Der Outsourcing-Markt hat sich gewandelt: Statt auf Mega-Deals setzen die Anwender immer häufiger auf eine Multi-Sourcing-Strategie. Für kleine, spezialisierte Anbieter öffnet sich damit ein neuer Markt, den sie bisher mangels Vollständigkeit des Serviceangebots nur schwer adressieren konnten. Die Großen der Branche müssen ihre Leistungen kleinteiliger zuschneiden, wenn sie ihre Rolle als Marktführer behaupten wollen.
Gab es bis vor einiger Zeit in der Regel nur ein bis zwei Outsourcer in einem Unternehmen, so fahren CIOs heute meistens eine Multi-Vendor-Strategie. „Die nie da gewesene Anzahl kleinerer Transaktionen schafft die ideale Umgebung für eine größere Vielfalt der Serviceanbieter“, sagt Bernd Schäfer, Deutschland-Chef
bei dem auf Outsourcing spezialisierten internationalen Beratungsunternehmen Technology Partners International (TPI).
Nach dem Global ITO-Survey von Gartner aus dem Jahre 2005 haben 56 Prozent der europäischen Unternehmen mehr als einen IT-Outsourcer unter Vertrag. Im Schnitt sind es vier – bei steigender Tendenz. „Es gibt heute eine Vielzahl von Anbietern für unterschiedlichste IT-Dienstleistungen auf dem Markt. Aber es bedarf einer ausgefeilten und ständig aktualisierten Sourcing-Strategie, um davon zu profitieren“, warnt Peter Dück, Vice President bei Gartner.
Die global aufgestellten Marktführer sehen den Trend zum Multi-Vendor-Sourcing mit gemischten Gefühlen – und reagieren. Zunehmend bieten sie Teile ihres Leistungsportfolios als separate Dienstleistungen an. So hat IBM damit begonnen, sein Geschäft zu einem weltweit standardisierten Serviceportfolio umzustellen. Services sollen künftig wie Technologieprodukte angeboten werden; deshalb konsolidiert IBM gerade das Leistungsportfolio auf zehn Geschäftseinheiten, so genannte Service Product Lines.
HP-Ziel: 80 Prozent standardisiert
Auch HP hat die Zeichen der Zeit erkannt: „Wir entwickeln schon seit einiger Zeit neue Servicemodelle. Unser Ziel ist es, etwa 80 Prozent unserer Produktpalette in Form standardisierter Leistungen anzubieten“, sagt Markus Feidicker, Leiter des Bereichs Managed Services bei HP in Deutschland. Unter dem Begriff Utility-Computing bietet sein Unternehmen Shared-Services auch in Produktform an: „In unserer SAP-Factory etwa bieten wir den Kunden Komplettpakete aus Hosting, Application-Management und vereinbarten SLAs zu Festpreisen an“, sagt er.
Während die globalen Größen bei den Mega-Deals noch weitgehend unter sich waren, treffen sie mit kleinteiligeren Offerten auf Konkurrenten, die zwar über kein Full-Service-Portfolio verfügen, aber ihre Dienstleistungen dennoch selbstbewusst anbieten: „Outtasking entpuppt sich in der Praxis häufig als gute Alternative zum Outsourcing“, sagt Richard Schlauri, Geschäftsleitung Deutschland bei Fujitsu Siemens Computers (FSC) IT Product Services.
Industrialisierung der IT-Services
FSC übernimmt dabei die komplette Verwaltung der E-Mail-Postfächer oder das Druck-Management als Managed Service. Die Abrechnungsmodelle richten sich dabei am tatsächlichen Verbrauch aus: Beim Druck-Management braucht sich der Kunde nicht mehr um den Betrieb seiner Drucker kümmern – er bezahlt nur die tatsächlich produzierten Seiten. Er blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir gehen davon aus, dass der Outtasking-Markt stark wachsen wird; Outtasking ist wesentlich flexibler als Outsourcing.“
Der Trend zur Standardisierung von IT-Dienstleistungen ist unverkennbar: „Die Arbeitswelt ist schon immer arbeitsteilig organisiert – das erfasst jetzt langsam den IT-Bereich und sorgt für die Industrialisierung von IT-Services“, sagt Gartner-Analyst Dück. Allerdings stehe diese Entwicklung noch am Anfang. Während sich auf der Anbieterseite erst zögerlich die Erkenntnis durchsetze, dass eine weitgehende Standardisierung von Dienstleistungen – mit entsprechender Konfigurierbarkeit – möglich und am Markt verkäuflich sei, stünden sich auf der anderen Seite die Kunden selbst im Weg: „Die Unternehmen sind nach wie vor zu sehr dem ‚Projektdenken' verhaftet. Sourcing-Verträge werden immer noch nach dem Schema ‚Plan – Build – Run' geplant und abgeschlossen. Dabei sind die meisten IT-Dienstleistungen durchaus als standardisierte, konfigurierbare Produkte denkbar“, sagt Gartner-Experte Dück.
