Die neuen Geräte der Kategorie „Netbook“ krempeln nach Ansicht von Canalys die PC-Industrie so stark um, wie es seit 15 Jahren nicht der Fall gewesen ist. 13,5 Millionen Netbooks sind laut einer Studie der Marktforscher im ersten Halbjahr 2009 verkauft worden.
Die vor anderthalb Jahren eingeführten Mini-Computer, deutlich kleiner als herkömmliche Notebooks und bestens geeignet fürs mobile Surfen, fügen sich dabei in einen längerfristigen Trend ein. Die Grenzen zwischen Rechnern und Handys verschwimmen immer mehr. Ob Notebook, Netbook oder Smart Phone – die Nutzer sind mit allen Produkten mobil und können sich nach Lust und Laune im Internet tummeln. Ein Meilenstein vor Einführung des Netbooks war selbstverständlich schon das von Apple auf den Markt gebrachte iPhone.
Die Vielfalt der Möglichkeiten bleibt naheliegenderweise nicht folgenlos für den Herstellermarkt. Wobei laut Canalys insbesondere auch der subventionierte Verkauf von Netbooks durch die Mobilfunkanbieter den Absatz stimuliert. Sowohl in der aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika bestehenden EMEA-Region als auch im asiatisch-pazifischen APAC-Raum sind die Geräte inzwischen für 100 bis 199 US-Dollar zu haben.
„Unsere Studie aus dem August zeigt, dass in Europa Samsung, Asus, HP und Acer die meisten Deals mit der Telekommunikations-Branche eingegangen sind“, sagt Canalys-Analyst Tim Coulling. Eine echte Überraschung sei vor allen Dingen, wie schnell die koreanischen Anbieter auf diesen Zug aufgesprungen seien. So habe etwa Samsung schon mit der Hälfte der Mobilfunkanbieter, die Netbooks verkaufen, Deals abgeschlossen.
Durch das Netbook kommt so Bewegung in den gesamten PC-Markt. Samsung sei mittlerweile eine Kraft, mit der hier zu rechnen sei, so Coulling. Der Marktanteil der PC-Anbieter verändert sich laut Studie rasant – abhängig davon, wie aufgeschlossen sie auf die Netbook-Kategorie reagieren und wie fix sie bei den Telcos Nägel mit Köpfen machen.
Mehr Tempo auf dem asiatischen Markt
Traditionell führende Notebook-Hersteller wie Lenovo, Fujitsu, Sony oder Toshiba haben diesen Trend nach Ansicht von Canalys zunächst verschlafen. Die Marktforscher zählen sie zu den Verlierern, weil sie zusammen bisher noch keine zehn Deals mit Telekommunikationsunternehmen eingegangen seien.
Zementiert scheinen die Verschiebungen auf dem Markt aber keineswegs. So weist Canalys auch darauf hin, dass nach Europa derzeit in Asien eine besondere Dynamik auf dem Netbook-Markt zu beobachten sei. „Der Telco-Kanal brauchte in der Region APAC etwa sechs Monate länger als in EMEA, aber die Schlagzahl hat sich inbesondere in Nordasien erhöht“, so Canalys-Analyst Daryl Chiam.
Das bedeutet einerseits, dass binnen zwei Monaten auch in Asien die Preise massiv gepurzelt sind. Andererseits haben sich für die Verlierer der ersten Stunde schon längst neue Möglichkeiten ergeben – und zwar überwiegend in ihren Heimatländern. So wie Asus und Acer in Taiwan oder Samsung und LG in Korea zeigten sich Lenovo, Haier und Tsinghua Tongfang in China sowie Sony, Toshiba und Sharp in Japan äußerst rege, so Canalys.
Die Beliebtheit der Netbooks bei den Endverbrauchern scheint unbestritten. Laut Studie surfen die Nutzer mit den handlichen Geräten dreimal so gern in Cafés, Parks und Zügen als mit Notebooks. Wer ein Netbook hat, nimmt es zu 45 Prozent auch in den Urlaub mit.
Auf der Angebotsseite lassen sich die Strategien aber keineswegs über einen Kamm scheren. Apple verzichtet aus Sicht von Canalys nachvollziehbarerweise auf die Telcos als Distributionskanal für sein ohnehin laufendes iPhone. Die unternehmenseigenen Stores erscheinen auch den Marktforschern als die geeignete Verkaufsplattform - auch für Netbook-Angebote von Apple.
Marktforscher skeptisch über die Strategie von Nokia
Nokia verfügt klassischerweise über die besten Kontakte in die Telco-Branche. Am Verkaufserfolg des Windows-basierten Booklets aus Finnland äußert Canalys wegen des vergleichsweise hohen Preises aber Zweifel.
Weitere Bewegung am Markt erwartet Canalys mit dem Windows-7-Launch durch Microsoft. Die Grenzen zwischen Geräten zum mobilen Surfen werden weiter verschwimmen, prophezeien die Marktforscher. Genau dieser Trend zur Innovation habe der PC-Industrie in wirtschaftlichen schwierigen Zeit ein letztlich ordentliches Geschäftsjahr beschert.
Allerdings sind beispielsweise Netbooks bisher vor allem ein privates Vergnügen. In der Welt des Business werden diese kleinformatigen mobilen Endgeräte bislang zurückhaltend beurteilt.