In der Corona-Krise haben sich Unternehmen, die agile Methoden einsetzen, bewährt. Was kommt nach der Pandemie auf uns zu? Robert Kolbinger, CIO des Textileinzelhändlers NKD, rechnet mit verschiedenen "Normalitäten".
Herr Kolbinger, wie ist es Ihnen im Corona-Jahr 2020 ergangen?
Robert Kolbinger: Corona hat uns gnadenlos den Spiegel vorgehalten, wie es um die Digitalisierung, den Breitbandausbau und vor allem um die digitale Kompetenz beziehungsweise den digitalen Reifegrad der Arbeitnehmer und Führungskräfte in Deutschland bestellt ist.
Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass die Umsetzung von "modern Work" in Bereichen, die sich bereits vor Corona mit dem Thema agile Methoden und agiles Leadership beschäftigt haben, funktioniert. Diese positiven Beispiele haben in der Krise dazu geführt, dass sich weitere Führungskräfte plötzlich mit den notwendigen Änderungen in der Führung und den Arbeitsabläufen beschäftigt haben.
Was hat Sie enttäuscht?
Kolbinger: Leider beobachte ich immer mehr Diskussionen darüber, wie man aufgrund der negativen Erfahrungen wieder in die "alte Normalität" zurückkommt. Ich würde mich freuen, wenn wir zukünftig mehr darüber diskutieren, wie man die Erfahrungen aus den positiven Beispielen und den Schwung aus der Krise nutzt, um uns in Deutschland wieder näher an die digitalen Vorreiter heranzubringen.
Wie wird sich die Arbeit 2021 verändern?
Kolbinger: Es wird einen Wettstreit der Protagonisten der verschiedenen 'Normalitäten' geben. Auf der einen Seite die Verfechter der 'alten Normalität', die sich die Situation der Arbeit vor Corona zurückwünschen. Auf der anderen Seite die 'neue Normalität' mit modernen Führungs- und Arbeitsmethoden.
Was bedeutet Corona für unsere Gesellschaft?
Kolbinger: Ich denke wir wissen alle, dass wir global an einem entscheidenden Wendepunkt hin zu einer digitalen Gesellschaft angekommen sind beziehungsweise dieser in einigen Teilen der Welt bereits überschritten ist. Die technologischen Voraussetzungen sind grundsätzlich vorhanden. Leider haben wir in Deutschland hier in den letzten Jahren den Anschluss etwas verloren. Corona hat uns hier einen Impuls gegeben, den wir nicht ungenutzt lassen sollten.
Woran denken Sie da konkret?
Kolbinger: Stellen wir uns doch die Frage, warum wir täglich Menschen tausende von Pendlerkilometer fahren lassen - mit entsprechendem CO2-Ausstoß, um dann an Systemen zu arbeiten, die an ganz anderen Orten (teilweise sogar in anderen Ländern stehen). Ich denke, wenn wir erst für solche grundlegenden Fragen moderne, auf Digitalisierung basierte Antworten gefunden haben, werden wir sicher heute noch ungeahnte Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle finden.
In welche Bereiche möchten Sie im kommenden Jahr mehr investieren?
Kolbinger: Natürlich ist auch bei uns das Thema weitere Digitalisierung ganz oben auf der Prioritätenliste. Dabei wird es 2021 vor allem darum gehen, weitere derzeit noch Papier-basierte Prozesse zu digitalisieren und damit auch unabhängig von der physischen Anwesenheit in der Zentrale zu machen.
Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.