SinnLeffers ist ein Modehändler für diverse Brands im mittleren bis gehobenen Preissegment und betreibt in Deutschland mit etwa 2000 Mitarbeitern insgesamt 22 Filialen und einen Outlet Store. Das Unternehmen ist aus dem Zusammenschluss der beiden Modeketten Sinn und Leffers unter der Führung von Quelle hervorgegangen, um sich so besser am umkämpften Modemarkt behaupten zu können. Als Quelle und Karstadt in Arcandor aufgegangen waren, hatte dies auch Konsequenzen für die verschiedenen Töchter: Viele sind pleite gegangen, SinnLeffers hat als einzige überlebt.
Heute gehört man als selbstständige Einheit zur Wöhrl-Gruppe. Die Absatzschwerpunkte von SinnLeffers liegen vor allem im Norden und Westen Deutschlands, während die Wöhrl-Läden mehrheitlich im Süden und Osten zu finden sind. Backoffice und IT sind nach wie vor getrennt, ihr Anteil an den Kosten liegt unter 1 Prozent. Eine Zusammenführung der IT über eine Kommunikation hinaus würde wenig Vorteile bringen, da das Kerngeschäft über die Mode läuft.
Bereits seit mehreren Jahren hatte sich das Modehaus für IBM als Outsourcing-Partner entschieden: Der erste Vertrag lief von 2007 bis 2012. Vor kurzem haben die Partner im Rahmen eines neu verhandelten fünfjährigen Outsourcing-Vertrages einen radikalen Refresh der zentralen IT-Komponenten und der Kassensysteme beschlossen. Im Zentrum standen laut IBM die Virtualisierung und Flexibilisierung der Server-Landschaft. Wie der IT-Leiter Oliver Reif im Gespräch mit CIO.de Retail-IT erläutert, ist vor allem der Betrieb der Server, der Storage-Systeme, des Backups, des Netzwerks und der Kassensysteme an IBM outgesourct.
Preissteigerungen von 30 Prozent bei altem Vertrag
Alle zentralen Systeme – außer den Kassen natürlich – stehen in einem IBM-Rechenzentrum. Die Clients werden von SinnLeffers selbst versorgt, inklusive der Software-Verteilung und der Anwendungen zum Beispiel im Bereich SAP und anderer Wirtschaftssysteme. Hätte man den alten Vertrag auf der 2007 ausgehandelten Basis weitergeführt und dabei alle eingesetzten dedizierten Server durch neue Modelle ersetzt, wären Preissteigerungen von 30 Prozent zustande gekommen. Schon von daher bestand laut Reif ein enormer wirtschaftlicher Druck, sich für eine Konsolidierung und Virtualisierung zu entscheiden.
Virtualisiert wurden etwa 70 Prozent der Systeme. Hierdurch konnte man 35 Prozent der bisher eingesetzten physikalischen Server einsparen. Das neue Modell ermöglicht eine sehr genaue Abrechnung nach Verbrauch und ist damit cloud-ready. Punktuelle Ressourcen-Engpässe können "on the Fly", also im laufenden Betrieb, beseitigt werden. Die virtuellen Plattformen selbst und die Netzwerke werden mit anderen Kunden geteilt, auf einen separaten Betrieb wurde aus Kostengründen verzichtet. Was über der Hardware und dem Virtualisierungs-Layer liegt, ist nicht mehr geshart, sondern für jeden Kunden separat organisiert.
Shared Infrastructure soll enorme Kostenvorteile bringen
Von Problemen mit dieser geteilten Infrastruktur will Reif nicht sprechen. Er betont im Gegenteil, dass man mit dem "leistungsfähigen Partner IBM" ausgesprochen zufrieden sei. Man habe sich bewusst für einen der großen Outsourcing-Anbieter entschieden, weil dieser auch mögliche Security-Gefahren abdecke. Eine Shared Infrastructure bringe enorme Kostenvorteile, was auch von der Geschäftsführung erkannt und abgesegnet worden sei. Reif spricht von 35 Prozent Kosteneinsparung, was in Zeiten knapper Kassen ein wichtiges Argument sei.
Wie Reif erklärt, ging man nach dem Prinzip "Virtualisieren wo möglich" vor. Virtualisierte Anwendungen werden heute in einem IBM-Rechenzentrum flexibel auf x86- und Power-Systemen gehostet. Als Betriebssysteme werden AIX 7 und 6.1 sowie Windows Server 2008 (R2) benützt. Bei den Windows-Servern hat man einen Wechsel von 32 auf 64 Bit vorgenommen. Alle MS SQL-Datenbanken wurden auf einem MS SQL-2008-Cluster (R2) zentralisiert. Bei Windows wird mit VMware ESX virtualisiert, bei Unix werden die SAP- und Oracle-Anwendungen auf virtuellen Partitionen abgelegt. Reif ergänzt, bewährte Systeme müsse man nicht unbedingt austauschen und auf eine andere Plattform verlagern.
