Krisenmanagement: Positive Gerüchte bewirken mehr als jede Mitteilung

"Manager können lernen, authentisch zu sein und Fehler zu vermeiden"

23.03.2009 von Karsten Langer
Manager reagieren mit Angst auf die Krise. Das ist grundfalsch. Sie müssen jetzt Misstrauen bei Mitarbeitern abbauen, Sinn vermitteln und glaubwürdig sein. Das kann man lernen. Ein Interview mit Unternehmensberater Michael Löhner.

Welche Führungspersönlichkeiten braucht die Krise?

Das ist unterschiedlich, bis auf die Eigenschaft der Sinnstiftung in Krisen. Die Treiber aus einem Sinn heraus haben vergangenes Jahr gewechselt. Bis August vergangenen Jahres herrschte bei vielen Managern ein Paradigma der Gier, das da lautete: Haben, schnell und viel. Dann brach das Kartenhaus in einer noch längst nicht bewältigten katastrophalen Vertrauenskrise zusammen und danach wandelte sich das Paradigma der Gier zum Paradigma der Angst.

Meinen Sie existenzielle Angst?

Zunächst ist es die Angst, die sich aus dem Wegbrechen verlässlicher Werte heraus erklärt. Menschen glauben plötzlich erheblich weniger den politischen und wirtschaftlichen Aussagen über finanzielle Sicherheiten. Viele Menschen haben die Hälfte ihrer Ersparnisse verloren, die räumen nun ihre Konten und bunkern ihr Bargeld in Schließfächern.

Und was hat das mit den Managern zu tun?

Es stellt sich die Frage für die Energie im Unternehmen. Was sind die starken Antriebe der Menschen, die Manager werden? Gier oder Angst? Dieser Antrieb wird weitergegeben und bestimmt die Unternehmenskultur. Gier hat lange gut funktioniert. Jetzt hat sie viel an Kraft verloren. Und die Angst hat zugenommen. Angst kann bedingt ein kurzfristig wirksamer Treiber sein. Angst aktiviert Höchstform. Sie aktiviert alles, was der Mensch zum Überleben braucht. Funktional-ökonomisch mag Angst interessant sein, ethisch-ökonomisch ist aber nicht zu verantworten, dass das Geld der wenigen durch das Leid von vielen verdient wird.

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Angst und Gier - das sind doch kaum Eigenschaften, die die Krise von Führungskräften fordert?

Angst und Gier sind negative Treiber. Aber es gibt auch positive Treiber, die ökonomische Erfolge generieren. Und die betreffen den Manager, der auf einmal etwas leisten muss, was er vor der Krise nicht leisten musste: Er muss Vertrauen stiften in die Führung durch seine Person, Vertrauen in das Management durch die Person des Managers. Menschen, denen man nicht vertraut, fordern in besonderer Weise, dass man sie misstrauisch hinterfragt. Wie wird das Management gelesen - das ist wichtiger als das, was das Management schreibt. Wenn die Unternehmenskultur sich verändern soll, muss auch an den Sinn geglaubt werden. Misstrauen kostet viel Geld.

Sollen Manager also gezielt Gerüchte streuen, um ihre Mitarbeiter auf Trab zu halten?

Es gibt Gerüchte der Angstverstärkung, und es gibt Gerüchte der Morgenröte. Allein das Gerücht, das Management sei in der Tat absolut erfolgssicher, kann wirksamer sein als ein Artikel in der Mitarbeiterzeitung. In schwierigen Situationen gilt: Eher sprechen als schreiben. Führungskräfte sind besonders gefordert, Unkenrufern Einhalt und Einsicht zu vermitteln.

Warum?

Wenn Stimmung in der Mannschaft notwendig ist, soll man diese nicht sich selbst überlassen. Die Orientierung von Mitarbeitern resultiert nur zum Teil aus Information, sie interpretieren skeptisch oder zuversichtlich. Es gilt, die Befürchtung zu bezweifeln, nicht die Hoffnung. Und es braucht Multiplikatoren.

Gute Leute kommen für eine Idee

Also lieber lügen?

