Interview mit dem Otto-Bereichsvorstand Technology (CIO)
Müller-Wünsch: Wir bauen IT heute nicht mehr für die Ewigkeit
10.10.2017 von Sanjiv Singh
Michael Müller-Wünsch spricht im Interview über die Entwicklung der Rolle des CIOs, die Plattform-Strategie von otto.de, künstliche Intelligenz, bimodale IT und Führung in der digitalen Welt.?
Herr Müller-Wünsch, wenn man sich die Rolle des CIOs anschaut und über die vergangenen Jahre reflektiert, wie hat sich die Rolle des CIOs geändert und wie wird diese in Zukunft aussehen?
Michael Müller-Wünsch: Was ich in den verschiedenen Rollen und Organisationen gelernt habe, in denen ich war: Den einen Blue Print für den CIO gibt es nicht. In einer von SAP-Landschaften geprägten Organisation wird die Rolle eine ganz andere sein, als wenn Sie sich in einer Best of Breed Landschaft bewegen.
Gibt es die eine Qualität, die einen CIO auszeichnet? Ich denke, ja: Ein guter CIO respektiert die Unterschiedlichkeit der Organisationen, der Menschen, ihrer Erfahrungsschätze und nutzt diese gezielt, um das Unternehmen erfolgreich zu machen. Nur darum geht es: das eigene Unternehmen im Wettbewerb zu stärken.
Und ich würde sagen, dass die Weiterentwicklung der Rolle nichts ist, was morgen, übermorgen oder in drei Jahren passiert. Schon heute haben Technologieverantwortliche das Mandat, die Pflicht und Schuldigkeit, den Gesamterfolg des Unternehmens wesentlich aktiver im Auge zu behalten, als es ihnen vielleicht vor 10 Jahren zugesprochen wurde; als sie eher noch eine Kostenposition in der Gewinn- und Verlustrechnung waren.
Es ist sicher wichtig, den Ressourcenverzehr über eine Kostenposition zu verstehen. Aber es ist noch viel wichtiger zu verstehen, welchen Wert diese erbrachte Leistung hat, die durch Technologieeinsatz erzeugt wird.
Die Top CIOs im Handel
Michael Müller-Wünsch Der Berliner Michael Müller-Wünsch (aka: MüWü) ist seit August 2015 Bereichsvorstand Technology (CIO) der Otto-Einzelgesellschaft. In dieser Funktion verantwortet Müller-Wünsch die Weiterentwicklung der IT-Landschaft und Tech-Architektur des Onlinehändlers und treibt damit den Wandel des Geschäftsmodells in Richtung Plattform. 2017 wurde die Technologie-Organisation von Otto unter seiner Führung mit dem CIO Innovation Award ausgezeichnet. Während seiner beruflichen Laufbahn arbeitete der im Bereich KI promovierte Informatiker und Diplom-Kaufmann unter anderem für Lekkerland, Ceva Logistics, MyToys und Herlitz.
Markus Mosa Seit Februar 2015 wird das Ressort IT/Logistik beim Lebensmittelkonzern Edeka direkt vom Vorstandsvorsitzenden Markus Mosa geführt. Vorgänger Michael Wulst ging aus persönlichen Gründen in Rente. Das Vorstands-Team der Edeka AG besteht nun aus nur noch drei Vorständen.
Eduard Spitz Die weltweite IT von Hugo Boss liegt seit März 2023 in den Händen von Eduard Spitz. Sein Vorgänger Jörg Walter ging in den Ruhestand.
Bastian King Mit Bastian King beruft das Modeunternehmen Takko Fashion erstmals einen Chief Information Officer. Er soll den digitalen Wandel vorantreiben. Die Position des CIO hat der Modehändler aus dem nordrhein-westfälischen Telgte neu geschaffen. Zum 1. März 2023 holte das Management dazu Bastian King an Bord.
Christian Metzner Seit Mitte April 2023 leitet Christian Metzner die IT der Drogeriemarktkette Rossmann. Seiner Vorgängerin Antje König stieg Anfang 2022 in den Vorstand auf. Metzner kommt von Volkswagen Financial Services.
Melanie Fichtner Zum 1. Februar 2024 hat Melanie Fichtner den CIO-Posten bei der Baywa übernommen. Zuvor leitete sie die operative IT des Konzerns.
