China und dort vor allem Shanghai, Berlin und eine besondere Sorte CIOs - sie alle können sich ein bisschen als Champions fühlen. Jedenfalls laut der neuen KPMG-Studie zu den weltweiten Hubs für technologische Innovation, für die mehr als 800 Technologie-Führungskräfte aus aller Welt befragt wurden und die den Titel "The changing landscape of disruptive technologies" trägt. Entspannt können laut Studie auch die Briten sein. Denn - zumindest bisher und in Bezug auf innovative Technologien - der bevorstehende Brexit wirkt sich bislang nicht negativ aus.
Chief Innovation Officer rangiert vor dem Chief Innovation Officer
Für CIOs dürfte zunächst vordringlich interessant sein, wie sie selbst eingeordnet werden - neben diversen Standorten. KPMG rankt nämlich nicht nur nach regionalen Gesichtspunkten, sondern spürt auch global disruptiven Trends nach. Und hier schneidet der klassische Chief Information Officer als Treiber nicht wirklich gut ab, anders als der ebenfalls mit CIO abkürzbare Chief Innovation Officer.
Weltweit sagen nämlich 35 Prozent, dass primär dem Innovationschef das Vorantreiben der Innovation im Unternehmen zufalle. 18 Prozent nennen hier die Abteilung für Forschung und Entwicklung, mit 17 Prozent folgt erst auf dem dritten Rang der klassische IT-Chef. Der CEO kommt lediglich auf 9 Prozent. Besonders ausgeprägt setzen die Befragten aus den USA mit 42 Prozent auf den Chief Innovation Officer, die Region EMEA folgt mit 27 Prozent.
"Als positiv empfunden wird vor allem, dass der Chief Innovation Officer Innovation konstant im Fokus behält", erläutert KPMG. Einigkeit bestehe bei den Befragten hinsichtlich der großen Bedeutung einer strategischen Planung für die einzelnen Geschäftsbereiche und der Organisation von Think Tanks - beides werde als wesentlich zur Identifizierung von Innovation erachtet. "Entsprechend sehen es die Unternehmen als vorrangig an, hierfür die nötigen Strukturen und Voraussetzungen in der eigenen Organisation zu schaffen und das innovative Potenzial der Mitarbeiter bestmöglich einzubinden", so KPMG.
Die wichtigsten Kennzahlen für Innovationen
Gemessen wird der Wert der Innovation vor allem an der Zahl der Patente, gefolgt vom Ertragswachstum, vom Marken- und Reputationsbarometer, vom Marktanteil, vom Marktwert und vom ROI. Alle diese Faktoren wurden von rund einem Drittel der Befragten weltweit genannt.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovationen
Als Schlüsselfaktoren für das Ermöglichen von Innovation nennen 58 Prozent die Verfügbarkeit von Talenten, 57 Prozent den Zugang zu technologischer Infrastruktur und 55 Prozent die Fähigkeit, Kunden zu generieren. In der Region EMEA ist mit 62 Prozent der Aspekt der begabten und gut ausgebildeten Fachkräfte besonders dominant.
Als Ansätze zu Aufbau und zur Aufrechterhaltung einer innovativen Unternehmenskultur liegen mit 27 respektive 24 Prozent finanzielle Anreize und Aufstiegsmöglichkeiten vorne. Hierzu decken sich die europäischen mit den weltweiten Ergebnissen.
29 Prozent sehen IT als Innovationszentrum
Deckungsgleich ist auch der Befund, dass jeweils zu 29 Prozent die IT-Abteilung als Innovationszentrum im Unternehmen gesehen wird. In EMEA bedeutet das gemeinsam mit der strategischen Planung und den Fachbereichen den geteilten ersten Platz, weltweit sind diese beiden mit jeweils über 30 Prozent enteilt.
Die führenden Technologie-Länder - Ansichtssache
Die Frage nach dem Land mit dem größten Potenzial für disruptive Technologie-Durchbrüche mit weltweitem Einfluss beantworten 26 Prozent der Befragten mit USA. Auf die Vereinigten Staaten entfällt also weiterhin der größte Anteil. Nur knapp dahinter mit einem Plus von 3 Prozentpunkten rangiert indes China mit 25 Prozent. Es folgen mit jeweils um die 10 Prozent Indien und Großbritannien.