Die Wahrheit kann man auch über ihre verträglichere Seite verkünden. Zahlen liefern weniger Kraft als Ideen. Es geht jetzt nicht so sehr um Informationen, es geht darum, Unternehmen wieder hinter eine Ideen zu stellen, sie aus dem Sumpf herauszuholen. Wenn man im Rachen des Krokodils steckt, ist es nicht sinnvoll, über die Trockenlegung der Sümpfe nachzudenken. Im Moment herrschen akute Notsituationen in den Konzernen an Sinnstiftung, an ein glaubhaftes Warum und Wozu. Die Aufgabe eines Managers wird also sein, dass die Spekulationen in den Konzernen sich wieder ins Positive wandeln und die Mitarbeiter aufgrund der Informationslage nicht weiter in Frustrationsreaktionen verharren. Je größer die Insel des Wissens im Ozean der Unkenntnis, desto länger ist die Küste des Zweifels.

Schon in guten Zeiten haben Manager von ihren Mitarbeitern Höchstleistungen erwartet. Wie können Führungskräfte jetzt noch Kräfte mobilisieren?

Gute Leute kommen nicht für Geld, gute Leute kommen für eine Idee. Eine gute Idee erhöht die Frustrationstoleranz. In Friedenszeiten und in Kriegszeiten verändert sich auch die Bedeutung von Worten. Offenheit etwa ist in einer Friedenssituation grundsätzlich rücksichtsvoll. In Kriegssituationen dagegen ist sie rücksichtslos. Gerechtigkeit ist in Friedenssituationen eine Verteilungsgerechtigkeit. In Kriegszeiten ist es eher eine Vertragsgerechtigkeit. Da gelten Vereinbarungen, sonst drohen bei Nichteinhaltung Konsequenzen. Das beeinflusst die Kultur.

Was müssen Manager tun, um vor diesem Hintergrund ihre Mitarbeiter bei Stange zu halten?

Sie müssen ihre Mitarbeiter an etwas glauben lassen. Es gibt dafür gute Lehrmeister: Wenn jemand, den du nicht kennst und der dich nicht kennt, über etwas spricht, was er nicht kennt, dann sind wir in der Kirche. Das mag auf den ersten Blick belustigend wirken, aber auf der anderen Seite muss man Respekt davor haben, dass Millionen Menschen über Jahrtausende in diesem System erhalten werden konnten - und das ohne jede Information, sondern nur über die Tatsache, etwas Glaubhaftes, Unbeweisbares aufzubauen und zu vermitteln.

Was macht einen Manager glaubwürdig?

Dass man ihm glaubt, dass er an etwas glaubt. Dass er die charakterliche Fähigkeit hat, etwas für wahr zu halten, was er nicht beweisen kann, aber das für ihn als Maxime steht. Das ist eine Qualität, die die Mitarbeiter anspricht.

Der Chef als Guru?

Gurus stiften unkritische Loyalität einer Ideologie gegenüber. Manager stiften eine Erfolgskultur - damit sind Gewohnheiten gemeint, die das Unternehmen vorwärtsbringen. Es geht um ein Gesellschaftssystem, um ein Unternehmen, in dem sich die Menschen ändern können, ohne die Gemeinschaft zu gefährden. Dazu braucht es ein glaubhaftes und gewolltes Warum. In Krisenzeiten sind die Wettbewerbsvorteile diejenigen Manager, die im Einzelfall glaubhaft vermitteln können: Er ist einer von uns, er ist einer Idee treuer als seiner Sicherheit, er will glaubhaft die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen.

Sicher muss neben der funktionalen Idee noch eine ethische Idee zur Vermeidung von Demotivation wirken. Es sollte niemandem schwerfallen, seine Mitarbeiter mitzureißen, der authentisch seinen persönlichen Glauben vermittelt. Der Mechanismus, Menschen hinter eine Idee zu stellen, ist niemals von Fakten oder Informationen abhängig, sondern von der Ausstrahlung derjenigen Person, welche die Idee vertritt.

Können Manager lernen, mitreißend zu sein?

Manager können lernen, authentisch zu sein und Fehler zu vermeiden. Authentizität ist aber nicht als plumpe Ehrlichkeit, die ungefiltert sagt, was sie denkt, zu verstehen. Faust sagt herablassend zu Wagner: "Sei er kein schellenlauter Thor, such' er den redlichen Gewinn, es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor." Noch heute wird diese Passage interpretiert nach dem Motto: Wenn man unehrlich ist, das merkt man doch. Wirkung fordert auch Verhaltensdisziplin, erfolgreiche Redner haben rhetorische Bildung. Sie wissen nicht nur, wie man ehrlich ist, sondern auch wie man ehrlich wirkt.

