen und hierbei drei Abschnitte näher beleuchten:

In jeder dieser Phasen werden, auch im stationären Handel, künftig vermehrt IT-Interaktionen auftreten. Um meine Wette im Jahr 2025 erfolgreich abzuschließen, würde es bei einer gleichen Verteilung somit vollkommen ausreichen, wenn von 100 Kunden ein Drittel ihre IT-Interaktion bei der Kaufidee, ein weiteres Drittel bei der Kaufentscheidung und wiederum ein Drittel bei der Kaufabwicklung durchführen. Solch eine gleichmäßige Verteilung ist unwahrscheinlich.

Spannend für den Handel ist die Frage, in welchem dieser Abschnitte der Anteil der IT-Interaktionen am höchsten sein wird. Meine persönliche Prognose lautet: Die Zahl der IT-Interaktionen steigt von Abschnitt eins hin zu Abschnitt drei. Je näher der Kunde dem eigentlichen Kauf kommt, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit einer IT-Interaktion.

Für jeden der Abschnitte eines Kaufprozesses stelle ich Ihnen nun verschiedene Szenarien vor. Einige existieren heute noch nicht, manche gibt es schon in Laboren, die meisten allerdings befinden sich bereits im Stadium der Marktreife. Ihre Einführung im stationären Handel wird derzeit ausschließlich durch die Faktoren Kundenakzeptanz und hohe Investitionskosten im Vergleich zu geringen Renditen verhindert.

Kaufidee

Zu jedem Kauf gehört eine erste Kaufidee. In der Vergangenheit versuchte der stationäre Handel diese über die klassischen Medien zu wecken: gedruckte Flyer, Zeitungsanzeigen, Fernseh- und Radiowerbung sowie Schaufenster. Mittlerweile bewerben die Händler ihre Produkte und Angebote immer stärker online über Webseiten, E-Mails, Apps oder in den sozialen Medien (SMM) mit dem Ziel, außerhalb einer Multi-Channel-Strategie präsent zu sein. Mit anderen Worten: Bereits heute finden in der Phase "Kauf¬idee" IT-Interaktionen statt - Tendenz steigend.

Am kräftigsten wächst dabei das Volumen der Werbung auf mobilen Endgeräten. Das Schweizer Medien-Network Zenith Optimedia, das seit 1987 Prognosen im Bereich Marketing und Medien erstellt, analysierte in einer aktuellen Studie, dass die Investitionen in mobile Werbung in knapp drei Jahren bereits die Summe für die klassischen Medien Radio, Zeitschrift und Außenwerbung überholt haben werden. Die Werbebudgets für mobile Endgeräte sollen demnach bis 2016 jährlich um durchschnittlich 50 Prozent ansteigen. Das Wachstum im mobilen Segment ist somit sechsmal schneller als das von Werbung auf PCs und Laptops mit durchschnittlich acht Prozent pro Jahr.

Die Vorzüge der mobilen Werbung liegen auf der Hand: Klassische Medien wie Print, TV und Radio verteilen ihre Botschaft nach dem "Gießkannenprinzip" und nehmen somit hohe Streuverluste in Kauf. Werbung auf mobilen Geräten ermöglicht eine höhere Individualisierung. Auch die stationären Händler werden also analog den Online-Händlern ihre Anregungen zu Kaufideen deutlich stärker individualisieren und direkt in jene Zielgruppen bringen, die für den eigentlichen Kauf relevanter sind.

Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Geofencing. Hierbei wird die Kundengruppe angesprochen, die sich im direkten Umfeld des stationären Händlers befindet. Dieser spannt um seinen Laden einen virtuellen Zaun, etwa im Umkreis von 500 Metern. Dieser virtuelle Zaun wird mithilfe von Mobilfunkzellen oder GPS-Daten berechnet. Betritt ein potenzieller Kunde diesen eingezäunten Bereich, erhält er Kaufangebote in Form von SMS oder Produkteinblendungen auf seinem mobilen Endgerät.