Das zeigt, dass beispielsweise das Vereinigte Königreich ein besseres Innovationsimage hat als etwa die Bundesrepublik. Offenkundig spiegeln sich in den genannten Zahlen aber auch regionale Wahrnehmungsunterschiede wieder. So gelten in EMEA die USA mit 27 Prozent als Nonplusultra, während Großbritannien mit 22 Prozent deutlich vor China mit 18 Prozent rangiert. In Asien hingegen wird China schon jetzt mit 35 Prozent als Spitzenreiter wahrgenommen, die USA kommen dort nur auf magere 13 Prozent.
China will 2020 Weltmarktführer sein
"Die Volksrepublik entwickelt mit viel Kraft eigene Innovation - von Augmented Reality-Ansätzen wie etwa dem chinesischen Google-Äquivalent Baidu bis hin zu Multi-Services Apps wie WeChat", kommentiert KPMG. "Gemäß dem Entwicklungsplan 2016 - 2020 der chinesischen Regierung will sich das Land als Weltmarktführer in Technologiebereichen wie Halbleiter, Robotics oder Next-Gen Chip-Materialien positionieren."
"Das gute Ergebnis Chinas liegt vor allem an den sehr technologiebegeisterten Konsumenten des Landes, die diese Entwicklung sowohl einfordern als auch fördern", sagt Peter Heidkamp, Head of Technology bei KPMG in Deutschland. Gleichwohl zeige die diesjährige Studie, dass in den USA die innovativsten Unternehmen angesiedelt sind - allen voran Google, Apple und Microsoft. Die Konkurrenz aus dem Osten hole jedoch auf, so KPMG: Alibaba, der "chinesische Zwilling" von Amazon, belege in der aktuellen Befragung bereits Platz 6 der führenden "Innovation Companies".
Die Vorteile von Berlin
Das Ranking der innovativsten Städte führt Shanghai vor New York an. Den dritten Platz teilen sich Peking und Tokyo vor London. Gleichauf mit Chicago und Washington folgt dann schon Berlin. Die Hauptstadt wurde von einem Zehntel der Befragten genannt, vor einem Jahr lag der Anteil bei lediglich 5 Prozent.
"Dies liegt vor allem an den hier ansässigen hochqualifizierten Kräften und der dynamischen Unternehmenskultur", begründet Heidkamp den Aufstieg der Spree-Metropole. Förderlich wirkt sich laut der Untersuchung auch die Digitale Agenda der Bundesregierung aus, die verstärkt in IT-Security und Highspeed Internet investiere und damit das Vertrauen der internationalen Investoren erhöhe.
Deutschland mit einzigartigem Konzept Industrie 4.0
Die KPMG-Ausführungen im Länderbericht zu Deutschland klingen insgesamt positiv. Das "wirtschaftliche Kraftzentrum Europas" habe neben globalen Spielern aus den Branchen Automobil, Software, Maschinenbau und Chemie den "Mittelstand" und seine "hidden champions" als Trumpf. Und mit "Industrie 4.0" als aufgehendem Stern ein einzigartiges Konzept der Kombination von traditioneller Produktion und aktueller IT- und Telekommunikationstechnologie.
Als Erfolgsfaktoren werden die hochqualifizierten Arbeitskräfte und Verfügbarkeit von Nachwuchs herausgestellt. Lob findet das Bildungssystem insgesamt mit - wie KPMG betont - 9 von 100 weltweiten Topuniversitäten.
Datenschutz und Security sind Erfolgsfaktoren für Deutschland
Deutschland befinde sich in einer exzellenten Position, um die digitale Transformation zu meistern, urteilt Technologie-Chef Heidkamp: "Die gemeinsame Innovationskraft von großen Global Playern, jungen Startups in Berlin und mittelgroßen Nischenspezialisten gibt Deutschland die große Chance, mit Hilfe des Industrie 4.0-Ansatzes seine Rolle in der künftigen Weltökonomie zu definieren." Die Herausforderung liege im fundamentalen Wandel bestehender Geschäftsmodelle.
Das in Vergleich zu anderen Ländern starke Augenmerk auf Datenschutz und Sicherheit wird übrigens von KPMG eher als Stärke denn als Schwäche ausgelegt. Auch wenn die hohen Anforderungen von einzelnen Firmen als Bürde begriffen würden, sei das hohe Niveau in diesen Bereichen letztlich als Erfolgsfaktor im Vergleich mit anderen Ländern zu bewerten.