Es klingt einleuchtend: Wer gerne zur Arbeit geht, leistet mehr. Er ist engagierter, liefert stets neue Ideen, holt das Beste aus sich heraus und macht freiwillig Überstunden. Von solchen Mitarbeitern können Unternehmen nur profitieren. In der Theorie hört sich das gut an. Mark Murphy zweifelt allerdings daran.
Der Geschäftsführer der US-Beratung Leadership IQ hat sich kürzlich in etwa 200 Unternehmen umgesehen. Murphy verschickte zunächst Fragebögen an kleine und mittlere Betriebe sowie Großkonzerne aus verschiedenen Branchen. Der Grund: Er wollte von den Mitarbeitern wissen, wie motiviert sie sind.
Auf einer Sieben-Punkte-Skala sollten die Teilnehmer Aussagen bewerten, darunter: "Ich bin jeden Tag 100 Prozent motiviert", "Ich empfehle meinen Arbeitgeber weiter" oder "Führungskräfte sprechen mit den Mitarbeitern über ihre Leistung". Zusätzlich schickten die Unternehmen Murphy Daten über die Leistung der Mitarbeiter. So konnte er feststellen, welche Angestellten Leistungsträger waren und welche höchstens Dienst nach Vorschrift schoben.
Und siehe da: Murphy fand einen erstaunlichen Zusammenhang. In immerhin 42 Prozent der Unternehmen waren ausgerechnet jene Angestellten am zufriedensten, die weniger leisteten. Und die echten Leistungsträger gaben an, dass sie unmotiviert sind. Ein echter "Schock" sei das Ergebnis für ihn, sagt Murphy.
Er hatte schon lange vermutet, dass die meisten Leistungsträger gar nicht so engagiert sind, wie man theoretisch annehmen könnte. Aber wieso? Typisch war zum Beispiel der Fall eines IT-Unternehmens mit 1000 Mitarbeitern. Hier litten die Leistungsträger daran, dass die Vorgesetzten nicht mit weniger fleißigen Kollegen sprachen. Mehr noch: Die "Low Performer" wussten zudem häufig gar nichts davon, dass sie weniger schafften.
Die Folge: Die emsigen Mitarbeiter mussten die Defizite ihrer Kollegen auch noch ausgleichen und litten unter mehr Stress - und die Motivation sank umso stärker.
Hinzu kommt laut Murphy, dass Führungskräfte schwächere Mitarbeiter häufiger loben - weil bei ihnen schon marginale Verbesserungen Komplimente rechtfertigen. Bei den anderen Mitarbeitern setzen die Manager außerordentliche Ergebnisse hingegen voraus.
Mehr Aufmerksamkeit für Low Performer
Dass die Leistungsträger in vielen Firmen langfristig unmotivierter sein könnten, sollte Unternehmen alarmieren. Denn sie schauen sich nicht nur nach einem anderen Job um - bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit umso höher, dass sie auch einen besseren finden. Und das Unternehmen bleibt zurück - ausgerechnet mit eben jenen Mitarbeitern, die am wenigsten leisten.
Auch Rebecca Ray betont, wie wichtig engagierte Mitarbeiter sind. Die Geschäftsführerin des New Yorker Research-Unternehmens "The Conference Board" beschäftigt sich mit Themen wie Personalmanagement und Mitarbeitermotivation. "Unternehmen mit einer starken Motivationskultur locken die besten Talente an, sie erzielen bessere Ergebnisse, ihre Mitarbeiter bleiben gesund", sagt Ray.
Zahlen der Organisation zeigen, dass Unternehmen weltweit den Wert motivierter Mitarbeiter durchaus erkannt haben: Bei einer Umfrage unter 209 Betrieben in 21 Ländern gaben 89 Prozent an, dass sie eine Motivationsstrategie verfolgen - etwa regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durchführen und im Idealfall auf die Ergebnisse mit Verbesserungen reagieren.
Andererseits: Nur ein Drittel der US-Arbeiter sind bei der Arbeit wirklich engagiert. Global ist der Wert noch niedriger, fand The Conference Board in einer anderen Untersuchung heraus.
Murphy schlägt zwei Lösungen vor: Erstens müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern klare Ziele vorgeben. Nur dann können Manager "Low Performer" auf mangelnde Leistung hinweisen. Die haben so wiederum eine Chance, sich zu verbessern.
Zweitens sollten Führungskräfte einmal im Monat mit ihren Leistungsträgern persönlich sprechen. Etwa darüber, was sie in letzter Zeit motiviert oder demotiviert hat. Persönliche Gespräche sind nicht so oberflächlich wie Umfragen und liefern sofort Ergebnisse, so Murphy.
"Wenn Mitarbeiter unser wichtigstes Gut sind, sollten wir uns besser kümmern."
(Quelle: Wirtschaftswoche)