Die Studie beschäftigt sich mit jenem unternehmensspezifischen Know-How, das durch Patente und Copyrights zwar gesichert, strategisch aber nicht optimal eingesetzt wird. Dazu erarbeitete sie das Value-Protect-Exploit-Modell (VPE): Am Anfang eines erfolgreichen IP-Managements steht stets die Entwicklung einer Strategie. Diese betrachtet den Schutz geistigen Eigentums nicht nur als rechtliche, sondern vor allem als geschäftsrelevante Angelegenheit. Vorhandene Wertpotenziale müssen eingeschätzt, mittels verschiedener Taktiken geschützt und ihre Potenziale maximal genutzt werden. Das sei der Weg zur Marktführerschaft.
"Innovation ist das eine. Das andere ist, diese mit all ihren Potenzialen so zu nutzen, dass sie zu echten Wettbewerbsvorteilen führt, ohne dabei sofort kopiert oder imitiert zu werden", sagt Peter Ratzer von Deloitte.
Derzeit sei die Nutzung patentierter Innovationen "eher suboptimal". Zu viele Unternehmen betrachteten ihr geistiges Eigentum als rein juristische Angelegenheit. Zahlreiche Patente würden verstauben, ohne je auf ihre strategische Bedeutung überprüft worden zu sein. Eine umfassende IP-Strategie sei noch Mangelware.
Wer seine IP-Aktivposten umfänglich verwerten will, sollte sein Patentportfolio genau kennen und einschätzen können. Um das zu gewährleisten, müssen die Unternehmen dem IP-Management einen adäquaten Platz innerhalb der Organisationsstruktur einräumen. Aufgabe der jeweiligen IP-Beauftragten ist es unter anderem, das Marktumfeld zu beobachten und zu analysieren.
Vor allem der Patentschutz ist wichtig. Ist er schwach ausgebildet, wie in China und Indien, so müssen entsprechende Abwehrmechanismen eingesetzt werden. "Nur in Regionen mit starkem Patentschutz kann das Unternehmen direkt von seinem geistigen Eigentum profitieren - in schwachen Umfeldern sind oft Umwege nötig", erklärt Peter Ratzer die Krux mit dem Patentschutz. Der nächste Schritt ist der Abgleich der Umfeldanalyse mit den strategischen Zielen des Unternehmens. Dieses Ergebnis bestimmt, wie der interne IP-Beauftragte agieren muss.
Das VPE-Modell: die Bestandsaufnahme
Das VPE-Modell besteht aus den drei Komponenten "bewerten", "schützen" und "nutzen". Deshalb muss zunächst festgestellt werden, über welche IP-Assets die Firma verfügt, welche besonders schützenswert sind und welche einen sofortigen Mehrwert versprechen. Das Potenzial des Patentportfolios gibt zusätzlich Aufschluss über den Wert des Unternehmens. Zur Bewertung dienen Kriterien wie eine Lifecycle-Analyse, die Bedeutung des Patents für nachfolgende Patente und die jeweilige Patentgruppe (hoch-, mittel- und geringwertig)
Hochwertige Patente sind direkt für die strategischen Ziele relevant. Ihr Wert kann anhand vergleichbarer Patente ermittelt werden. Die Patente mittleren Werts eignen sich vor allem für das "Cross-Licensing", entsprechend können sie an den Lizenzgebühren und Profiten gemessen werden. Hinter den Patenten mit dem niedrigsten Wert verbergen sich paradoxerweise oft die innovativsten Ideen - sie versprechen zwar gegenwärtig die geringsten Gewinne, verfügen jedoch oft über großes Zukunftspotenzial.
Zum Schutz von geistigem Eigentum existieren verschiedene Techniken. Dazu gehören "Patent Walls" oder "Patent Tickets", also die Zerlegung in zahlreiche Einzelpatente, die den eigentlichen Kern schützen. Es ist aber auch üblich, irreführende Informationen über angebliche Patente zu verbreiten.
Um das geistige Eigentum zu maximieren, bieten sich verschiedene Strategien an: Neben der eigenen Verwertung kommen vor allem Lizenzierungsverfahren und "Cross Licensing" mit Patenten anderer Unternehmen in Frage. Auch Patentspenden zur Steuerersparnis sind eine Möglichkeit. Bei der Lizenzvergabe an ein anderes Unternehmen kann man mit dem Lizenznehmer langfristige Programme entwickeln, die beiden Seiten Vorteile bringen. Im Technologiesektor kann vor allem die Zusammenarbeit mit Wagniskapitalgebern oder Start-Ups zu viel versprechenden Ergebnissen führen. Das Cross-Licensing-Verfahren hingegen kann den beteiligten Unternehmen für längere Zeit die Technologieführerschaft am Markt sichern und vor finanzieller Überlastung bewahren.
"Nicht unterschätzt werden sollte die Möglichkeit, das Recht zur Patentnutzung kostenlos an Non-Profit-Organisationen wie zum Beispiel Universitäten zu vergeben", rät Peter Ratzer. Gerade bei Patenten, die nicht direkt relevant für das Kerngeschäft sind, ergäben sich Perspektiven: Das Unternehmen spare nicht nur Steuern, sondern könne auch langfristig von den Entwicklungsarbeiten des Spendenempfängers profitieren und sich so neue Geschäftsfelder erschließen.
Vorreiter IBM
Musterknabe auf dem Gebiet des geistigen Eigentums in der IT-Branche ist IBM. Im Jahr 1990, als noch keiner das geistige Eigentum für den Profit nutzte, berichtete der Konzern über Einnahmen von 30 Millionen Dollar aus Lizenzgebühren für Patente. Inzwischen verfolgt IBM eine noch viel aktivere IP-Strategie. Jedes Jahr steckt das Unternehmen etwa sechs Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung. Die Lizenzgebühren für Patente belaufen sich auf mehr als 1,5 Milliarden Dollar jährlich. Das ist eine 3.000-prozentige Steigerung gegenüber dem Jahr 1990. Um auf dem heutigen Markt einen vergleichbaren Erlös zu erzielen, müsste jedes Jahr ein Äquivalent an zusätzlichen Produkten im Wert von 20 Milliarden Dollar verkauft werden.
Die Deloitte-Studie trägt den Titel "Value, Protect, Exploit: How Managing Intellectual Property Can Build and Sustain Competitive Advantage". Autor Scott Wilson hat zahlreiche amerikanische Blue-Chip-Firmen nach ihrer Taktik befragt und mehrere Quellen zum Thema "Intellectual Property" ausgewertet.