Seit Langem fordern CIOs Ausbildungsprogramme, die Manager gezielt auf Positionen an der Schnittstelle von Business und IT vorbereiten. Einen weiteren Schritt in diese Richtung geht jetzt die European CIO Association, die im Februar aus dem Netzwerk EuroCIO hervorgegangen ist. Seit gut einem Jahr läuft in den Niederlanden der MBA-Studiengang in "Corporate Information Management", den die Interessenvertretung von CIOs großer europäischer Firmen konzipiert hat. Dieses Jahr nun startet das erste von sieben Weiterbildungsprogrammen, die auf die Initiative der European CIO Association zurückgehen.
An vier Hochschulen laufen im Herbst Seminare für das "Professional Programme" in "Business & Enterprise Architecture" an: an der Ecole Centrale Paris, der zur Uni Reading gehörenden Henley Business School in England, der auf Aufbau- und Weiterbildungsstudiengänge spezialisierten holländischen TiasNimbas Business School und der TU München - Letztere vertreten durch den Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik von Professor Helmut Krcmar. Abschluss ist nicht ein akademischer Grad, sondern ein Weiterbildungszertifikat. Bewerber müssen einen Studienabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation und drei Jahre Berufserfahrung haben.
"Das Programm ist inhärent europäisch", sagt Martin Frick. Der ehemalige COO bei Xchanging Financial Services kümmert sich bei der European CIO Association um das "Executive Education Program". Neun je viertägige Module sind für das Zertifikat in "Business & Enterprise Architecture" zu absolvieren, die ein lernwilliger IT-Manager an den teilnehmenden Hochschulen belegt. Ziel ist, während des auf gut eineinhalb Jahre berufsbegleitend angelegten Programms die Kulturen mehrerer Länder in der Disziplin "Information Management" kennenzulernen. Allerdings wird nicht jedes Modul überall angeboten. Was wo gelehrt wird, wird sich laut Frick nach dem Profil der Hochschulen richten und sich je nach Nachfrage mit der Zeit einpendeln.
Drei der neun Module widmen sich dem Schwerpunkt des Programms, Business & Enterprise Architecture. Die übrigen decken sechs weitere Kompetenzfelder ab, die die European CIO Association in ihrer "E-Competence Matrix" definiert hat. Die Matrix listet sieben Disziplinen auf, die Mitglieder des Verbands - unter anderem acht nationale CIO-Netzwerke, darunter der deutsche Anwenderverband "Voice" - als wichtig für die Arbeit im "Corporate Information Management" erachten. Neben Enterprise Architecture sind das Strategie und Innovation, Demand Management, Global Sourcing Management, Project Delivery, IT Support and Execution sowie Quality, Risk and Compliance.
Die in der European CIO Association vertretenen Firmen hätten einen besonders hohen Bedarf an Mitarbeitern mit einer Qualifikation in Enterprise Architecture geäußert, heißt es in einem Konzeptpapier zur Führungskräfteausbildung. Deshalb habe man dieses Programm als Erstes auf den Weg gebracht. Nach dem gleichen Schema sollen in den nächsten Jahren auch in den anderen sechs Kompetenzfeldern universitäre Weiterbildungsprogramme für Berufstätige anlaufen-
TU München beteiligt sich am MBA
Nach demselben Muster und aus denselben sieben Schlüsselkompetenzen ist auch der MBA-Studiengang "Corporate Information Management" aufgebaut, der seit Herbst 2010 an der Nyenrode Business Universiteit und der Technischen Universität Delft läuft. 68 Studenten - CIOs in spe - sind derzeit eingeschrieben. Zum Wintersemester 2012 soll der MBA europäisch werden. In einem ersten Schritt werden dann laut Frick voraussichtlich Hochschulen in Deutschland, der Schweiz und Italien auch Module für den MBA anbieten. Als deutsche Hochschule wird sich die TU München an dem MBA beteiligen, wie Wirtschaftsinformatiker Krcmar bestätigt. Welche die Hochschulen aus den anderen Ländern sein werden, dazu äußert sich Frick noch nicht konkret. Es seien Universitäten, die mit den CIO-Netzwerken ihrer Länder seit Langem in engem Austausch stünden.
Mit der Internationalisierung des MBA folgt der europäische CIO-Verband dem Druck seiner Mitglieder: "Die Unternehmen, die ihre Leute als Studenten in das Programm geschickt haben, verlangen ein europäisches Programm, um ihrer Internationalisierung Rechnung zu tragen", sagt Frick. Die derzeitigen Studenten kommen aus großen Anwenderfirmen wie Rabobank, Philips und Heineken, aber auch von Anbieterunternehmen wie Cisco, Capgemini und Verizon.
Beim MBA erstrecken sich die neun Module über je ein Semester mit jeweils drei zweitägigen Präsenzphasen. Außerdem gehören eine Studienexkursion und im Modul Leadership ein Talent-Coaching zum Lehrplan. Die Studenten müssen am Ende jedes Moduls eine schriftliche Hausarbeit verfassen. Ganz zum Schluss folgt die MBA-Abschlussarbeit.