Selbstsicherheit als soziale Rolle

Sollen ehrliche Manager dann auch Schauspieler sein?

Gemeint ist eine neue Ehrlichkeit ohne Naivität. Selbstsicherheit als soziale Rolle ist dann gefordert, wenn die Gefühlslage nicht vorzeigbar ist. Nicht wenige Manager stehen inmitten inkonsistenter Rollen: Vater, Freund, Repräsentant, Führungskraft, Team- und Gruppenmitglied. Sicherheit in diesen Szenarien bestimmt persönlichen Erfolg und hält jung. Die Anzahl seiner sozialen Rollen bestimmt das psychische Alter eines Menschen. Je weniger, desto toter. Menschen, die wir in unser soziales Leben integrieren können, machen uns größer - und umgekehrt. Rollen machen den authentischen Kern anschlussfähig.

Wie soll ein Manager das bewerkstelligen? Der hat einen 16-Stunden-Tag und wird danach kaum seine Arbeiter auf Schicht besuchen oder mit seiner Sekretärin essen gehen, um sich ein großes Rollenreichtum anzueignen.

Würden tägliche Lernchancen stärker genutzt, ist es leichter, als man denkt. Jeder Manager wird seiner Sekretärin morgens auf eine bestimmte Weise "Guten Morgen" sagen, dann kommt der erste Bereichsleiter rein, und mit dem muss er schon ganz anders umgehen. Dann ruft der Kundenbereich an, der mit dem Manager Golf spielen will, da ist wieder eine ganz andere Tonart gefordert. Reflektiert er stärker diese Rollen und kennt Referenzsysteme zur Bewertung, wird er jedes Mal besser.

Qualität der Interpretationskultur ist entscheidend

Gibt es eine Haupteigenschaft, die ein Manager in Krisenzeiten in all diesen Rollen haben muss?

Auf jeden Fall Selbstsicherheit - unsichere Personen dienen nicht der Sache. Selbstsicherheit in Krisenzeiten ist vor allem die Fähigkeit, anderen das eigene Unbehagen nicht zeigen zu müssen. Früher hat man gesagt: "Reiß' dich zusammen!" Das meint etwas sehr Ähnliches.

Ist es unehrlich, sich zusammenzureißen?

Unehrlichkeit beginnt, wenn bewusst die Unwahrheit gesagt wird. Insbesondere ist sie verwerflich, wenn dadurch Schaden entsteht. Es ist nicht unehrlich, wenn man sich nicht gehen lässt. Ich glaube, dass man Führungskräfte, die in dieser Zeit Orientierung - auch gegen eigene Unsicherheit - bieten, nicht hoch genug einschätzen kann. Was wir jetzt brauchen, sind charismatische Visionäre, die es schaffen, als Menschen - nicht als Datenverkünder - Vertrauen aufzubauen. Faktengestützter Verkauf von Prognosen, Prophezeiungen und Versprechungen schaffen kein Vertrauen. Um Mitarbeiter identifiziert hinter die Unternehmensziele zu stellen, ist die Qualität der Interpretationskultur entscheidend.

Reicht Charisma, um das zerstörte Vertrauen in die Manager wiederherzustellen?

Charisma ist persönliche Ausstrahlung, der andere freiwillig und respektvoll Gefolgschaft leisten. Dabei ist das Vertrauen eine Frage des sozialen Glaubens. Folglich müssen sich Manager heute die Frage stellen: Wer glaubt mir eigentlich noch? Wer hält bei mir wesentliche Dinge für wahr, ohne dass ich sie beweise oder belege, sondern nur aufgrund der Tatsache, dass ich sie sage? Diese Qualitäten sind in den vergangenen Jahren verwahrlost und verschludert worden, die müssen dringend wieder aufgebaut werden.

Was war den Führungskräften stattdessen wichtig?