Ricardo Diaz Seit August 2017 arbeitet Ricardo Diaz bei der Emil Frey AG in Zürich als CIO/CTO. Die Gruppe ist im Automobilhandel tätig. Der gelernte Diplom-Kaufmann Diaz war im April 2014 vom Energie Versorger EnBW als Vice President IT Strategy &Steering zur Unternehmensgruppe Media-Saturn gekommen. Im Juli 2014 wurde er CEO der Media-Saturn IT-Services und CIO bei Media-Saturn.
Matthias Wlaka Seit 1. Januar 2024 ist Matthias Wlaka CIO und Mitglied der Geschäftsführung von Bonprix. Die Stelle wurde neu geschaffen, um die IT-Aktivitäten des Modehändlers zentral zu bündeln.
Marc Rauscher Seit 1. April 2023 ist der ehemalige IT-Chef von Douglas, Marc Rauscher, Geschäftsführer der Hagebau IT GmbH. Er verantwortet das operative Geschäft der IT-Tochter.
Roman Melcher Roman Melcher verantwortet bei dm nicht nur die IT, sondern sitzt auch in der Geschäftsführung des Drogeriekonzerns.
Lars H. Heimann Lars H. Heimann ist seit März 2019 CIO der BAHAG AG, die zentrale Einkaufsgesellschaft der BAUHAUS Regionalgesellschaften. Seit Anfang 2021 hat er zudem den Posten des Senior Vice President Corporate IT inne. Er kam bereits 1999 in das Unternehmen.
Roland Schütz Roland Schütz, langjähriger CIO der Lufthansa, wechselt als Vorstand für IT und Digitalisierung zum Mannheimer Pharmahändler Phoenix. Schütz tritt die neu geschaffene Position des Chief Information Officer Anfang 2021 an.
Andreas Hubert Andreas Hubert ist seit Februar 2021 Group CIO von Adidas.
Katja Burkert Seit 1. Juli 2021 ist Katja Burkert CIO bei Intersport. Sie folgte auf Lars-Eric Pusch, der zur Drogeriekette Müller wechselte.
Sinanudin Omerhodzic Sinanudin Omerhodzic ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer IT bei Aldi Nord. Er kommt von der Paul Hartmann AG.
Frank Schroeder Frank Schroeder ist seit Mai 2016 Head of IT der Interseroh Dienstleistungs GmbH, einer Tochter des Berliner Recycling- und Umweltdienstleisters Alba. Er war zuvor Leiter IT-Management und Leiter Innovationsmanagement beim Bauunternehmen Hochtief AG in Essen.
Severin Canisius Seit September ist Severin Canisius CIO und Mitglied der Geschäftsführung des Essener Schuhhändlers. Er folgt auf Olaf Schrage, der das Unternehmen Ende 2021 verlässt.
Katharina Knötel Katharina Knötel hat im August 2021 den CIO-Posten bei Coca-Cola European Partners CCEP von Christian Rasche übernommen, der Mitte Juni zu The Coca-Cola Company gewechselt ist. Sie berichtet sowohl an Peter Brickley, CIO von CCEP, als auch die Geschäftsführung der deutschen Dependance. Knötel ist Teil der hiesigen Geschäftsführung und hat zudem einen Sitz im internationalen BPT-Führungsteam. Sie leitet den Bereich Business, Process and Technology (BPT) in Deutschland und ist unter anderem verantwortlich für Vertriebs- und Lieferkettenlösungen.
Jörg Kohlenz Am 1. Juli 2022 hat der ehemalige Leoni-CIO Jörg Kohlenz die Position des Group CIO beim Thermomix-Anbieter Vorwerk übernommen.
Lars-Eric Pusch Seit April leitet Lars-Eric Pusch die IT der Drogeriemarktkette Müller. Er soll sie zu einem datengetriebenen Unternehmen machen.
Michael Rybak Michael Rybak hat bei der Drogeriekette Rossmann Anfang 2015 als Geschäftsführer den neu geschaffenen Geschäftsbereich Logistik und IT übernommen. Er verantwortete bereits seit Mitte 2014 zusätzlich zur Logistik den Fachbereich IT. Rybak wechselte 2009 in die Logistik des Drogeriekonzerns, wurde Logistikleiter sowie Geschäftsführer der Logistik-Gesellschaft und trat in die Geschäftsleitung ein.
Mark Michaelis Seit dem 7. Juni 2021 ist Mark Michaelis Geschäftsführer der Markant Services International GmbH sowie ihres polnischen Pendants. Das Unternehmen verantwortet die IT, Produktentwicklung und den Betrieb der Dienstleistungen und Services der Markant-Gruppe.