Bei dem Kunden wird also aufgrund seiner geografischen Position Werbung und somit eventuell eine Kaufidee generiert. Neben der direkten Ansprache des Kunden ermöglicht dieses Verfahren, im Gegensatz zu den klassischen Verfahren, eine hohe Messbarkeit der Marketingmaßnahme. Denn verändert der Kunde nach Einblendung des Angebotes seine Position hin zu dem Händler mit dem Angebot, kann von einer erfolgreichen Marketingmaßnahme ausgegangen werden.

Den dauerhaften Erfolg dieser Marketingmaßnahme halte ich allerdings für begrenzt. Das Push-Verfahren dürfte aus Sicht des Kunden und auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes schwer durchsetzbar sein. Besser geeignet sind geostationäre Angebote nach dem Pull-Verfahren: Der Kunde öffnet sein Smartphone und erhält Angebote von Händlern in seinem direkten örtlichen Umfeld. Für den Händler ist dies eine Chance, Überangebote über seine Ladengrenzen hinaus anzubieten und abzubauen. Die teure stationäre Verkaufsfläche wird um einen nahezu kostenfreien virtuellen Raum erweitert.

Erste flächendeckende Projekte hierzu gibt es derzeit in Berlin. Ebenso erste Erfahrungswerte. Eine Studie (erstellt durch Zheng Fang, Associate Professor an der Sichuan University in Chengdou, China) im "Havard Business Manager" stellt beispielsweise die Entfernung und die Dauer dieser geostationären Angebote gegenüber. Demnach ist der Übergang von der Kauf¬idee zum eigentlichen Kauf dann besonders häufig, wenn sich der Kunde in räumlicher Nähe befindet und gleichzeitig das Angebot zeitlich begrenzt, aber direkt abrufbar ist.

Eine weitere Möglichkeit, die stationäre Verkaufsfläche zu erweitern, bildet die Virtualisierung. Die weltweit agierende englische Supermarktkette Tesco hat bereits mehrere stationäre Auftritte virtualisiert. Zum Beispiel in der U-Bahn von Seoul. Großflächige Bildschirme zeigen die herkömmlichen Regale an den U-Bahn-Haltestellen. Der Kunde bestellt via mobiler App, und die Ware wird nach Hause geliefert. Tesco verringert damit die teure, stationäre Verkaufsfläche, bietet die Ware ohne Kapitalbindung an und kann sich an Orten mit hoher Laufkundschaft präsentieren.

Auch in realen stationären Filialen ließe sich auf diesem Wege das bestehende, vor Ort befindliche Sortiment theoretisch unbegrenzt virtuell erweitern. Interessant ist dies gerade im Hinblick auf Produktvarianten, langsam drehende hochpreisige Artikel oder individuelle Kundenwünsche.

Eine stärker individualisierte Form zur Generierung von Kaufideen bieten "anonyme Kundenkarten". Hierbei wird die Idee des Online-Handels, aus dem Einkaufsverhalten der Kunden kundenindividuelle Angebote zu platzieren, in die stationäre Welt übernommen und weiterentwickelt. Im Gegensatz zum Internetgeschäft wird dem Kunden im stationären Handel Anonymität gewährleistet: Er erhält eine kostenlose Kundenkarte ohne Angabe seiner personenbezogenen Daten. Die Karte enthält ausschließlich eine eindeutige ID. Beim Betreten des Ladens (oder auch beim Besuch des Online-Shops) scannt der Kunde seine Karte und bekommt an einem Kiosksystem seine auf ihn

zugeschnittenen individuellen Angebote. Individuell heißt hierbei, dass das Angebot sowohl seitens der Artikel als auch des Preises auf sein persönliches Kaufverhalten abgestimmt ist - vollkommen anonym.

Wie wird dieses Angebot generiert? Um Rabatte zu erhalten, gibt der Kunde seine anonyme Kundenkarte beim Bezahlen ab. Es erfolgt eine Zuordnung zwischen seinem Warenkorb und seiner ID. Mit jedem weiteren Einkauf steigt das Wissen um den anonymen Kunden, und es können individuellere Angebote präsentiert werden. Kauft der wenig preissensible Kunde im hohen Preissegment, werden ihm qualitativ hochwertige Markenprodukte angeboten - mit höherer Marge für den Händler.