Die funktionale Verwendbarkeit des Einzelnen für finanzielle Ziele. Der hat sich über Jahre nur über seine materiellen Sicherheiten definiert, über seine Jacht, sein Haus, sein Auto und seine Ersparnisse. Jetzt fallen dicke Tränen hinter seidenen Gardinen, bei Einkommensverhältnissen um die 500.000 Euro pro Jahr und gleichzeitigem 50-Prozent-Ersparnisverlust durch die Finanzkrise. Diese Menschen stehen heute in Beziehungskrisen und haben Angst, ihren Job zu verlieren, haben Existenzängste, Überforderungsängste, Verlustängste, Versagensängste, Trennungsängste. Die Sicherheit über Besitz ist gefährdeter denn je. Ängste entstehen vor allem, wenn soziale Lebensqualitäten vernachlässigt werden. Vielen wäre wohl am ehesten mit einem Therapeuten geholfen.

Gibt es denn gar keine guten Manager mehr?

Es macht sehr glücklich, einige kennen zu dürfen. Es gibt tolle Vorbilder, die haben ihren Laden im Griff. Zufällig arbeite ich für zwei dieser Unternehmen in Hamburg. Aber bundesweit zu schätzen, gilt: Je größer das Unternehmen, desto schwerer sind sie zu finden.

Gibt es einen Königsweg, den Manager einschlagen können, um das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen?

Königswege klingen so nach Regeln. Was wir brauchen sind Prinzipien. Um etwa herauszufinden, was Mitarbeiter in Friedenszeiten im Unternehmen hält, kann man eine Identifikationsbilanz erstellen. In einer solchen Bilanz werden die Mitarbeiter gefragt: Was hält dich im Unternehmen? Da gibt es dann sieben Möglichkeiten, die Frage unterschiedlich gewichtet zu beantworten.

Was hält dich im Unternehmen?

Welche sind das?

Erstens die Führungsqualität, eine Führungspersönlichkeit, für die der Mitarbeiter alles gibt. Zweitens die Arbeitsqualität, der Job ist so toll, den kann man woanders gar nicht machen. Drittens die soziale Qualität, das heißt, den Mitarbeitern gibt die Gemeinschaft viel. Viertens die Markenqualität, der Mitarbeiter ist stolz auf das Image des Unternehmens. Fünftens der eigene Status, also die Frage, wie viel man zu sagen hat. Sechstens die Karrierequalität, das kann die Kaminkarriere sein oder das Karrieresprungbrett, und siebtens die Frage des Gehalts.

Wie kann eine solche Identifikationsbilanz dem Manager helfen, Vertrauen zu generieren?

Mit der Identifikationsbilanz kann die Stärke der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen beeinflusst werden. Wenn Führungsqualität und soziale Qualität zum Beispiel wenig Werte erhalten, sind Maßnahmen zur Vertrauensbildung erstrangig. Identitätsbilanzen sind ein wichtiges Element aller Mitarbeiterbefragungen. Eine Vision kann nur wirksam sein, wenn sie sich am faktischen Identitätsprofil orientiert.

Was helfen Visionen, wenn Unternehmen Pleite gehen und Tausende entlassen werden?

Die Chance in der Krise ist eine multiplizierbare Idee. Menschen wollen an Visionen glauben. Wenn der Verstand der Diener dessen ist, was man will, wird auch das Opfer verstanden, um den Kern zu retten. Opfer sind schwer, wenn das Gefühl der Ungerechtigkeit herrscht. Manager müssen in diesen Tagen auch Tabuthemen kommunizieren. Eine offene Diskussion über Einkommensgerechtigkeit wird beispielsweise notwendiges Vertrauen herstellen, um Visionen zu realisieren. Neben allen Techniken bedarf ein Überzeugungserfolg der Identifikation mit dem Thema, unabhängig von der eigenen Wertung.

Wie können Manager überzeugen, in die die Mitarbeiter längst den Glauben verloren haben?

Bei unseren Auswertungen von Mitarbeiterbefragungen in fünf Dax-Unternehmen haben wir die Erfahrung eines deutlichen Anstiegs der Aussage "Dem Management kann ich nicht vertrauen" festgestellt, außerdem eine stark erodierende Identifikation mit dem Unternehmen. Bei Vorlage der Ergebnisse (Die Mitarbeiter vertrauen dem Vorstand nicht mehr) wurde oft mit Unverständnis reagiert: "Wir informieren und kommunizieren uns noch zu Tode, und es kommt nicht an." In solchen Fällen ist es unerlässlich, die gegenseitigen Erwartungen realistisch und nachvollziehbar zu thematisieren. Glaubhafte Spielregeln sind ein Teil der Arbeit beim Wiederaufbau von Vertrauen.