Das "kleine" Disaster-Recovery-Konzept
Die Cluster-Systeme sind aus Sicherheitsgründen räumlich verteilt, innerhalb eines Campus-Geländes beziehungsweise in zwei nahe beieinander liegenden Gebäuden. Zwischen beiden Bereichen wird gespiegelt, auch das Backup wird so doppelt vorgehalten. Das entspricht zwar noch nicht einem fast 100-prozentigen Disaster-Recovery-Konzept, das auf der Basis zweier durch mehrere Kilometer Distanz getrennten Rechenzentren organisiert wird, ist aber für mittelständische Unternehmen eher der Normalfall – nicht zuletzt aus Kostengründen.
IBM spricht in diesem Zusammenhang von einem "kleinen Disaster" wie Brand oder ähnlichem, das auf diese Weise abgefangen werden könne. Ein (nicht gerade wahrscheinlicher) Fall eines Meteoriteneinschlags, der beide Gebäude vernichten würde, bleibe außen vor. Außerdem würden die Daten-Backups sowieso noch einmal extra weiter entfernt gelagert.
Durch die Konsolidierung werde die nun genutzte Hardware optimal ausgelastet und für die unterschiedlichsten Applikationen verwendet. Die dafür eingesetzte Cluster- und Load-Balancing Technologie ermögliche außerdem den sicheren Betrieb der zentralen Anwendungen auch im Falle von Hardware-Defekten. Mit IBM sind Service Level Agreements (SLAs) in Sachen Hochverfügbarkeit abgeschlossen worden, und zwar für jedes Windows- oder Unix-System entsprechend den Anforderungen separat. Im Durchschnitt hat man eine Verfügbarkeit von 99,7 oder 99,8 Prozent vereinbart, was laut IBM dem Standard entspricht.
Virtualisierung erhöht Performance
Mit dem neuen Outsourcing-Vertrag sollte eine Absicherung der IT-Prozesse für die nächsten fünf Jahre erreicht werden. Konsolidierung, Virtualisierung und Aktualisierung der Betriebssysteme waren Teilziele, berichtet Reif. Das bedeute, dass man für die nächsten Jahre die Applikationen auf einer Server-Landschaft fahren kann, für die voller Support vorhanden ist. Mit der Virtualisierung der Anwendungen könnten diese in Sachen I/O-Performance, Memory oder Speicherplatz je nach Anforderung oder Saison skaliert und später wieder zurückgefahren werden. Das sei, so Reif, im Vertrag sehr flexibel geregelt. In einem Innovation-Workshop mit SinnLeffers soll noch dieses Jahr geprüft werden, ob man die neue RAMSAN-Technologie im Memory-Bereich einsetzen wird.
Anlässlich der Vertragsumstellung wurden die über zehn Jahre alten Kassensysteme von Wincor durch IBM-Geräte ersetzt. Dass die IBM-Unit, die für diese Kassen verantwortlich zeichnete, inzwischen an Toshiba verkauft wurde, bereitet Reif kein Kopfzerbrechen – schließlich habe man mit IBM im Gegensatz zu früher nun einen einheitlichen Ansprechpartner. Und IBM habe sich verpflichtet, den Betrieb der Kassensysteme weiter zu betreuen, auch wenn sie nun aus einem anderem Hause kommen.
QR-fähige Kassensysteme
Bei der Entscheidung für neue Kassensysteme spielte es laut Reif eine Rolle, ob diese QR-fähig sind. SinnLeffers plant eine Reihe von Werbekampagnen, bei denen es auch um das Einscannen solcher Codes geht. Was mobile Geräte und Multi-Channel-Verkauf angeht, will man sich alle Optionen für zukünftige Entwicklungen offen halten.
Ein eigener Online-Shop wurde übrigens erst im Februar dieses Jahres eröffnet – relativ spät im Vergleich zur Konkurrenz. Reif meint dazu, man müsse nicht immer der Vorreiter sein, sondern könne sich erst einmal in Ruhe anschauen, was die anderen so machen, wo sie Schwierigkeiten haben und warum sie scheitern. Auf diese Weise habe SinnLeffers viel lernen können, bevor man selbst an den Start gegangen ist. Als Beispiel nennt er den Aufbau "sauberer Prozesse", die offline und online verbinden beim Artikel- und Lagerstatus oder bei den Bezahlvorgängen.