Umgekehrt lassen sich preissensible Kunden gezielt mit attraktiven Rabatten ansprechen. Für den Händler erhöht dieses Verfahren über attraktivere, präzisere Angebote die Kundenbindung, und gleichzeitig kann der Kunde mit neuen passenden Angeboten, außerhalb seines bisherigen Warenkorbes, zu dessen Vergrößerung angeregt werden - Kaufideen werden individuell generiert.

Betrachten wir stärker die prozessualen Abläufe, können künftig Kaufideen aufgrund von Prozessvorteilen entstehen. Beispielsweise können Mitbewohner eines Haushalts von verschiedenen Orten aus eine virtuelle Einkaufsliste für einen bestimmten stationären Händler erzeugen und diese online bezahlen. Der stationäre Händler kommissioniert die bezahlte Ware, und einer der Mitbewohner kann den gemeinsamen Einkauf mit einem kurzen Stopp auf dem Weg nach Hause abholen. Davon profitieren beide Seiten: Der Kunde bekommt einen zusätzlichen Service, er spart Zeit und vergisst in keinem Fall den Einkauf einzelner Artikel. Für den Händler wiederum reduzieren sich die Vorgänge rund um den Zahlungsprozess.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und stellen uns vor, Artikel können, im Gegensatz zum heutigen Barcode, zukünftig über Funkwellen (etwa von RFID-Tags) identifiziert werden. Wie weit ist der Gedanke dann noch entfernt, dass der Kunde den Bestand der Speisekammer oder des Kühlschranks aus der Ferne ausliest und unter Berücksichtigung des Mindesthaltbarkeitsdatums ein virtueller Einkaufszettel oder ein passendes Rezept und somit die Kaufidee generiert wird? Alle Beispiele enthalten bereits IT-Interaktionen.

Kaufentscheidung

Nach einer ersten Kaufidee steht die Kaufentscheidung an. Im Rahmen dieser Kaufentscheidungen ist der Wunsch nach Verfügbarkeit von Informationen und Transparenz größer denn je. Die Kunden sind es aus dem Internet bereits gewohnt, zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort beliebige Informationen abzurufen. Hier wird der stationäre Handel in den kommenden Jahren im Hinblick auf eine stärkere Transparenz deutlich aufholen müssen. Die Herstellung dieser Transparenz mündet wiederum in IT-Interaktionen.

Erste einfache Beispiele aus dem stationären Handel sehen wir bereits im Mineralölbereich. Die Autofahrer können seit Ende 2013 via App die Preise von Tankstellen in ihrem Umfeld vergleichen - verordnet wurde dies durch die Markttransparenzstelle des Bundeskartellamts.

Der deutsche Handel war schon immer einer großen Preissensibilität seiner Kunden unterworfen. Erste Handelsunternehmen lernen von der völligen Preistransparenz aus dem Online-Handel und übernehmen diese in ihre eigene stationäre Handelsstrategie. Media-Saturn etwa ersetzt derzeit in einem flächendeckenden Test gedruckte Preisschilder durch elektronische. Diese wechseln, analog einem Preismast an der Tankstelle, ferngesteuert die Preise. Nach dem Vorbild von Amazon möchte Media-Saturn mehrmals täglich die Preise wechseln. Dies erlaubt dem Unternehmen eine flexiblere Preisgestaltung.

Es ist außerdem möglich, dem Kunden auf diesen elektronischen Preisschildern auch die Preise des Online-Handels und der Mitbewerber anzuzeigen - natürlich in Verbindung mit der eigenen Preisstrategie, die immer günstiger als der beste Mitbewerberpreis ist. Auch bei elektronischen Preisschildern ist der Kunde somit Teil einer einseitigen IT-Interaktion.