Führungskräfte müssen sozial kompetent sein

Wie können Manager Vertrauen zurückgewinnen?

Es macht Sinn, den Begriff des Vertrauens zu trennen in Beziehungsvertrauen und Erfolgsvertrauen. Erfolgsvertrauen generieren Menschen, denen man zuspricht, mit allen Problemen fertig zu werden. Man verzeiht ihnen deswegen nicht selten asoziales Saniererverhalten. Beziehungsvertrauen dagegen generieren Menschen, die entängstigen können, auch wenn sie wenig Probleme lösen. Wenn man dieser Terminologie folgt, kann man es machen wie die Deutsche Bank oder Daimler: Da wird begrifflich wird getrennt zwischen Managern und Führungskräften. Manager sitzen oben und sind für Funktion, Struktur, Strategie und Prozesse zuständig. Die Führungskräfte dagegen sind dazu da, in den personalen Beziehungen auf die Mitarbeiter einzuwirken.

Also treffen die Manager die Entscheidungen und die Führungskräfte verkaufen sie?

Das Management muss Erfolgsvertrauen nach unten generieren, man muss den oberen Etagen glauben, dass sie die Kuh vom Eis kriegen. Aufgabe der Führungskräfte ist es - aufgrund dieses Erfolgsvertrauens - Beziehungsvertrauen nach unten zu generieren. Sie müssen mit den Mitarbeitern entängstigend umgehen können, sie müssen die menschliche Gesprächsführung beherrschen und sozial kompetent sein. Wenn Erfolgsvertrauen und Beziehungsvertrauen in der Kultur eines Unternehmens getrennt betrachtet werden können, dann wird die Reibung durch Missverständnisse erheblich kleiner. Mitarbeiter wissen, wofür sie arbeiten und fühlen sich persönlich angesprochen.

Wie kann Vertrauen aufgebaut werden, wenn ein Unternehmen auf der Kippe steht?

Indem man wirksam ehrlich ist und die Wahrheit sagt. Indem die wirklichen Gründe nicht verschleiert werden. Durch gekonnte Kommunikation akzeptierter Autoritäten ist Situationsverständnis herzustellen und Gemeinsamkeit zu definieren. Der Glaube an die Zukunft muss alle Kommunikation bestimmen.

Schmerzhafte Einschnitte werden einen Sturm der Entrüstung hervorrufen, wenn sich die Manager vorher die Taschen vollgestopft haben.

Wem man nicht mehr vertraut, den kann man weder managen noch führen lassen. Es wird eine Generation von Managern geben, die Vertrauen neu begründen, weil sie die alten Fehler kennen und vermeiden. Etwa Unternehmer, die wesentliche Teile des Gewinns, den sie erwirtschaftet haben, direkt oder indirekt an die Mitarbeiter weitergereicht haben. Sie haben die Arbeitsplätze und das Arbeitsumfeld verbessert, haben den Komfort erhöht oder die Sozialeistungen aufgestockt. Es geht nicht nur um Geld im Sinne einer Gewinnbeteiligung, sondern darum, bewusst auf die Interessen der Mitarbeiter einzugehen und diese am Erfolg zu beteiligen. Diese merken es sich und halten dem Unternehmen auch in harten Zeiten die Treue

Wie kann man Vertrauen noch aufbauen?

Vertrauen muss über Prinzipien vermittelt werden, nicht über Regeln. Regeln schreiben Verhalten vor und nehmen Verantwortung. Prinzipien zwingen zur Entscheidung und geben Verantwortung. Sich daheim zu helfen, ist ein Prinzip, der Putzplan am Kühlschrank ist die Regel. Ohne Entscheidungskompetenz können Menschen nicht glauben, dass man ihnen vertraut.

Schafft Erfolgsvertrauen: Deutsche-Bank-Chef Ackermann.
Foto: Deutsche Bank

Welche Prinzipien können das sein?

Etwa dieses: In unserem Unternehmen leben wir Menschlichkeit. Das ist besser als eine fünfzehnseitige Broschüre, in der steht, wie mitarbeiter- und kundenorientiert das Unternehmen ist. Voraussetzung dafür ist, dass der Begriff "Menschlichkeit" im Unternehmen nachvollziehbar transparent ist und jeder dem anderen den Einhaltungswunsch glaubt. Ein gutes Prinzip scheint mir: "Wir wollen, dass Menschen im Umgang miteinander größer werden". Jeder kann dann in eigener Verantwortung aktuell entscheiden, ob ein bestimmter Mensch größer oder kleiner gemacht wird. Regeln sichern nicht das Wesentliche. Friedrich Nietzsche sagt: "Ich kann Dir nicht die Liebe versprechen, aber die Handlungen daraus. Was willst Du wirklich?"

