Ex-Chef von Pannen-Projekt

Kritik an CIO-Ernennung

23.10.2012 von Christiane Pütter
100 Millionen Franken hat die Schweizer Steuerverwaltung mit "Insieme" versenkt. Nun wird ausgerechnet der einstige Projektleiter Dirk Lindemann dort 2013 CIO.
Dirk Lindemann wird neuer CIO der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Nicht jeder ist damit einverstanden.
Foto: Dirk Lindemann / Eidgenössische Steuerverwaltung

Diesen Aufstieg begleitet nicht nur Jubel: Dirk Lindemann soll im Januar 2013 CIO der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Bern werden. Schweizer Medien kritisieren diese Entscheidung. Denn Lindemann agierte bisher als Gesamtprojektleiter des IT-Vorhabens "Insieme". Dieses ist gefloppt. Es soll 100 Millionen Franken gekostet haben, wie etwa die "BZ Berner Zeitung" und die "Blick" schreiben.

Insieme (deutsch: gemeinsam) startete 2001. Die Schweizer Steuerverwaltung wollte ihre beiden veralteten Systeme Molis und Stolis, die beide noch aus den 1980er-Jahren stammten, zusammenlegen. Eine einheitliche, kundenfreundliche Plattform sollte entstehen. 2005 stellte das Schweizer Parlament dafür einen Kredit von 71 Millionen Franken bereit.

Streit zwischen Unisys und Steuerverwaltung

Der Zuschlag für Insieme ging an Unisys, doch bereits 2007 zerstritten sich Dienstleister und Steuerverwalter. Die Behörde musste Unisys eine Abfindung bezahlen. Laut "Berner Zeitung" kostete die "Phase Unisys" knapp sechseinhalb Millionen Franken.

Der schlechte Start setzte sich in dem Projekt fort. Vor allem die Kosten liefen aus dem Ruder, in der Schweizer Presse ist auch von "Ungereimtheiten" die Rede. Im Januar 2012 ordnete Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Finanzdepartments, eine Untersuchung an. Im Zuge dessen nahm Urs Ursprung, Direktor der Steuerverwaltung, seinen Hut. Am 20. September 2012 beschloss das Finanzministerium, Insieme abzubrechen.

Lindemann war seit Oktober 2011 als Gesamtprojektleiter tätig. Er ist deutscher Staatsbürger und war bei der Behörde nicht angestellt, sondern arbeitete als Externer.

Schweizer Medien schreiben, Lindemann sei damals ohne öffentliche Ausschreibung und damit gesetzeswidrig engagiert worden. Das habe eine spätere Untersuchung ergeben. Vor Lindemann hätten sich bereits mehrere Gesamtprojektleiter an Insieme versucht.

Gehalt von etwa 180.000 Franken

Die Position des CIO hat die Behörde neu geschaffen. Lindemann verantwortet künftig auch die Beschaffung. Er wird in einer Lohnklasse eingeteilt, in der das höchstmögliche Gehalt bei 184.000 Franken pro Jahr liegt.

Gegenüber CIO.de erklärte ein Sprecher der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Lindemanns bisherige Insieme-Erfahrung habe für ihn gesprochen. "In dieser Funktion hat er auch gezeigt, dass er zur kompetenten Führung eines komplexen Projektes mit sehr schwierigen Rahmenbedingungen fähig ist", sagte Brückner.

Lindemann ist Betriebswirt. Für seinen neuen Posten bringe er Fach- und Führungserfahrung als Finanzchef in einem internationalen Konzern mit, so Brückner.

Dem scheinen nicht alle Schweizer zustimmen zu können. Die "Blick" nennt Lindemanns Ernennung "heikel". Es sei "pikant", dass der künftige CIO bis 2009 "in diversen Spitzenjobs" bei Siemens Schweiz gearbeitet habe. Denn: die alten Informatiklösungen der Behörde laufen auf einem Siemens-Betriebssystem. Die Zeitung behauptet, die Schweiz müsse die alten Systeme immer wieder "für Millionensummen" nachrüsten.

Vorbehalte gegen Lindemann

Offenbar gibt es auch persönliche Vorbehalte gegen Lindemann. So schreibt ein Blick.ch-Nutzer: "Wieso ein Deutscher? Haben wir denn keine Schweizer Informatiker?"