Kaufinformation

Neben dem Bereich der Preisinformation gewinnt auch die Produktinformation immer mehr an Bedeutung. Ein Beispiel aus dem Lebensmittelhandel ist die von der EU-Gesetzgebung forcierte Einführung einer neuen Lebensinformationsverordnung (LMIV) Ende 2014. Hier rücken zunehmend Informationen über Nährwerte, Gesundheit, Herkunft und Rückverfolgung in den Vordergrund. Auf Ver¬braucherseite steigt dieser Informationsbedarf zusätzlich durch Ereignisse wie den "Pferdefleischskandal". Da die Produktoberfläche begrenzt ist, wird der stationäre Handel zunehmend auf mobile Endgeräte des Kunden ausweichen (Extended Packing). Hier lassen sich mit einem Scan theoretisch unbegrenzt Produktinformationen darstellen.

Neben den Anzeigen von allgemeinen Angaben wie der Lebensmittelampel wird auch hier eine stärke Individualisierung der Informationen Einzug halten. Hinterlegt ein Kunde etwa in einer App Informationen zu seinen Allergien und Unverträglichkeiten, kann die App bei einem Produktscan prüfen, ob er gegen dieses Produkt allergisch ist. Auch die Artikelvergleichsfunktion, eine klassische Methode aus dem Online-Handel, wird mittelfristig in den stationären Handel übernommen und auf dem mobilen Gerät des Endkunden abgebildet werden.

Das Feld der Produktinformation reicht bereits heute in den Bereich von Augmented Reality (AR). Lego hat schon einen Großteil seiner Läden mit einem AR-Kiosk, der sogenannten Digital Box, ausgestattet. Der Kiosk ist mit einer Kamera ausgestattet, die den Kunden filmt und das Bild auf einem Display anzeigt. Halten die großen und kleinen Kunden eine Produktverpackung in der Hand, baut sich das Produkt virtuell auf der gefilmten Verpackung auf. Durch Drehen seiner Verpackung kann der Kunde sein Lego-Modell virtuell und animiert betrachten. Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes sehenswert.

Auch hier ist zukünftig eine Verlagerung auf das mobile Endgerät des Kunden denkbar. Der Kunde startet in einem Supermarkt eine App, filmt ein Produkt und erhält auf seinem mobilen Endgerät ein animiertes Rezept und einen Serviervorschlag. Alternativ erscheint beispiels¬weise in einem schwedischen Möbelhaus beim Filmen der Verpackung die animierte Aufbauanleitung.

Neben diesen produktbezogen Informationen erweitert der Handel auch seine "Location Based Services". Das Thema "Indoor Navigation" ist bereits bei einigen stationären Handelsunternehmen über den Pilotstatus hinaus. Das Prinzip ähnelt allen bekannten technischen Navigationsverfahren. Aus mehreren empfangenen Signalen wird der Abstand zu den einzelnen Punkten berechnet und die Position bestimmt. Wählt der Kunde ein Produkt auf seinem Smartphone aus, führt ihn das System durch den Laden zum richtigen Regal.

Technisch basieren die heutigen Verfahren hierzu auf einem WLAN mit einer größeren Zahl an Access Points oder einem Netz von sogenannten iBeacons. iBeacons sind kleine Funkleuchtfeuer mit geringer Reichweite, die beispielsweise über den kompletten Laden verteilt werden können. Sie verbrauchen wenig Energie, werden mit Batterie betrieben und senden ein Signal über BlueTooth Low Energie (BLE). Bereits heute unterstützen fast alle aktuellen Smartphones BLE. Im Gegensatz zu den klassischen Bluetooth-Verbindungen muss der Anwender nicht proaktiv eine Verbindung herstellen; der Verbindungsaufbau erfolgt automatisch etwa beim Start einer App.