Können Prinzipien Visionen sein?

Visionen können den Glauben an Prinzipien stärken und damit Veränderungen in der Kultur unterstützen. Wenn die Führungskräfte charismatische Visionäre sind, werden die auch in der Lage sein, Prinzipien für die Vision zu aktivieren.

Sollen Manager sich vor ihre Mitarbeiter stellen und denen die Prinzipen verkünden?

Von Prinzipien muss man überzeugt sein oder überzeugt werden. Das Topmanagement legt sie fest, die Führung bringt sie zum Leben. Ein Manager trägt die Verantwortung, sein Prinzip auch anschlussfähig begründen zu können. Manager, die darüber hinaus auch noch das Prinzip "ich gebe nicht auf" verkörpern können, brauchen nicht verkünden, sie wirken durch Vorbild. Die oberste Spitze muss sich hinstellen und sagen: Wir schaffen das, auch wenn es blutig wird. Topmanager werden für Erfolg bezahlt, nicht für Sympathie.

Führungskräfte werden für Demotivationsvermeidung bezahlt

Und wofür werden Führungskräfte bezahlt?

Führung ist der konstruktive Einfluss auf Mitarbeiter, im Unternehmenssinne tätig zu werden. Sie werden für Demotivationsvermeidung bezahlt. Dafür, dass sie jedem einzelnen Mitarbeiter das Gefühl geben, er wäre nicht gleichartig, sondern gleichwertig. Dafür, dass sie mit den Kollegen reden und jeden einbinden, Talente fördern und Beziehungsvertrauen schaffen. Und dafür, dass sie Prinzipien vermitteln, die das Unternehmen erfolgreich machen.

Das klingt alles sehr funktional. Können Sie kurz umreißen, wie der ideale Manager aussieht, der Vertrauen schafft?

Der ideale Manager

Der ideale Manager ist ein weiser Tyrann. Er generiert Erfolgs- und Beziehungsvertrauen. Er denkt und entscheidet realistisch und kann seine Erkenntnisse auf Menschen übertragen. Das ist jemand, der sich zurücknimmt, der sich für sein Unternehmen und seine Mitarbeiter aufopfert, weil er sich einem Ziel stellt, das vielleicht größer ist als er selbst. Jemand, der für eine Vielzahl von Menschen zuständig ist und verantwortlich ist, kann sich nicht für sein eigenes Leben entscheiden, der stellt sich in den Dienst einer Vision.

Das, was Sie gerade beschreiben, klingt nach einem Familienunternehmer, der für seine Firma steht. Was ist denn etwa mit dem Finanzchef eines Konzerns?

Nicht-Eigentümer sind Funktionäre. Das ist nicht abwertend gemeint, sondern verantwortungsbezogen. Das Feindbild lautet jetzt stärker: "In den Unternehmen arbeiten anonyme Manager, die sich sagen, in fünf Jahren gehe ich mit fünf Millionen Euro nach Hause, wo ist das Problem?". Dieses Feindbild muss in den Unternehmen systematisch abgebaut werden. Menschen dürfen nicht von Menschen geführt oder gemanagt werden, mit denen sie sich charakterlich nicht vergleichen wollen.

Und sie sagen dann diesen Funktionären: "Wenn du Erfolg haben willst, musst du Vertrauen schaffen, sonst wird das nichts."?

Um Erfolgsvertrauen zu schaffen, bedarf es einer überzeugenden und kommunizierbaren Strategie, die nach unten glaubhaft vermittelt werden kann. Um Beziehungsvertrauen zu schaffen, bedarf es der Sicherheit menschlichen Umgangs. Das sind keine leichten Hausaufgaben in der Krise. Es geht wesentlich darum, den Anstand erstrebenswert zu machen und das Menschliche nicht zu verachten. Der Mehrwert eines Menschen geht über seine Verwendbarkeit hinaus. Wenn das nicht passiert, werden Manager in der Krise keinen Erfolg haben. Die Gier hat eine Schlappe erlitten.