Die Digitalisierung stellt die Gesellschaft vor eine Zerreißprobe: Die Bezugsrahmen und Zielsetzungen driften immer schneller auseinander - und gleichzeitig wirkt sich jedes Tun stärker als je zuvor aus. In dieser hochkomplexen Welt voller Widersprüche stoßen herkömmliche, oft starre Regulierungsmechanismen häufig an ihre Grenzen.
"Klassisch" bestand die Aufgabe des Topmanagements darin, Entscheidungen top-down zu treffen und ihre Ausführung zu überwachen. So ist eine Command- und Control-Struktur entstanden, in der immer klar ist, wer etwas wann zu tun hat und wessen Wort am schwersten wiegt. Etablierte Prozesse regeln den Umgang mit Themen und Mitarbeitern. In einer weniger komplexen Welt mit expandierenden Märkten war dieses Prinzip extrem erfolgreich und prosperierte. Der Preis hierfür sind jedoch starre, zeitaufwendige und unflexible Strukturen, die nur sehr langfristig zu verändern sind.
In vielen Unternehmen haben sich diese Strukturen schon geöffnet. Vor dem Hintergrund der rasanten Veränderungsgeschwindigkeit der Umwelt, geprägt von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität, ist eine solche Aufweichung aber nicht genug. Vielmehr muss sich das gesamte Verständnis von Management und damit die Rolle und das Selbstverständnis der CxOs und aller weiteren Management-Ebenen grundlegend verändern.
Jedem Autonomie geben
Management muss mehr leisten, als nur Ansagen an die Organisation zu erteilen. Der Grund dafür ist die rasante Veränderungsgeschwindigkeit, die Unternehmen zwingt, sich agil an neue Bedingungen anpassen zu können. Will man Agilität, muss man aber Autonomie geben, und zwar jeder Organisationseinheit. Und die kleinste Organisationseinheit einer jeden Unternehmung ist der einzelne Mensch. Die hohe Kunst des Managements wird es sein, diese autonomen Einheiten für den Zweck der Unternehmung zu befähigen, zu ermutigen sowie zu steuern.
Manager müssen einen Orientierungsrahmen schaffen, innerhalb dessen die Einheiten im Unternehmen selbstorganisiert ihre Aufgaben erfüllen. Die zwei Grundprinzipien hierfür sind Transparenz und Eigenverantwortung. Dies verändert die Arbeitsweise auf allen Ebenen. Auf der Management-Ebene wird Anerkennung qua Position schwinden. Topmanager müssen als Richtungsweiser, Enabler und Orchestrierer überzeugen, und das täglich neu.
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Die Mitarbeiter müssen sich innerhalb dieses Rahmens zunehmend selbst steuern. Wie sie sich dabei organisieren, bleibt weitgehend ihnen überlassen. Ihr Output wird zur wichtigsten Steuerungsgröße. Der Beitrag des Einzelnen wird transparenter, Reportingzyklen werden immer kürzer und durch Realtime Dashboards ersetzt, Prozesse werden automatisiert, Strukturen treten in den Hintergrund.
Wir treten in eine Zeit der Data-driven Governance ein. Aus Managern, die oft weit entfernt von der Problemstellung entscheiden, werden Manager, die ihre Teams und Mitarbeiter befähigen und ermutigen. Sie bringen als Coaches und Vernetzer die Stärken und Fähigkeiten im Unternehmen gezielt zusammen.
Mitarbeiter steuern sich selbst
Diese Entwicklung zeigt sich - befeuert durch die Technisierung und Digitalisierung - auch und besonders im Verantwortungsbereich des CIO. Zum einen haben die Kulturveränderungen in Arbeitsweise und Management-Stil in den technologienahen Unternehmensbereichen durch die höhere Veränderungsgeschwindigkeit in der Regel schon früh begonnen. Die Entwicklung ist fortgeschrittener als in anderen Bereichen des Unternehmens. Zum anderen ist hier die Diversität der Elemente, die der CIO in Zukunft zu orchestrieren hat, besonders hoch.
In den Bereichen Infrastruktur, Big Data oder Artificial Intelligence ist es für Firmen kaum noch möglich, nachhaltig ohne externe Partner erfolgreich zu sein. Ebenso wenig ist es möglich, Risiken zum Beispiel im Bereich Cybersecurity als Einzelkämpfer lokal zu verringern und zu managen. Der CIO muss über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg dynamische Systeme aus Menschen und Maschinen aufbauen, die ihn bei der Bereitstellung von Informationen für das Unternehmen unterstützen. Um diesen Kulturwandel zu beschleunigen, brauchen wir:
eine Veränderung der Ziel- und Steuerungssysteme hin zur rein Output-orientierten Beurteilung,
die Schaffung von Transparenz über Aktivitäten und Ergebnisse sowie kurze automatisierte Reporting-Zyklen,
Raum für Experimente im Rahmen eines "Fail-and-learn-fast"-Arbeitsethos,
die richtige Vernetzung und Verschaltung von Organisationseinheiten und
die Akzeptanz von intelligenten Maschinen als Teil des Teams.
Starke ethische Wertgrundlage
Die extrem hohe Eigendynamik eines solchen Management-Ansatzes, der die Effektivität in den Mittelpunkt stellt, verlangt jedoch nach einer starken ethischen Wertegrundlage als Orientierungs- und Navigationssystem.
Die Erarbeitung dieses "ethischen Polarsterns" sehe ich als die dringlichste Aufgabe, damit Unternehmen - und auch die Gesamtgesellschaft - in einer volatilen Umwelt als Gemeinschaft aus Mensch, Flora, Fauna und in gewissem Maße auch Maschinen funktionieren kann.
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