Die iBeacon-Technologie ermöglicht darüber hinaus noch weitere Anwendungsfälle. Geht der Kunde an einem mit einem iBeacon ausgestatteten Produkt vorbei - etwa ein Auto in einem Autohaus -, werden ihm sämtliche Informationen über das Fahrzeug automatisch auf seinem Endgerät bereitgestellt. Die Technologie wird mittelfristig alle QR-Codes ersetzen, da in dem BLE-Signal beispielsweise auch eine Internetadresse enthalten sein kann.

Oder man stattet die herkömmlichen Einkaufswagen mit einem iBeacon aus und kann letztlich den Weg des Kunden im Laden verfolgen. Kritischer zu bewerten ist beispielsweise die Implementierung einer iBeacon-Protokollierung in einer Firmen-App. Bei jedem Eintreten des Kunden in einer Filiale empfängt die Smartphone-App das iBeacon-Leuchtfeuer und protokolliert dies. Die App schickt die Daten online an eine zentrale Datenbank. Hier wird festgehalten, wann wie oft und wo der Kunde in welcher Filiale war - in beiden Beispielen wird der Kunde unbemerkt Teil einer IT-Interaktion.

Neben dem Senden von Informationen durch das Handelsunternehmen kann auch das Empfangen eine Prozessvereinfachung sein. Der Kunde ruft über eine App auf seinem mobilen Endgerät den Verkäufer, beispielsweise in einem Bekleidungsgeschäft. Das mobile Gerät teilt dem Verkäufer nicht nur die Position des Kunden mit, denn im Gerät trägt der Kunde auch seine kompletten Bekleidungsgrößen und Abmessungen als elektronische Visitenkarte mit sich. Der stationäre Textilhändler kann auf Basis dieser Daten den Kunden entweder beraten, den Bestand gewünschter Ware prüfen oder Kleidung maßanfertigen.

Kaufabwicklung

Im Bereich der Kaufentscheidung sind die Spielarten von IT-Interaktionen vielfältig und heute schwer absehbar. Griffiger ist der Bereich der Kaufabwicklung. Während die Anwendungsfälle bei der Kaufentscheidung in Bezug auf IT-Interaktionen Inseln bilden, ist die Kaufabwicklung der Bereich mit dem größten flächendeckenden Nutzungspotenzial. Hier werden Funktionen von der Hardware des Händlers auf die Hardware des Kunden ausgelagert. Ein Beispiel hierfür ist der Self-Check-out, also das selbstständige Scannen von Artikeln durch den Kunden.

Bisher allgemein bekannt sind die massenhaften Self-Check-Systeme, die als unbemannte Kassen neben den herkömmlichen Kassen eingesetzt werden. Eine andere Variante ist bei Coop in der Schweiz zu beobachten. Hier lädt der Kunde die App "Passabene" (passa bene, zu Deutsch: schönes Vorbeigehen) auf sein mobiles IOS-Gerät und scannt die Artikel während des Einkaufs selbstständig ein. An der "Kassa" wird dann nur bezahlt - das Ein- und Ausräumen der Ware entfällt. Dies spart dem Handelsunternehmen (und dem Kunden) wertvolle Zeit am

POS (Point of Sale) und letztlich auch die Hardwareinvestition. Sicherlich erfordert diese Abwicklung Vertrauen gegenüber den Kunden, aber welches Vertrauen mussten die Händler haben, als sie in den fünfziger Jahren die ersten Selbstbedienungssupermärkte eröffneten?

Der sicherlich größte Bereich mit einem flächendeckenden Nutzungspotenzial ist der Bereich des Mobile Payments. Smartphones ersetzen neben der Telefonfunktion heute bereits Digitalkamera, Radio, Kompass, Pulsmesser und vieles mehr. In den nächsten zehn Jahren werden sie auch als Portemonnaie fungieren. Rund 55 Prozent der Zahlungen im Einzelhandel werden heute in Deutschland via Bargeld abgewickelt, die restlich 45 Prozent elektronisch, beispielsweise über EC- und Kreditkarte. Mobile Bezahlsysteme werden dieses Verhältnis bereits in den nächsten fünf Jahren umkehren.

