Selbstgespräche

Nenn dich "Du" und entspann dich

23.02.2015 von Ferdinand Knauß
Zwiesprache mit sich selbst kann in schwierigen Situationen hilfreich und entspannend sein. Psychologische Experimente zeigen die segensreiche Wirkung des selbstdistanzierenden "du" bei inneren Monologen.
Zwiesprache mit sich selbst kann helfen, ruhiger zu werden, wenn man das "ich" gedanklich zum "du" macht.
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Selbstgespräche sind nur peinlich, wenn man sie laut führt. Das nur gedachte, also "inwendige" Selbstgespräch kann sehr entspannend sein. Vor allem unter einer Bedingung: über sich selbst in der Du-Form statt in der Ich-Form sprechen. Ein Forscherteam um Ethan Kross hat, wie das Portal "Wirtschaftspsychologie-aktuell.de" berichtet, herausgefunden, dass Personen, die "du" statt "ich" sagten, während sie über sich selbst nachdachten, in stressigen Situationen souveräner, überlegter und optimistischer waren als andere. Die innere Du-Ansprache ist also vermutlich eine passende Technik, um mit Stress besser fertigzuwerden.

Ethan Kross ist Sozialpsychologe und leitet das "Labor für Selbststeuerung und Gefühle" an der Universität Michigan. Er untersucht, wie Menschen sich selbst durch den Alltag führen. Für seine Studie über Selbstgespräche - veröffentlicht im "Journal of Personality and Social Psychology" - konfrontierte er insgesamt 585 Teilnehmer mit stressigen Situationen und hielt sie vorher und nachher an, darüber einen stillen, inneren Monolog zu führen - einmal, indem sie sich so oft wie möglich das Wort "ich" und ein andermal indem sie so oft wie möglich das Wort "du" oder den eigenen Namen verwenden sollten.

In einem Experiment sollten Studentinnen sich einem unbekannten jungen Mann gegenüber möglichst gut präsentieren. Vorher wurden die Frauen aufgefordert, darüber in der Ich-Form beziehungsweise in der Du-Form nachzudenken. Im ersten Fall, so das Ergebnis, waren sie vor dem Treffen weniger ängstlich. Im Gespräch selbst hielten sie eher Blickkontakt, waren redegewandter und fummelten seltener an ihren Haaren herum - ein Zeichen für Unbehagen.

Auch Studenten, die für ein weiteres Experiment eine freie, unvorbereitete Rede über ihren Traumjob halten sollten, über die sie vorher in der Du-Form nachdachten, hatten weniger Angst davor als die Ich-Denker. Beim Vortrag waren erstere selbstsicherer und redeten verständlicher. Danach grübelten die Teilnehmer mit Du-Perspektive weniger über den Auftritt nach als die anderen.

Im letzten Experiment sollten Freiberufler über eine Begegnung mit anderen Menschen schreiben, die sie ängstigte, zum Beispiel ein Vorstellungsgespräch, eine Examensprüfung oder von einer Gruppe ausgeschlossen werden. Diejenigen, die sich selbst dabei in der Du-Form schilderten, sahen in der Situation eher eine zu bewältigende Herausforderung (Motto: "Du sorgst dich zu sehr darum, was andere über dich denken. Konzentrier dich auf dich, dann geht es dir besser."). Für diejenigen, die in der Ich-Form berichteten, war sie eher eine Bedrohung (Motto: "Ich fürchte, dass ich den Job nicht bekomme, wenn ich das Vorstellungsgespräch vermassele.").

Die Ergebnisse konnten also die Hypothese von Ethan Kross voll bestätigen: Die Probanden, die vor stressigen Situationen kurz über sich selbst in der Du- statt in der Ich-Form nachdachten, waren in allen Experimenten selbst-distanzierter, angstfreier, entspannter, überlegter und optimistischer. "Wir hängen hin und wieder unserem inneren Monolog nach. Die Ergebnisse zeigen, dass dabei eine kleine Veränderung in der Sprache, mit der Personen über sich selbst nachdenken, ihre Fähigkeit beeinflusst, Gedanken, Gefühle und Verhalten unter sozialem Stress zu steuern, sogar bei Personen, die sozial ängstlich sind", schreiben Kross und seine Ko-Autoren.

(Quelle: Wirtschaftswoche)