Auf knapp acht Milliarden Euro beziffert das Marktforschungsunternehmen Ovum das Volumen des deutschen Outsourcing-Markts im Jahre 2005. T-Systems liegt danach mit Abstand vorn, gefolgt von IBM, SBS, HP und EDS. Insgesamt sind in Deutschland nahezu alle großen europäischen Anbieter (Atos Origin, British Telecom, Capgemini, SBS) und weltweit tätigen Dienstleister (Accenture, ACS, CSC, EDS, HP und IBM) vertreten. Für den Zeitraum bis 2010 rechnen die Analysten von Gartner mit durchschnittlichen Wachstumsraten von gut acht Prozent jährlich.
Der deutsche Markt ist vor allem geprägt vom Auslagern der IT-Infrastruktur. Marktführer T-Systems macht damit mehr als die Hälfte seines Umsatzes, die Nachfolgenden IBM, SBS und HP jeweils mehr als zwei Drittel. Weit weniger ausgeprägt ist das Outsourcen des Application-Managements. Die Vergabe kompletter Geschäftsprozesse (BPO) steckt noch in den Anfängen. Hier liegen Personaldienstleistungen, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung sowie Finanzprozesse vorn.
Technik verändert Preismodelle
Die deutschen Marktzahlen sind indes mit Vorsicht zu genießen: „Die Statistiken suggerieren ein Volumen, das es in dieser Größe gar nicht gibt – jedenfalls nicht als Markt, der für die großen Outsourcing-Dienstleister zugänglich wäre“, sagt Frank Wilden, Generalbevollmächtigter European Business Development bei CSC. Denn ein Gutteil der Outsourcing-Deals finde zwischen großen Unternehmen und ihren IT-Töchtern statt.
Die Kostenvolumen sinken dabei nicht nur durch den steigenden Offshore-Anteil der Dienstleister. Auch neue Technologien verändern Services und Preismodelle. Während Rechenzentrumsdienstleister früher dedizierte Server- und Storage-Systeme auf die Lastspitzen ihrer Kunden auslegten, erlauben Virtualisierungs- und Automatisierungstechnologien zunehmend die Abrechnung der tatsächlichen Ressourcennutzung. Fast alle Großen der Branche bieten inzwischen dynamische RZ-Dienstleistungen unter Bezeichnungen wie „On Demand Computing“, „Agile Enterprise“, „Dynamic Computing“ oder „Adaptive Enterprise“ an. „Früher haben Kunden über Kapazitätsbandbreiten von fünf bis zehn Prozent verhandelt. Mit dynamischen RZ-Architekturen sind heute 60 oder 70 Prozent möglich“, sagt Gartner-Analyst Dück.
Beim Wandel zu immer kleinteiligeren, standardisierten und billigeren Services mit kürzeren Laufzeiten leiden viele Outsourcer noch unter ihren alten Deals. Bei den großen Verträgen in der Vergangenheit war fast immer die Übernahme der IT-Belegeschaft und Assets wichtiger Bestandteil. Wenn man zum Beispiel die Infrastruktur und Applikationen von einem Kunden übernehme und vertraglich 30 Prozent Kosteneinsparungen vereinbare, liege das durchaus im Rahmen des Machbaren, sagt CSC-Manager Wilden. „Wenn ich dann aber noch zusätzlich 200 Mitarbeiter, meist mit langjährigen und hoch dotierten Verträgen, übernehmen und ihnen langfristige Karriereperspektiven bieten soll, kann die Rechnung nicht mehr aufgehen.“
Erfolg nur langfristig möglich
Auch kürzere Vertragslaufzeiten betrachtet Wilden mit Skepsis: „Es handelt sich doch immer um einen langfristigen Transformationsprozess, den Outsourcer und Kunde gemeinsam durchlaufen – das geht nur auf der Basis eines konstruktiven und partnerschaftlichen langfristigen Verhältnisses.“ Michael Diemer, Vice President Strategic Outsourcing bei IBM Deutschland, pflichtet ihm bei: „Outsourcing wird heute nicht mehr nur unter reinen Kostengesichtspunkten gesehen, sondern zunehmend als Business-Enabler in der Diskussion um Wachstum und Innovation.“