Michael Kaib Michael Kaib wurde im Juli 2015 neuer CIO in der Zentrale des Modekonzerns Esprit in Ratingen. Er berichtet an den Chief Operations & Systems Officer, Leif Erichson. Kaib kam im Mai 2010 zu Esprit. Er war dort zuletzt Vice President - Head of IT Governance & Enterprise Architecture. Kaib studierte Betriebswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg und in den USA und promovierte anschließend am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Marburg. Seine berufliche Karriere begann er 1998 als Berater bei Booz & Company in Frankfurt am Main in der globalen IT Practice.
Andreas Schobert Bei der Hornbach-Baumarkt-AG ist Andreas Schobert (41) seit 2015 neuer IT-Vorstand. Das Ressort Technologie wurde neu geschaffen. Der Vorstand wurde dafür von sechs auf sieben Mitglieder erweitertet. Im neuen Ressort laufen ab sofort die Fäden für die konzernweite Informationstechnologie sowie das E-Business zusammen. Seit 2012 war Schobert als Leiter E-Business für den internationalen Aufbau und die Weiterentwicklung des Online-Geschäfts im Hornbach-Baumarkt-AG Konzern zuständig.
Nathan Mott Nathan Mott ist seit Oktober 2014 CIO beim Stuttgarter Pharmagroßhändler McKesson Europe (zuvor: Celesio). Der IT-Chef kam aus den USA, vom Mehrheitsaktionär McKesson. Mott war zuletzt Präsident der McKesson Pharmacy Systems & Automation (MPS&A) und hatte danach zusätzlich das Celesio Coordination Planning Office geleitet.
Armin Bergbauer Mit Armin Bergbauer hat der Technologie-Distributor Ingram Micro seit Frühjahr 2008 einen neuen IT-Chef. Seine Vorgängerin Barbara Neumann hatte sich in den Ruhestand verabschiedet. Als Leiter IT & Organization ist Bergbauer auch Mitglied der Geschäftsleitung und berichtet an Gerhard Schulz, den Vorsitzenden der Geschäftsführung.
Walter Schulte-Vennbur Bei Electronic Partner verantwortet Walter Schulte-Vennbur seit Februar 2013 die IT. Der Diplom-Informatiker war zuvor CIO be Also Actebis. Auch vor dem Zusammenschluss von Also und Actebis 2011 arbeitete er mehr als 15 Jahre in verschiedenen Positionen beim Vorgängerunternehmen Actebis.
Bernd Herrmann Bernd Herrmann arbeitet seit 1990 bei Würth, einem Großhandel für Produkte der Befestigungs- und Montagetechnik. In der Würth-Gruppe ist er Geschäftsbereichsleiter für IT, E-Business und Logistik sowie Geschäftsführer für die Bereiche Marketing und EDV der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Seit Mai 2015 ist er auch in der vierköpfigen Konzernführung der Würth Gruppe vertreten und dort für IT und E-Business verantwortlich.
Stephan Wohler Seit 2011 ist Stephan Wohler im Vorstand der Edeka Minden-Hannover. Er verantwortet bei der größten Edeka-Regionalgesellschaft die Ressorts IT und Logistik. Wohler kommt von der Metro, wo er zuletzt als Vorsitzender der Metro Group Logistics (MGL) arbeitete.
Khaled Bagban Zum 1. Juli 2024 ist Khaled Bagban als CIO bei der Metro AG eingestiegen. Gleichzeitig wurde er CEO der Digitalisierungstochter Metro.digital. Er folgt auf Timo Salzsieder.
Michael Homburg Michael Homburg ist seit April 2016 Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation bei Edeka Nord. Sein Vorgänger Ernst Bochnig ist in den Ruhestand gegangen. Seit Mitte 2015 war Homburg bei Edeka Nord bereits stellvertretender Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation.
Benjamin Beinroth Neun Jahre war Benjamin Beinroth bei dem Lebensmitteleinzelhändler Tegut beschäftigt, davon vier Jahre als Chief Information Officer (CIO). Er wechselte zum Jahresbeginn 2016 in die CIO-Position bei Fressnapf. Beinroth berichtet als CIO direkt an Hans-Jörg Gidlewitz. Dieser ist verantwortlicher Geschäftsführer für die Bereiche Finanzen, Personal und IT bei Fressnapf.
