IDC-Studie zur Künstlichen Intelligenz

KI dient zur Prozessoptimierung - aber nicht zur Innovation

08.07.2019 von Jürgen  Hill
Künstliche Intelligenz erobert sich langsam ihren Platz in deutsche Unternehmen. Immer häufiger wird KI zur Optimierung und Automatisierung von Prozessen eingesetzt, so eine aktuelle IDC-Studie. Innovation beziehungsweise Disruption kommen aber beim KI-Einsatz weiterhin zu kurz.
Moderne Rechen-Power und günstige Speichersysteme verhelfem dem Thema KI nun zum Durchbruch.
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Eigentlich ist das Thema Künstliche Intelligenz ein alter Hut. Die mathematischen Grundlagen und Algorithmen entstanden schon in den 50ziger Jahren des letzten Jahrhunderts - hier sei etwa nur an den Turing-Test erinnert. Dennoch bleibt das Thema KI für die breite Masse nach wie vor ein junges Thema, bei dem das Wissen über das Potenzial und die Grenzen jedoch deutlich wächst. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass erst jetzt die erforderliche Rechen-Power sowie die Speichersysteme zu vertretbaren Kosten zur Verfügung stehen.

Letztlich verfolgt Künstliche Intelligenz das Ziel der "Nachbildung" menschlicher Intelligenz durch den Einsatz von Informationstechnologie. Um Einblicke in die Umsetzungspläne, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in puncto künstliche Intelligenz zu erhalten, hat IDC im April 2019 in Deutschland IT- und Fachentscheider aus 305 Organisationen mit mehr als 100 Mitarbeitern befragt. Für die Studie wurden ausschließlich Unternehmen berücksichtigt, die künstliche Intelligenz evaluieren, pilotieren oder einsetzen.

Die Key Findings

Kosten reduzieren, die Effizienz verbessern, das sind Gründe für Unternehmen, um KI einzuführen.
Foto: IDC-Multi-Client-Studie

Die Key Findings der IDC-Studie spiegeln dabei die gleiche Tendenz wieder, wie die von IDG Research für COMPUTERWOCHE und CIO im Februar 2019 durchgeführte Studie "Machine Learning/ Deep Learning 2019": So planen 88 Prozent der befragten Unternehmen die Umsetzung eines neuen KI-Projekts in den nächsten 12 Monaten, vor einem Jahr waren es lediglich 69 Prozent. Gleichzeitig bremst ein Mangel an Experten die Entwicklung aus. In mehr als 38 Prozent der befragten Unternehmen fehlen aktuell KI-Fachkräfte. Außerdem setzen deutsche Unternehmen immer noch vorrangig auf Prozessoptimierung; Innovation beziehungsweise Disruption kommen weiterhin zu kurz. Zweifel an der Reife von KI bleiben bestehen.

Unter dem Strich hat Künstliche Intelligenz in den vergangenen zwölf Monaten in Unternehmen und Organisationen in Deutschland weiter Fuß gefasst. Das ist ein deutlicher Beleg für den Nutzen der Technologie. Die drei am häufigsten genannten KI-Business-Ziele beziehungsweise Use Cases sind die Automatisierung von IT-Prozessen (34 Prozent), die Automatisierung von Sales- und Marketing-Prozessen (31 Prozent) sowie die Optimierung des Personaleinsatzes (30 Prozent). Diese und weitere Uses Cases basieren immer auf einer umfassenden automatisierten Datenanalyse und einer Entscheidungsunterstützung.

Deutschland im EU-Vergleich

Der Fachkräftemangel ist eine der größten Hürden bei der KI-Einführung.
Foto: IDC-Multi-Client-Studie

Der Blick auf andere westeuropäische Länder zeigt, dass Deutschland derzeit vielfältige Maßnahmen ergreift, um zu anderen Ländern wie Großbritannien oder den skandinavischen Ländern aufzuschließen. Das wird sicherlich nicht von heute auf morgen gelingen, aber der Abstand zu den genannten Staaten wird sich nach Überzeugung von IDC verringern. "Unternehmen in Deutschland werden in Sachen KI mittelfristig zu ihren europäischen Peers aufschließen", ist Matthias Zacher, Manager Research und Consulting bei IDC undProjektleiter der Studie, zuversichtlich. "Unsere Prognosen zeigen, dass KI-Software bis 2022 hierzulande jährlich durchschnittlich um 57 Prozent wächst und damit deutlich über dem westeuropäischen Wachstum von 49 Prozent liegt."