Schon heute existieren unterschiedlichste technische Lösungen, die Machbarkeit ist also gegeben. Für den Handel wird die Einführung von drei Faktoren gebremst: von der Standardisierung, swn Transaktionskosten und dem fehlenden Kundendruck aufgrund einer guten Infrastruktur. Kein Handelsunternehmen möchte auf eine Lösung setzen, die Hardwareinvestition tätigen und anschließend feststellen, dass sich eine andere Lösung als flächendeckender Standard etabliert. Entscheidend sind darüber hinaus die Transaktionskosten, die sich aus Sicht eines Händlers nicht von den bestehenden elektronischen Zahlverfahren unterscheiden dürfen.

Die Schere zwischen dem technisch Möglichen und einer Vereinheitlichung respektive Akzeptanz ist in Deutschland noch sehr groß. Im europäischen wie im weltweiten Vergleich liegt Deutschland deutlich hinter der allgemeinen Entwicklung. Gemäß einer aktuellen Studie von Bain & Company zahlen in China bereits knapp 50 Prozent der Befragten mobil. In Afrika ist beispielsweise die allgemein fehlende Infrastruktur der wichtigste Treiber für den mobilen Zahlungsverkehr.

Die meisten Kunden sehen ihre Banken als Anbieter eines zusätzlichen mobilen Zahlungsservices, ergänzend zum mittlerweile akzeptierten Online-Banking. In Österreich startete die Bank Hypotirol in Kooperation mit dem Handelsunternehmen MPreis das Zahlen mit dem Smartphone. Nach erfolgreicher Einführung wurde die Bezahl-App bankenunabhängig in verschiedenen Handelsketten in ganz Österreich implementiert. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis eines Versuchs der European Business School: Kunden, die mit Smartphone mobil bezahlen, empfinden den gleichen Warenkorb im Vergleich zu den herkömmlichen Zahlverfahren als günstiger.

Neben dem Bezahlen wird am POS auch die Kundenbindung stärker in die mobilen Endgeräte der Kunden wandern. Wo heute noch Coupons auf Papier gedruckt werden oder der Kunde seine Treue über das Sammeln von Aufklebern ausdrückt, werden zunehmend Apps diese Aufgaben übernehmen. Selbst der gedruckte Kassenbon kann heute bereits direkt in das Smartphone des Kunden übertragen und händlerunabhängig archiviert werden. Dies erleichtert die spätere Reklamation.

Fazit

Die mobile Hardware-Ausstattung der Kunden und die Vielzahl an Anwendungsfällen werden zum positiven Ausgang meiner Wette beitragen. Die stationären Handelsunternehmen werden Informationen und Services in den Bereichen Kaufidee, Kaufentscheidung und Kaufabwicklung auf die Hardware der Kunden verlagern. Im Bereich der Kaufidee werden wir im Jahr 2025

je Handelsunternehmen unterschiedliche IT-Interaktionsinseln vorfinden. Je näher wir prozessual der eigentlichen Kaufabwicklung kommen, umso flächendeckender und höher wird die Zahl der IT-Interaktionen zwischen Händler und Kunde. 2025 werden die Begriffe Multi- oder Omni-Channel im stationären Handel antiquiert wirken, denn sowohl Händler als auch Kunde kennen dann nur noch einen Kanal, der über IT-Interaktionen zwischen Händler und Kunde den Kauf von Waren ermöglicht.

Neben der Akzeptanz der Kunden sind letztlich auch die technischen Möglichkeiten der stationären Handelsunternehmen für diese Entwicklung entscheidend. Hierbei sind für mich eine flexible Architektur und Infrastruktur genauso bedeutend wie die Verfügbarkeit von Stammdaten und Informationen als strukturierte Information. Stationäre Handelsunternehmen haben auch im Jahre 2025 ihre Berechtigung, und sie werden bis dahin Services anbieten, die wir heute bereits aus dem Geschäft der Internet Pure Player kennen. Ein besonderer USP des stationären Handels wird die Verfügbarkeit der echten Ware im Vergleich zur virtuellen Artikeldarstellung sein.