Jörg Heinen Jörg Heinen heißt der IT-Leiter bei WMF (Württembergische Metallwarenfabrik AG) in Geislingen. Seit Februar 2016 ist er im Amt. Der Vice President Global IT (CIO), so sein offizieller Titel, war zuvor Corporate Director, Strategic Vendor Management, bei der Henkel AG in Düsseldorf. Dort war er zuvor auch CIO Western Europe und damit verantwortlich für die IT-Services in der umsatzstärksten Region.
Andreas Möller Seit März 2018 ist Andreas Möller Geschäftsführer IT/ Managing Director IT beim Lebensmittelhändler Aldi Nord in Essen. Zuvor war er dort Bereichsgeschäftsführer IT, verantwortlich für IT-Projekte & -Methodik.
Frank Hoe Frank Hoe ist seit September 2016 CIO DACH bei der L’Oréal Deutschland GmbH in Düsseldorf. Er blickt auf 15 Jahre Erfahrung als CIO und IT Direktor in internationalen Unternehmen wie McDonald’s, Dole Food Company, Aldi Stores UK/Ireland und beim TÜV Rheinland zurück. Hoes Vorgänger im Amt, Abder Dellys, ist in den Ruhestand gegangen.
Johannes Wechsler Johannes Wechsler ist seit Juli 2018 neuer Geschäftsführer der MediaMarktSaturn IT Solutions in Ingolstadt. Wechsler berichtet an Atul Bhardwaj, CTO der MediaMarktSaturn Retail Group und CEO der MediaMarktSaturn IT Solutions. Wechsler wird die Geschäftsführung der MediaMarktSaturn IT Solutions um Bhardwaj, Orhan Olgun und Thomas Gawron ergänzen. Zuvor, seit Mai 2015, war Wechsler CIO der ProSiebenSat.1. Media SE.
Max Thelen Weil Erwin Sattler in die Geschäftsführung aufstieg, übernahm Max Thelen im Herbst 2010 dessen Position als Bereichsleiter IT/ORG beim Pharmagroßhändler Sanacorp. Damit verantwortet er IT-Infrastruktur und Anwendungsentwicklung des Unternehmens. Zugleich fungiert er als Schnittstelle zu den Fachbereichen.
Michael Baier Neuer Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Infokom in Karlsruhe ist seit Juli 2018 Michael Baier. Infokom ist die IT-Tochter der Eurobaustoff, einer Kooperation für den mittelständischen Baustoffgroß und -einzelhandel. Zuletzt war Baier Vorstandsmitglied der Abas Unternehmensgruppe.
Jens Siebenhaar Jens Siebenhaar ist seit Oktober 2018 CIO beim Bekleidungsunternehmen C&A Europe. Zuvor arbeitete Siebenhaar als Geschäftsführers der REWE Systems GmbH. Siebenhaar war im März 2009 Leiter der IT bei REWE geworden. Er wechselte damals von der Baumarktkette OBI an den Rhein.
Frank Scholz Frank Scholz ist seit September 2018 Group CIO bei der Citti Handelsgesellschaft in Kiel. Er ist dort für die gesamte IT verantwortlich. Scholz war zuvor CIO bei der DB Regio. In den kommenden vier Jahren wird er sich die Aufgabe mit dem bisherigen IT-Leiter Matthias Ernst teilen.
Ulrich Wiedemann Ulrich Wiedemann ist seit September 2020 IT-Leiter von Vinzenzmurr. Zuvor war er CIO und COO beim Münchner Edelmetallhändler Pro Aurum, zu dem er Anfang 2020 von Essity gewechselt ist.
Jochen Jaser Jochen Jaser ist seit Juni 2019 neuer CIO beim Kölner E-Commerce Unternehmen HRS Group. Zuvor war Jaser bis Mai 2019 ein Jahr als CTO bei der Bearing Point Software Solutions GmbH in Frankfurt. Fast acht Jahre arbeitete er bei der Frankfurter Matrix42 AG, als CTO und CEO und sowie fünf Jahre bei der Karlsruher update4u Software AG, als Head of Product Management und CTO.
Andreas Helber Mit dem Jahreswechsel 2010/11 änderten sich die IT-Verantwortlichkeiten bei der BayWa: Andreas Helber wurde zum Finanzvorstand berufen und übernahm zugleich das IT-Ressort vom vormaligen Vorstand Frank Hurtmanns. Dieser verließ den Agrarhändler. IT-Dienstleistungen bezieht die BayWa über die RI-Solution GmbH, die sie Anfang 2002 zusammen mit der österreichischen RWA AG gegründet hat. Chef des Dienstleisters ist Eugen Berchtold.
