Es war zwar kein 13., aber dieser Freitag hatte es trotzdem in sich: Viele der 2.500 Mitarbeiter des britischen Prozessfinanzierers Accident bekamen eine SMS mit der Aufforderung, doch bitte eine Telefonnummer anzurufen. Dort teilte ihnen eine Bandansage mit, dass "unglücklicherweise ... keine Gehälter mehr gezahlt" werden könnten. Und sie hiermit entlassen seien.
Die Mitarbeiter waren so wütend, dass sie sich aufmachten in die Büros in Manchester, Liverpool und Birmingham - doch nicht, um, wie in einer weiteren SMS gefordert, Office- und Dienstwagenschlüssel zur Abgabe bereitzuhalten. Sie plünderten ihre ehemaligen Arbeitsplätze, empört vor allem über die Art der Kündigung.
Die Geschichte über den taktlosen Rausschmiss per SMS ging durch die britischen Medien. Die Folge: Das Image der Firma wurde dadurch schwerstens beschädigt. Genauso wie der Ruf der entscheidenden Manager.
"Durch Chefs, die nicht entlassen können, entsteht ein ungeheurer Schaden - und damit meine ich nicht nur den für den Gekündigten, sondern auch den fürs Unternehmen", sagt Hermann Refisch, promovierter Psychologe und Ex-Manager. Dabei liegt es in der Hand der Führungskraft, als wie fair eine Kündigung empfunden wird.
Doch mit der Situation konfrontiert, reagieren viele völlig falsch. Aufgrund von Unwissenheit, Angst, persönlichen Konflikten. "Für die Einstellung von Mitarbeitern wird viel Zeit und Knowhow eingesetzt. Das gilt nicht in gleichem Maße für Entlassungen", sagt Angela Kämper-Laube, eine auf Kündigungen spezialisierte Personalberaterin. "Dabei kommt es gerade bei Trennungen auf das Wie an."
Aber wie gestaltet man das Wie? Ganz direkt oder lieber den Mitarbeiter zum Essen einladen? Was, wenn jemand anfängt zu drohen? Zu weinen? Und ist es nicht ohnehin besser, die Personalabteilung kündigt als neutrale Instanz?
Nicht um den heißen Brei reden
Den Weg von Martin Prager pflastern Kündigungen, mehrere tausend, irgendwann wurde es Routine, irgendwann hörte er auf zu zählen. Prager, promovierter Jurist, ist Insolvenzverwalter, Sanierer. Sein größter Fall war bisher die Abwicklung von BenQ Mobile.
Sein Rezept: klare Ansagen, Konsequenz, aber auch Mitgefühl. "Wenn ich Leute entlassen muss, sage ich das von Anfang an ganz klar. Die meisten ahnen ja ohnehin, dass etwas passieren wird. Jetzt falsche Hoffnungen zu wecken wäre völlig unangebracht", sagt Prager.
Um den heißen Brei herumzureden ist ein Fehler, der auch bei Entlassungen in kleinerem Stil gern gemacht wird: Da wird erst ein bisschen Smalltalk über die Bundesliga geführt, es werden Kekse gereicht, und irgendwann kommt dann ein "es könnte sein, dass wir uns in der nächsten Zeit von Ihnen trennen müssen". Die Folge: Mitarbeiter fühlen sich für dumm verkauft, andere sind von der Unklarheit völlig überfordert, manche verstehen gar nicht, dass sie soeben gefeuert wurden.
"Wenn Sie jemandem kündigen müssen, tun Sie das im dritten, spätestens im fünften Satz", so Experte Refisch. "Dann halten Sie die Klappe - unter Schock hört ihr Gesprächspartner ohnehin nichts mehr." Und reagiert zumeist sehr persönlich: Mancher steht schweigend auf und geht, andere betteln um eine neue Chance, heulen, schreien oder werden gar handgreiflich.
Profikündiger Martin Prager hat die volle Bandbreite erlebt. Seine Reaktion jedoch passt zu dem bedächtigen Mann: Er bleibt völlig ruhig. Sich jetzt auf Diskussionen einzulassen wäre falsch - es gibt ja nichts zu diskutieren. Er wiederholt die Entscheidung, zeigt, dass sie ihm menschlich leidtut, lässt dem anderen Zeit, sich zu beruhigen.
Details über Freistellung, Dienstwagen und Abfindung gehören in ein Folgegespräch, das fest vereinbart ein oder zwei Tage später stattfindet. Nicht nur deshalb sollte niemals freitags gekündigt werden. "Der Mitarbeiter braucht jetzt Ansprechpartner. Ihn mit der schlechten Nachricht ins Wochenende zu schicken ist fahrlässig", sagt Psychologe Hermann Refisch.
Mitarbeiter über Entlassungs-Hintergründe informieren
Keinesfalls darf der Chef das Trennungsgespräch zu lange hinauszögern. Sonst wächst die Gefahr, dass die bevorstehende Entlassung schon gerüchteweise durch die Gänge wabert. Muss doch eine Kündigung vorher mit Vorgesetztem, Personalabteilung und Betriebsrat abgesprochen sein. Dabei sollten auch arbeitsrechtliche Einschränkungen sorgfältig abgeklopft werden. Denn die Entlassung wird zum kompletten Desaster, wenn der Mitarbeiter sagt: Nein, ich bleibe - und damit vor Gericht durchkommt.
Spätestens dann ist die Entlassung Topthema in der Abteilung. Folge: Die Produktivität sinkt und das Ansehen des Chefs gleich mit. Es folgen weitere arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen, die Zeit, Geld und Nerven kosten. Und am Ende hat man womöglich einen Aufwiegler in der Truppe.
Nicht nur in diesem Extremfall muss eine Führungskraft die Nähe zum verbleibenden Team suchen: Wer die Kollegen jetzt sitzen lässt und schweigend hofft, dass die Arbeit schon irgendwie gemacht wird, erreicht nur eines: Demotivation und Unsicherheit, auch über den Arbeitsplatz. Dies führt oft dazu, dass sich die guten Mitarbeiter eine neue Stelle suchen - und die ohnehin dezimierte Abteilung noch zusätzlich schwächen.
"Zu einer Trennung gehört immer auch das Gespräch mit dem restlichen Team", so Trainerin Kämper-Laube. Die Mitarbeiter sollten um die Hintergründe und Zusammenhänge der Personalie wissen - was dies für ihre Arbeit bedeutet und ob weitere Einschnitte zu erwarten sind, natürlich ohne die Persönlichkeitsrechte des Entlassenen zu verletzen. "Und es findet wie bei privaten Verlusten auch bei den Kollegen ein Trauerprozess statt. Dies wird nicht gesehen und ist auch nicht erwünscht", so Kämper-Laube.
Insolvenzverwalter Prager hat seine eigene Art entwickelt, den Stress zu verarbeiten. Wenn er Kündigungen aussprechen muss wie neulich, als ein 58-Jähriger seine Frau mitgebracht hatte und anfing zu weinen. "Das steckt man nicht so einfach weg", sagt Prager. Er vergleicht dann seinen Job mit dem eines Unfallchirurgen. Nach dem Motto: lieber von einem Bein trennen, als den ganzen Menschen sterben zu lassen.