41 Prozent der befragten Unternehmen haben bis dato KI-Projekte umgesetzt - 2018 waren dies lediglich 27 Prozent. Unternehmen, die einmal mit KI begonnen haben, entscheiden sich für weitere Projekte. Das ist für IDC ein weiterer Beweis für die Attraktivität intelligenter Lösungen. IT und Fachbereiche treiben KI gemeinsam voran.

Anhand der Studienergebnisse lässt sich jedoch eine interessante Akzentverschiebung feststellen. Während im vergangenen Jahr die Fachabteilungen bei der Planung von KI federführend waren, haben nun die IT-Abteilungen gemeinsam mit den Fachabteilungen diese Rolle übernommen. KI-Projekte sind nach IDC-Beobachtungen am erfolgreichsten, wenn Fachabteilungen und IT von Anfang an einem Strang ziehen - das haben die Unternehmen offenbar verstanden und umgesetzt. Ebenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: 32 Prozent der Unternehmen verfügen bereits überInnovationscenter beziehungsweise Labs für die Evaluierung und Entwicklung geeigneter Lösungen.

KI-Anwendungsszenarien

Text- und Spracherkennung mit KI-Funktionalitäten werden in den Unternehmen am häufigsten verwendet.
Foto: IDC-Multi-Client-Studie

Künstliche Intelligenz basiert auf einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsszenarien. Am häufigsten nutzen die befragten Organisationen Texterkennung (57 Prozent), Spracherkennung (47 Prozent), Bilderkennung/Bild-Klassifikation (43 Prozent), überwachtes Lernen (42 Prozent) sowie die Extraktion von Wissen (41 Prozent). Dabei entwickeln sich die Lösungen und Services für künstliche Intelligenz rasant weiter. Heute ist eine Vielzahl an KI-Plattformen, Services und Anbietern am Markt verfügbar. Dabei sind cloud-basierte KI-Services für 60 Prozent der befragten IT-Entscheider die bevorzugte Bereitstellungsform. Die Unternehmen nutzen sowohl KI-Services und KI-Lösungen Dritter, entwickeln aber zugleich eigene Algorithmen. In diesem Zusammenhang ist für 42 Prozent der IT-Entscheider Open Source eine Option zur Entwicklung eigener KI-Services.

Das große Interesse an künstlicher Intelligenz ist branchenübergreifend. Allerdings sind KI-Lösungen noch nicht in allen Industriezweigen gleichermaßen im Einsatz. Vorreiterbranchen der Umsetzung von KI-Projekten sind Versorger, Telekommunikationsunternehmen sowie die Financial Services Branche. Die Schlusslichter sind die öffentliche Verwaltung und Dienstleistungsunternehmen. "Wir sehen, dass immer mehr Referenzen zur Verfügung stehen", konstatiert Zacher.

Wenig überraschend ist zudem, dass die meisten Unternehmen das Potenzial von KI noch nicht umfassend nutzen. So betonen zwar 60 Prozent, dass eine digitale Transformation ohne künstliche Intelligenz nicht erfolgreich sein werde, doch lediglich 30 Prozent nennen Innovation als eines der drei wichtigsten Business-Ziele. Künstliche Intelligenz wird also offenbar vorrangig zur Prozessoptimierung eingesetzt. Hier sieht IDC vor allem die Anbieter in der Pflicht, die Chancen und Möglichkeiten besser zu kommunizieren.

Fachkräftemangel

Fehlende Fachkräfte bremsen die KI-Aktivitäten in vielen Unternehmen aus. 38 Prozent der Firmen gaben den Mangel an Experten als die größte Hürde für die Umsetzung von Projekten an. Sie könnten ihren Bedarf an KI-Spezialisten weiterhin nicht ausreichend decken. IDC geht davon aus,dass sich die Situation kurzfristig auch nicht entspannen wird, faktisch hat sich seit der letzten Bestandsaufnahme nicht viel getan.

Fazit

Letztlich zeigt die IDC-Studie, dass Unternehmen ihre KI-Projekte bereits gewinnbringend für die Organisation einsetzen. Das Potenzial von künstlicher Intelligenz wird die IT- und Fachabteilungen in den nächsten zwei bis drei Jahren umfassend beschäftigen. Für deutsche Unternehmen ist es wichtig, KI nicht auf operative Einsatzszenarien zu beschränken, sondern stärker im Kontext derDigitalisierung anzuwenden. Erste Schritte in diese Richtung werden bereits sichtbar.