Otto entwickelt sich von einem Handelsunternehmen zu einer digitalen Shopping-Plattform. Können Sie das näher erläutern und was bedeutet das für Sie als CIO und für die IT?
Michael Müller-Wünsch: Um unseren Wachstumskurs nicht nur fortzusetzen, sondern deutlich zu beschleunigen, entwickeln wir unsere Strategie stets weiter; basierend auf den Stärken, die wir haben. Wir sind ein Business, das von Anfang an datengetrieben gearbeitet hat. Wir haben den Kunden nie direkt vor uns gehabt, sondern wir arbeiten immer mit den Informationen, die wir aus den Dialogen und Transaktionen mit den Kunden gewinnen, sei es nun über Telefon, Katalog oder Internet. Diese Kernfähigkeit, die heute digitale, Internet basierte Geschäftsmodelle prägt, hatten wir von Anfang an.
So ist aus dem Modell 'Wir kaufen und designen Ware und verkaufen diese mit einem Aufschlag an Konsumenten' eine Plattformidee geworden, die eine Stärkung unserer Partner auf Lieferantenseite im Auge hat, um schlussendlich den Konsumenten ein erweitertes Angebot zu bieten.
Michael Müller-Wünsch
Michael Müller-Wünsch, Jahrgang 1961 und geboren in Berlin, ist seit dem 1. August 2015 Bereichsvorstand Technology (CIO) der Otto-Einzelgesellschaft. Er verantwortet die Weiterentwicklung der IT-Landschaft rund um den Onlineshop otto.de, um das weitere Wachstum des Unternehmens und den Wandel zur Plattform zu beschleunigen. Dabei geht es insbesondere um datengetriebene, intelligente und echtzeitfähige Prozesse, die Konsumentenprobleme lösen und das Einkaufserlebnis verbessern. Gleichzeitig unterstützen sie Marken und Partner in der Steuerung und im Verkauf ihrer Sortimente über otto.de.
Herr Müller-Wünsch, Sie haben uns geschildert, das Otto im Distanzgeschäft schon immer datengetrieben gearbeitet hat. Was ist denn das Neue, das hinzugekommen ist? Künstliche Intelligenz spielt hier eine große Rolle, habe ich gehört. Könnten Sie das näher erläutern?
Michael Müller-Wünsch: Auf Basis unserer modernen, selbstentwickelten BI Plattform BRAIN haben wir Softwaremodule gebaut, die Methoden aus dem Deep Learning nutzen. Mit unseren "Aggregated Reviews" sind wir Vorreiter im Markt: Die Kunden können hiermit die wichtigsten Aspekte aus den Produktbewertungen auf otto.de herausfiltern. Der gezielte Zugang zu aussagekräftigen Informationen aus unzähligen Rezensionen wird damit erheblich erleichtert. Ermöglicht wird das Prinzip mit Hilfe künstlicher Intelligenz: Ein Algorithmus erkennt automatisiert die häufigsten Aspekte der Bewertungen und identifiziert die Tonalität - über Millionen von Kundenrezensionen.
Weiterhin arbeiten wir mit Methoden der künstlichen Intelligenz beispielsweise auch im Bereich der Bilderkennung, um Artikelinformationen automatisiert aus Fotos auszulesen.
Das Beste für unsere Konsumenten herausfinden
Nun hört man öfters: Die IT muss Business Enabler sein. Wie gelingt der Spagat zwischen stabiler IT-Fabrik und agiler Business Enabler und Treiber?
Michael Müller-Wünsch: Ich glaube nicht, dass man entweder nur das eine oder das andere machen kann. Wir müssen beides hinbekommen. Wir haben gelernt, den Fabrikprozess zu beherrschen und zu optimieren. Damit fühlen wir uns wohl, weil dies in den bekannten Erfahrungsräumen stattfindet. Innovation und Entwicklung zu betreiben hat dagegen damit zu tun, entdecken zu wollen, Dinge auszuprobieren, eventuell auch mal Fehler zuzulassen.
Das ist natürlich ein Abwägen, wo Risiken eingegangen werden könnten und sollten. 'In der Finanzbuchhaltung eignen sich agile Vorgehensweisen von Natur aus weniger. Das würde keiner machen. Aber überall wo es um Marktthemen geht, wo wir markt- und kundennah operieren und nicht genau wissen, wie die Reaktion der Konsumenten ausfällt, wird man Lösungen sinnvollerweise explorativ, erkundend, und im Test-and-learn-Modus gestalten.