Glossar für den stationären Handel - Geofencing

Beim Geofencing handelt es sich um die Verbindung zwischen Geoinformationssystemen, der Lokalisation der Objekte und aktiven Eingriffen innerhalb eines vordefinierten Gebiets. Je nach Applikation kann die Lokalisierung über das Mobilfunksystem auf Funkzellenebene ein Navigationssatellitensystem erreichen. Der virtuelle Zaun lässt sich mithilfe einer Koordinatensammlung scharf eingrenzen. Sind nur grobe Bereiche abzustecken, reichen Kreise um die Koordinaten aus.

Die Geofencing-Bereiche können je nach verwendetem System auch ferngesteuert ausgetauscht und aktiviert oder deaktiviert werden. Die Grenzen der Technik liegen zum Beispiel bei Anwendungen in Gebäuden oder Fahrzeugen, wo der GPS-Empfang gestört sein kann. Auch Störeinrichtungen können den GPS-Empfang verhindern.

Beim Geofencing wird in der Regel über das GSM-Netz (Mobilfunk) oder GPS-Netz (Navigatonssysteme) ein virtueller Zaun um einen Point of Interessent (PoI) gespannt. Durchschreitet der Anwender mit seinem Mobilfunkgerät diesen virtuellen Zaun, wird ein Event ausgelöst, das beliebig verwendet werden kann, zum Beispiel zur Einblendung von Werbung oder beim Verlassen des virtuellen Zauns zur Diebstahlerkennung.

Im GSM-Bereich erfolgt die Berechnung der Position eines Mobilfunkgerätes über die Entfernung zu den einzelnen Mobilfunksendemasten. Im GPS-Bereich erfolgt sie klassisch über die Entfernungsberechnung zu einzelnen Satelliten. Der Zaun selbst kann in der Regel über eine Verwaltungsoberfläche eingestellt werden (Umkreis um einen PoI).

Extended Packaging

Unter Extended Packaging ist die auf einem Endgerät digital erweiterte Verpackung zu verstehen. Angesichts immer mehr Informationsbedarf gewinnt die Technik zunehmend an Bedeutung. Per Scan des Produkt-Barcodes mit dem Smartphone und einer Scan-App können sich Verbraucher zusätzliche Informationen zum Produkt ansehen. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Informationen können in Form von Produktbildern, Videos oder weiterführenden Daten wie Rezeptvorschlägen aufbereitet werden.

Augmented Reality

Sehen, was nicht zu sehen ist: Erweiterte Realität oder Augmented Reality (AR) bezeichnet eine computergestützte Wahrnehmung, bei der sich reale und virtuelle Welt vermischen. Über die gerade betrachtete reale Welt werden in Echtzeit Textinformationen und Grafiken auf den Bildschirm geblendet. Die Anwendungszwecke reichen von der Information über die unmittelbare Umgebung über die ins Sichtfeld eingeblendete Navigation im Auto bis hin zur Nutzung in der Logistik.

Location-based Services

Location-based Services oder LBS ist der Sammelbegriff für Technologien für standortbezogene Dienste, die auf die aktuelle Aufenthalts¬position abgestimmte Informationen zur Verfügung stellen. Zur Standortbestimmung wird auf GPS-Daten zurückgegriffen, alternativ kann auch die Funkzelle genutzt werden, in der das Telefon eingebucht ist. Weiterhin gewinnt die iBeacon-Technologie (BLE oder Bluetooth 4.0) im Zusammenhang mit LBS immer mehr an Bedeutung.

