In der IT steht eine massive Restrukturierungswelle bevor. Mehr als die Hälfte der CIOs kündigte in einer Forrester-Befragung an, innerhalb der kommenden drei Jahre durch einschneidende Veränderungen die Services verbessern, die Kosten senken und eine größere Konsistenz von Prozessen und Systemen erreichen zu wollen. Weit oben auf der Agenda steht dabei zumeist die Optimierung im Bereich der Applikationen. 43 Prozent der Befragten nannten aber auch Innovation als hohe oder höchste Priorität. „Ein erfrischend hoher Anteil“, wie Marc Cecere, Autor der Studie, findet.
Die CIOs befinden sich offensichtlich mitten auf der Suche nach neuen IT-Modellen, die den seit Ausbruch der Krise gewachsenen Ansprüchen genügen. Wer mit weniger Geld die Leistung im schärfer gewordenen Wettbewerb steigern will, muss andere Wege gehen als die eingelaufenen.
Zum einen zwingt der Druck der nervösen Finanzmärkte – Cecere spricht von einem JoJo-Effekt – und der die regulatorischen Zügel straffenden Regierungen dazu. Zum anderen locken neue und innovative Technologien und Service-Angebote. „Der Appetit auf Restrukturierung ist offensichtlich groß“, stellt der Forrester-Analyst fest. Noch zügeln ihn die IT-Verantwortlich aber: Innerhalb der kommenden zwölf Monaten wollen lediglich 29 Prozent den Schritt sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit wagen. Für den längeren Zeitraum von drei Jahren bejahen dies 52 Prozent. Nur 14 Prozent bewerten die Wahrscheinlichkeit von Restrukturierungen als niedrig oder sehr niedrig.
73 Prozent wollen an die Anwendungen herangehen, 65 Prozent die Infrastruktur anpacken. 57 Prozent denken an strategische Restrukturierungen, etwa im Bereich der Enterprise Architecture, bei der Planung oder im Vendor Management. 49 Prozent wollen auch den Bereich der Projekte anfassen.
Offenbar ein gutes Drittel wird durch schiere Not in diese Aktivitäten getrieben. Jedenfalls sagen 37 Prozent der Befragten, Kostensenkung oder –dämpfung habe höchste Priorität. Kein Ziel erhielt so oft die Kategorie 5 auf einer Skala von 1 bis 5. Nimmt man jedoch die beiden höchsten Bewertungen zusammen, ergibt sich eine andere Rangfolge der vorherrschenden Triebfedern: 77 Prozent für verbesserte Services, 65 Prozent für geringere Kosten, 63 Prozent für mehr Konsistenz und 43 Prozent für Innovation – insgesamt wohl eine Mischung aus erzwungener und gewollter Restrukturierung.
Innovationspotenzial durch Business Analytics und Mobile Apps
Wohin aber führen die anvisierten Veränderungen? Die Bemühungen im Bereich der Infrastruktur hält Cecere für „nicht überraschend“. Die Restrukturierung in diesem Bereich sei oft seit Jahren im Gange. In der Regel werden die Unternehmen sich weiter schrittweise in Richtung prozess-orientierter Modelle bewegen und an IT Infrastructure Library (ITIL) orientieren. Allerdings warnt der Analyst, dass auch dieses Lemmingsrennen irgendwann ein Ende haben werde. Der Nutzen von ITIL als organisatorischer Rahmen beginne bereits zu schwinden.
Dramatische Einschnitte erwartet Cecere hingegen im Bereich der Applikationen, wo wegen der derzeitigen Fragmentierung – vor allem in Großunternehmen mit dezentraler Organisation der Anwendungen – das größte Potenzial für Einsparungen durch Rationalisierung und/oder Outsourcing schlummere. Eine zusätzliche Motivation sei, dass insbesondere im Bereich der Applikationen das meiste Innovationspotenzial vorhanden sei – Business Analystics oder Mobile Apps beispielsweise.
Drei organisatorische Modelle schälen sich der Forrester-Erhebung zufolge heraus: auf Geschäftsprozessen basierende Modelle, Demand-supply-Modelle (DS) und Plan-build-run-Modelle (PBR). An einem Business-process-based-Ansatz sind 64 Prozent sehr oder sogar höchst interessiert.
Analyst Cecere zeigt sich ob dieses eindeutigen Anwender-Votums doch etwas überrascht. Bisher sei dieses Modell zwar durchaus gebräuchlich, aber lediglich in eng umrissenen und selbst definierten Bereichen, in denen Gruppen von Business- und IT-Leuten zusammenarbeiten. Cecere sieht deshalb die Gefahr der Silo-Bildung um einzelne Geschäftsprozesse, was den Zugriff auf gemeinsame Tools und Methoden unternehmensweit einschränke statt fördere.
DS steht in 48 Prozent der Unternehmen hoch oder sehr hoch im Kurs, PBR in 41 Prozent. Beide Ansätze ähneln sich darin, dass strategische und operative Aktivitäten getrennt werden sollen und dass zumeist in hohem Umfang ausgelagert wird. Cecere führt die hohe Konjunktur dieser Modelle auch darauf zurück, dass sie von führenden Beratungshäusern wie McKinsey und Accenture propagiert werden.
Cloud Computing kein IT-Organisationsmodell
Als mögliche organistorische Frameworks weitgehend ignoriert werden in der Praxis offenbar Geographie-basierte Ansätze und Cloud Computing-Modelle. Lediglich ein Fünftel der Unternehmen denkt in diese Richtung. Cloud Computing werde zwar irgendwann an Einfluss auch in der IT-Organisation gewinnen, meint Cecere. Derzeit sei es nicht mehr als eine Outsourcing-Strategie.
Handlungsdruck und Orientierung bei der Restrukturierung hängen insgesamt von der Unternehmensgröße ab sowie von der Frage, ob eine zentrale oder eine dezentrale IT-Organisation vorherrscht. Je zentralisierter die IT, desto größer laut Forrester das Interesse an einer Restrukturierung der Apps. Als Triebfeder ist in diesen Fällen die Konsistenz stärker ausgeprägt, während dezentrale Organisationen meist an Kostensenkungen interessiert sind. Die Avantgarde-Modelle PBR und DS stehen insbesondere in Konzernen hoch im Kurs.
Forrester befragte für die Studie "New IT Models Will Focus On Service Improvement And Cost Reduction" 178 IT-Entscheider.