Manchmal passieren Dinge, die spannender sind als Fußball. Rund um zwei Spieltische drängt sich eine Gruppe von Männern. Mehrere von ihnen haben Roboter aus Legosteinen in der Hand, andere halten Block und Stift und blicken angestrengt auf das Spielfeld. Sie setzen die Roboter auf die billardtischgroße Fläche und lassen sie fahren, Drehungen vollführen und wie Ritter Lanzelot mit einem Speer Ringe aufspießen. Was den 21 Teilnehmern vor einer halben Stunde noch viel zu lange dauerte und viel weniger spannend war als die Bundesliga-Übertragung am anderen Ende des Raums, hat nun ihre volle Aufmerksamkeit. Die Roboter von Lego Mindstorms stehen im Zentrum des Interesses.
Mario Thelen und Kai Forst vom Unternehmen ju*nju haben 21 Mitarbeiter aus drei verschiedenen Firmen - 19 Männer und zwei Frauen - an einem Samstag zum sogenannten Creativity Cup in Miesbach am Tegernsee zusammengebracht. Zwanzig Minuten lang erklären sie den Teams Schlossquelle, Krüger Cappuccino und Bongrain (Géramont-Käse), wie es geht. Wie sie am Laptop die Bewegungen des Roboters programmieren, wie sie ihn aus dem Baukasten mit zusätzlichen Teilen und Sensoren bestücken und über das Ladekabel die neuen Informationen auf ihn laden.
Auf jedem Tisch liegt zudem ein Zettel mit Aufgabenstellungen, die es innerhalb der nächsten 150 Minuten zu lösen gilt. Und das möglichst kreativ. Denn am Ende werden Punkte verteilt, die sich zur Hälfte aus Problemlösungs- und zur anderen Hälfte aus Kreativitätspunkten zusammensetzen. Das klingt anfangs alles so kompliziert, dass den Beteiligten die Ehrfurcht ins Gesicht geschrieben steht. Die Aufgaben erscheinen ihnen schwierig, sie trauen sie sich nicht recht zu, wollen sich nicht vor den anderen blamieren.
"Die meisten sind anfangs ängstlich"
Nach den ersten erfolgreichen Roboterfahrten ist die Aufregung vergessen. Lars Ringe beobachtet dies aus dem Hintergrund und lächelt zufrieden. Der Däne hat die Roboteraufgaben für Geschäftsleute entwickelt und mit seinem Unternehmen RobotLab bereits erfolgreich in Singapur und Saudi-Arabien eingesetzt. Der Creativity Cup in Miesbach ist sein erster Workshop in Deutschland. Andere Länder, ähnliche Verhaltensmuster: "Die meisten Menschen sind anfangs ängstlich. Doch dann lösen sie zusammen Aufgaben und entdecken, wie viel Potenzial in ihnen steckt", weiß Ringe. Das könne man auch auf die Arbeit im Unternehmen übertragen: Bei der nächsten schwierigen Aufgabe traue man sich zu, diese gemeinsam anzugehen.
Selbermachen ist nachhaltiger
Um das "gemeinsam" geht es auch den Initiatoren Kai Forst und Mario Thelen. Um den Einzelnen drehe es sich erst einmal nicht. Auch der Wettbewerb verschiedener Gruppen gegeneinander wie hier in Miesbach sei eher die Ausnahme als die Regel. "Wir machen ein Team kreativer und helfen so, bessere Ergebnisse zu erzielen. Wir zeigen der Gruppe, dass sie das kann", sagt Forst. Seit fünf Jahren bieten die beiden ihre Workshops an und haben beispielsweise mit der Paul Hartmann AG und dem Allianz Management Institut zusammengearbeitet, das die Führungselite der Allianz trainiert.
Die Ziele solcher Workshops können ganz unterschiedlich sein. "Der Anlass kann beispielsweise ein neues Projekt sein oder ein Team, das zusammengeführt wird. Vielleicht möchte ein Unternehmen auch eine neue Strategie oder ein Produkt entwickeln", sagt Thelen. In den Workshops arbeite man mit den Teilnehmern daran, Kreativität zu fördern, Prozesse zu optimieren und ein Teamverständnis zu entwickeln.
Die Verwendung von Lego mache im Workshop auch viel mehr Sinn, als die Teilnehmer etwa Bilder malen zu lassen. "Dreidimensionales Bauen wirkt viel nachhaltiger. Vor allem, wenn man es selbst gemacht hat", erzählt Kai Forst. Und wer ein Ergebnis spielerisch erarbeite, sei im Nachhinein deutlich enger daran gebunden. Das Selbstbauen kommt bei den Lego-Robotern zum Einsatz, aber auch bei einer anderen Methode, die Thelen und Forst in ihren Workshops anbieten: dem Lego Serious Play.
Dabei wird ohne Roboter gespielt, es kommen nur Legosteine zum Einsatz. Mit diesen bauen die Teilnehmer dann beispielsweise ihre Position im Unternehmen und visualisieren, was ihre Abteilung der Firma bietet. Zu den abstrakteren Aufgaben zählt, Modelle von "Kultur" oder "Innovation" zu bauen. "Unser Ziel ist, dass alle ein gemeinsames Verständnis für ein Thema entwickeln und es mittragen", sagt Forst.
Beide Spielmethoden stellen Herausforderungen für die Spielenden dar, die sie eifrig annehmen. Beim Creativity Cup sind die Mitspieler so engagiert, dass Mario Thelens Ansage "noch eine halbe Stunde" großes Murren hervorruft. Jeder hätte gerne noch länger an Lösungen für die Lego-Roboter getüftelt. Bei der Vorführung sind alle aufmerksam und haben offensichtlich Spaß.
Horst Engling koordiniert bei Krüger die Materialwirtschaft und ist zufrieden: "Ich brauche Leute, die mitziehen. Wer auch mal gemeinsam mit Kollegen über den Tellerrand guckt, kommt mit einer ganz anderen Arbeitsauffassung zurück ins Unternehmen." Seine Erzählungen werden durch lauten Jubel unterbrochen. Sein Team hat eine weitere Aufgabe gelöst. Auch der Spieleentwickler Ringe ist zufrieden. "Obwohl ich schon oft bei solchen Workshops dabei war, habe ich noch nie gesehen, dass zwei Teams ein Problem auf die gleiche Weise lösen."
Auch beim Creativity Cup war das wieder so. Normalerweise würden Mario Thelen und Kai Forst sich nun mit den Mitarbeitern zusammensetzen und Feedback zum Spiel geben. Nicht in Miesbach. "Heute geht es vor allem darum, dass alle Spaß haben", sagt Thelen. Ein Blick in die freudig angestrengten Gesichter zeigt: Ziel erreicht.