Man unterscheidet zwischen reaktiven und proaktiven Diensten. Reaktive Dienste müssen durch den Nutzer direkt angefragt werden (beispielsweise die Anfrage nach einem bestimmten Produkt). Proaktive Dienste hingegen reagieren automatisch bei Eintritt in eine bestimmte Zone, etwa mit der Freischaltung von Rabattgutscheinen, wenn die Person ein Geschäft betritt. Das Risiko der Technik liegt in der schwierigen Abschottung: Die Veröffentlichung des Standortes lässt auch andere Nutzer wissen, wo man sich befindet. Das Erstellen von Bewegungsprofilen kann nicht ausgeschlossen werden (trotz deutschem Telemediengesetz).

iBeacon

It's an Apple: Bei iBeacon handelt es sich um ein von Apple entwickeltes Profil für Bluetooth Low Energy (BLE). iBeacons sind kleine, in der Regel batteriebtriebene Sendemasten, die wie ein digitaler Leuchtturm beispielsweise ihre Position ausstrahlen. BLE konkurriert mit dem offiziellen Proximity-Profil, eignet sich Entwicklern zufolge aber besser für standortbezogene Dienste und wird neben iOS auch von Android unterstützt. BLE ist nicht unbedingt für die Datenübertragung geeignet. Mit einer maximalen Übertragungsrate von 1 Mbps ist das Design darauf ausgelegt, kleine Datenmengen schnell und mit wenig Energieverbrauch zu übertragen.

Da BLE-Chips weniger Energie als andere Bluetooth-Verbindungen benötigen, hofft man auf eine höhere Nutzungsrate. Außerdem wurde der Aufbau der Verbindung vereinfacht, eine Benutzerinteraktion muss nicht mehr stattfinden. Ein Problem stellen jedoch Interferenzen dar. Da BLE Radiowellen aussendet und empfängt, können Störungen auftreten. Für einen Elektronikfachmarkt kann das problematisch sein, dem kann jedoch durch Apps abgeholfen werden. Nicht nur das Bluetooth-BLE-Profil ist mit iBeacon gemeint, der Begriff wird auch für einzelne Geräte verwendet, die das iBeacon-Profil unterstützen.

Virtualisierung

Mehr Platz im Schaufenster: Eine neue Form des neuartigen Window-Shoppings, auch virtueller Schaufensterbummel, ließe sich etwa in London bestaunen. Die britische Handelskette Tesco hat in drei eigenen Stores Poster in die Schaufenster gehängt. Wer diese mit einem Smartphone fotografiert, erhält Catwalk-Videos zu den beworbenen Produkten und kann sie direkt bestellen. Diese Erweiterung der Ausstellfläche um eine virtuelle Darstellung ist nicht auf das eigene Haus beschränkt. Coop in der Schweiz und Walmart in den USA experimentieren bereits mit der Technik.

Und auch hier kann man von Tesco lernen: Die Briten hängten in südkoreanischen Metro-Stationen Poster mit Supermarktartikeln auf, die durch Einscannen eines QR-Codes direkt bestellt und nach Hause geliefert werden. Das Resultat: Tesco holte seinen Rückstand gegenüber dem Marktführer auf und ist inzwischen die Nummer eins im Online-Handel Südkoreas.

Self-Check-out und Selbstbedienungskasse

Niemand an der Kasse: An der Selbstbedienungs (SB)-Kasse führt der Kunde die Waren an einem Barcodeleser vorbei. Eine Datenbank ermittelt die Preise, die Kasse addiert. Die Datenbank kennt darüber hinaus auch das Gewicht jedes Artikels. Also wird der Einkaufswagen gewogen und mit den gespeicherten Einzelgewichten abgeglichen. In Deutschland hat sich die Selbstbedienungskasse noch nicht durchgesetzt, in anderen Ländern, allen voran Großbritannien, ist sie schon wesentlich stärker verbreitet.

Die Vorteile für die Händler: Sie sparen Personalkosten im Kassenbereich ein und verringern die Wartezeit für ihre Kunden durch das Aufstellen von mehr Kassen. Eine konventionelle Kasse braucht den Platz von zwei Selbstbedienungskassen. Das Risiko liegt für das Handelsunternehmen gegebenenfalls in einer höheren Diebstahlrate. Weiterhin ist die Gewichtserkennung fehleranfällig, da Produkte ihr spezifisches Gewicht zum Beispiel je nach Luftfeuchtigkeit ändern, wie etwa Mehl.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

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