Wir bauen IT heute nicht mehr für die Ewigkeit, sondern für den Erkenntnisprozess - weil wir lernen wollen. Wir entwerfen Testkonstellationen, um herauszufinden, was das Beste für unsere Konsumenten ist. Meine Aufgabe besteht letztendlich auch darin, große IT-Monolithen so zu fragmentieren, so umzubauen, dass wir damit Marktbeobachtungsmodelle fahren können.
Nun gibt es den von Gartner Group geprägten Ausdruck: bimodal. Ist die IT von Otto bimodal und wenn ja, wie gelingt das?
Michael Müller-Wünsch:Otto kann sehr viele Geschwindigkeiten. Ob wir deswegen "bimodal" sind, und ob wir auf diesen Zug aufspringen, wie es andere getan haben und teils auch wieder zurückdrehen, das ist fraglich.
Wenn man sich die Domänen anschaut, die unsere IT zu bedienen hat, dann haben diese sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Allein das Frontend, der Einkauf und die Logistik-Bereiche haben ganz verschiedene Anforderungen hinsichtlich Technologie und Software-Architektur. Wir haben eine Historie, wir sind nicht gestern auf der grünen Wiese entstanden - das hat natürlich Einfluss darauf, wie ich Zukunftsfragen beantworte. Diese Unterschiedlichkeit haben wir gründlich reflektiert und adressieren sie über individuelle Roadmaps.
Time to Market bei Otto
Sie sagten, Otto kann sehr viele Geschwindigkeiten. Wie gelingt das, denn das können ja nicht viele Unternehmen.
Michael Müller-Wünsch: Wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir müssen als Gesamtorganisation schnell am Markt agieren. Time to Market ist für mich ein sehr wichtiges Kriterium. In der heutigen Zeit ist Geschwindigkeit oft höher zu bewerten als Effizienz. Vor 20 Jahren haben schon weise Management-Autoren gesagt, dass man sich tot sparen kann. Das Unternehmen ist dann zwar "optimiert", hat aber keine Marktrelevanz mehr.
Wir denken end-to-end und haben den Anspruch, Konsumenten und Geschäftspartnern neue Lösungen anzubieten. Und natürlich muss man es schaffen, dass unterschiedliche Technologien und Organisationsbereiche synchronisiert werden. Es hilft nichts, wenn einer ganz vorne ist und der andere ganz hinten. Die gemeinsame Schrittgeschwindigkeit ist wichtig. Am Ende des Tages zählt die abgestimmte Gesamtleistung.
Der Trend geht verstärkt zu Public-Cloud-Lösungen, wieviel (und welche) interne IT braucht otto.de noch in Zukunft?
Michael Müller-Wünsch: "Auch hier gilt: One size does not fit all. Eine pauschale Antwort gibt es nicht. Grundsätzlich stellt Technologie bei Otto ein wertvolles Asset dar. Ob wir bei Betriebs- und Entwicklungsmodellen extern sourcen entscheiden wir wirtschaftlich motiviert und mit Blick auf den Kundennutzen. Mit Public-Cloud-Lösungen sind interessante, zusätzliche Sourcing-Optionen hinzugekommen, die bei Otto im Bedarfsfall berücksichtigt werden. Um sie fundiert bewerten zu können, brauchen wir aber auch in Zukunft interne Kompetenz."
Leidenschaft für Technologie
Was hat Sie vor zwei Jahren gereizt, der Bereichsvorstand Technologie der Otto-Einzelgesellschaft zu werden? Ein Posten, der immerhin gerade neu erschaffen wurde. Haben sich Ihre Vorstellungen erfüllt?
Michael Müller-Wünsch: Was ich äußerst spannend fand, war die Konstellation, dass Otto mit seinem digitalen Geschäftsmodell in einem ganz anderen Zeitalter gestartet ist als andere Unternehmen. Diese Reise weiter zu gestalten ist fast eine Krönung des Berufslebens.
Ich habe hier viele Leute gefunden, die Leidenschaft für Technologie haben, das ist für mich etwas Ungewöhnliches gewesen. Das ist der Verdienst von Menschen, die lange vor mir die Chancen der Digitalisierung für unser Geschäftsmodell erkannt haben. Und insofern war es vom ersten Tag an eine Freude, die Herausforderungen anzupacken und den Wandel weiter voranzutreiben.