Viel Aufwand für Studenten, die zugleich im IT-Management arbeiten. Um ihnen das Studium zu ermöglichen, gibt es weder eine Regelstudienzeit noch eine feste Reihenfolge, in der die Module zu belegen sind. Die Präsenzphasen sind so gelegt, dass ein Student in einem Semester bis zu drei Module gleichzeitig belegen kann, ohne dass sich Termine überschneiden. Wer weniger Zeit hat, belegt nur ein Seminar im Halbjahr. Auf diese Weise erstreckt sich die mögliche Studienzeit auf eine Dauer zwischen zweieinhalb und sechs Jahren.
Mit der Ausweitung des MBAs von den Niederlanden auf weitere Staaten sollen die Studenten auch hier künftig wählen können, wo sie die einzelnen Inhalte studieren. "Wir wollen ein Ökosystem von Business Schools schaffen, ein internationales Angebot vergleichbarer Module, in dem der Student wählt, was er wo macht", sagt Martin Frick.
Das heißt auch: Je nachdem, in welchem Land ein MBA-Student oder Kursteilnehmer ein Modul absolviert, kann sich die Ausrichtung innerhalb eines vom "Program Review Board" der European CIO Association überwachten Rahmens unterscheiden. "Die Rolle des Enterprise Architect zum Beispiel wird in manchen Ländern technischer ausgelegt als in anderen", sagt Martin Frick. Ziel der in mehreren Ländern angebotenen Ausbildung ist es nicht, einen pan-europäischen Management-Stil zu vermitteln. Der Ansatz lautet stattdessen: Wer etwa die neun Module des MBA-Studienganges in drei Ländern ablegt, lernt dabei auch drei Kulturen des Informations-Managements kennen. Damit das klappt, beschreibt das von der European CIO Association erarbeitete Studienprogramm die Inhalte von MBA und Professional Programmes auf einer Meta-Ebene. "Die Ausgestaltung liegt dann bei den beteiligten Business Schools in den Ländern", sagt Frick.
Dass der MBA und die Zertifikate einmal von potenziellen Arbeitgebern der Absolventen anerkannt werden, davon ist man bei der European CIO Association überzeugt. Alle Programme seien nachfragegetrieben. Weil CIOs den Studiengang und die Weiterbildungen mit ausgearbeitet hätten, werde dort genau das vermittelt, was in IT-Abteilungen an der Schnittstelle zum Business verlangt wird. "Versuchen Sie mal, einen guten Enterprise Architect zu finden oder einen guten Provider-Manager - das ist heute unheimlich schwierig", sagt Frick. Die sieben Professional Programmes erlaubten es künftig, Standards zu definieren, was zum Beispiel ein Enterprise Architect können muss.
European Cio Association - Die E-Competence-Matrix
Die europäische CIO-Interessenvertretung hat ihre Mitglieder gefragt: Welche Kompetenzen braucht ein IT-Manager? Sieben Disziplinen schälten sich heraus: |
Strategie und Innovation |
Geschäftsstrategie in strategische IT-Vorhaben übersetzen |
Architektur |
Informationsarchitektur festlegen und unterhalten |
Demand-Management |
IT-Portfolio pflegen, Service-Levels definieren und steuern |
Global-Sourcing-Mgmt. |
Sourcing-Strategie entwickeln, Anbieter steuern, IT-Einkauf |
Projektauslieferung |
Entwicklung und Tests, Schulungen, Change |
Support |
IT-Betrieb und Support-Management |
Qualität, Risiko, Compliance |
IT-Prozesse und -Organisation, Governance, gesetzliche Regelungen, Risiko- und Qualitäts-Management |
Bald auch Fortbildung fürs IT-Team
Und der Executive MBA in Corporate Information Management soll nach den Vorstellungen der in dem europäischen CIO-Verband organisierten IT-Chefs die Latte setzen für das, was das Job-Profil eines CIOs ausmacht. "Abgesehen von separaten Fach- und Management-Seminaren zu einzelnen Themen lernt ein CIO das, was seine Arbeit und Erfolg ausmacht, bisher ja größtenteils im ,Training on the Job, - obwohl Themen wie Sourcing, Business-Strategie und IT-Governance nicht nur komplex sind, sondern auch eine sehr starke Abhängigkeiten voneinander haben", sagt Bayer-CIO Daniel Hartert.
Er engagiert sich im neu gegründeten deutschen CIO-Netzwerk "Voice" für das Thema Aus- und Weiterbildung. Für Hartert füllen die über die European CIO Association angebotenen Programme eine Lücke. Auch bei Bayer Business Services, der von ihm geleiteten IT-Tochter des Leverkusener Konzerns, gebe es Führungskräfte, die von den neuen Weiterbildungsangeboten profitieren könnten, sagt Hartert.
Bei "Voice" will Hartert eine Arbeitsgruppe schaffen, die sich über das Program Review Board gemeinsam mit den Hochschulen in die Ausbildungsinhalte einbringt. "Darüber sollen auch CIO-Kollegen als Referenten für die praxisnahen Bausteine des Programms gewonnen werden", sagt Hartert.
Längerfristiges Ziel der European CIO Association ist es, neben Professional Programmes und MBA einzelne Module der Programme als Fortbildung anzubieten. Auch sie werden die Themen der E-Competence-Matrix abdecken und sich an die breite Belegschaft in den IT-Abteilungen richten.