Die Continental AG habe gerade ein neues Werk in Shanghai eröffnet, erzählt CIO Paul Schwefer. Man sei auch gerade zum ersten Mal in ein anderes Land expandiert, kontert Peter Möller, CIO beim Nahverkehrs-Betreiber Üstra. Die Hannoveraner haben die Verkehrsbetriebe Minden Ravensberg übernommen - das liegt in Nordrhein-Westfalen. Der nahezu unbändige Expansionsdrang stellt Üstra vor ähnliche Fragen wie die Continental AG: "Bei den Desktops stoßen Sie auf die gleichen Probleme, egal, ob Sie 2000 oder 25 000 Arbeitsplätze zu betreuen haben", sagt Möller. Schwefer lächelt milde.
In der Tat sind die Aufgaben erst einmal gleich, die beide beim Desktop-Management zu bewältigen haben. Der Technik-Analyst Robert McNeill von Forrester Research hat ungefähr 20 davon identifiziert: Desktops bestellen, installieren, ins Netz einbinden, Nutzern helfen, umziehen, reparieren und entsorgen gehören dabei zu den anspruchsloseren Tätigkeiten, Software verteilen, Assets managen, für Sicherheit sorgen und das Ganze finanzieren zu den anspruchsvolleren. Bei diesen Aufgaben seien mehr als acht verschiedene Abteilungen im Unternehmen involviert,erklärt McNeill. Alle müssten ihre Dienste dokumentieren, sonst lasse sich die Qualität nicht überprüfen, meint der Analyst, der damit auf eine nicht ganz triviale Arbeit hinweist. McNeill weiß aber auch gleich eine Lösung dafür: "Bei den vielen Outsourcing-Unternehmen mit ihren Servicekatalogen können selbst Endnutzer verschiedene Stufen in den Service Level Agreements (SLA) unterscheiden und gemäß dem Nutzen für das Unternehmen einkaufen."
Der User ist "unvermögend"
Desktops sind Commodity, also Massenware geworden. Sie gelten als ausgereift, von strategisch untergeordneter Bedeutung und somit reif für das Outsourcing. Leider birgt dies neben vielen Vorteilen für den CIO auch einen kleinen Nachteil: Jeder Endnutzer im Unternehmen meint, bei der Auswahl der Produkte mitreden zu können. Peter Möller von Üstra hat Verständnis dafür: "Wer bin ich denn, dass ich als IT dem Kunden alles vorschreibe?" Paul Schwefer von Continental will hingegen keine IT-Demokratie: "Ich spreche dem einzelnen User das Vermögen ab zu wissen, welche Produkte die besten sind - auch wenn sich das arrogant anhört." Immer wieder kämen Nutzer mit der festen Überzeugung zu ihm, ein bestimmtes Produkt zu brauchen, ohne zu wissen, wie sich dieses in die Gesamtkonfiguration einfügt. "Dafür gibt es uns", konstatiert Schwefer: "Wir haben das Ganze im Blick und nicht bloß das Einzelne. Wir verantworten Lösungen und verkaufen keine Produkte."
Im Ganzen sieht die Situation bei Continental so aus, dass bald alle 2000 Desktops auf einmal von einem externen Anbieter ausgetauscht werden - obwohl die neuesten Geräte erst im März installiert wurden. Schwefer strebt weltweit eine einheitliche Hardware und ein einheitliches Betriebssystem an, damit die Softwareverteilung reibungsfrei funktioniert: "Das ist dann auch für den Lieferanten einfacher zu planen und zu kalkulieren." Einheitliche Richtlinien über das Führen des Asset-Managements liegen bereits vor. In zwölf Monaten soll das ganze Projekt abgeschlossen sein. "Es gehört viel Vorbereitung dazu, wenn Sie vom ersten Tag an mit der richtigen Infrastruktur und mit der richtigen Softwareverteilung arbeiten wollen", sagt Schwefer. "Hinzu kommt, dass wir uns an vielen möglichen und unmöglichen Orten der Welt aufhalten. Da gibt es dann Einfuhrbeschränkungen, oder es fehlen die lokalen Partner." Trends, die das Wachstum begleiten.
Schwefers Kollegin Sue Unger von Daimler-Chrysler kann das bestätigen. Vor allem die Softwareverteilung schien dem Dienstleister HP Probleme bereitet zu haben, beim ansonsten doch so schmackhaften Outsourcing-Projekt über Services für 150000 Desktops. Unabhängig vom Erfolg belegt das Projekt, dass nicht nur CIO Unger immer häufiger aus Amerika nach Deutschland kommt, sondern auch die Idee, alle Desktop-Dienste auf einen Schlag auszulagern. "Das Desktop-Outsourcing hat seit Anfang des Jahres spürbar zugenommen", bestätigt McNeill für den amerikanischen Markt, für den er auch ein anhaltendes Wachstum von drei bis fünf Prozent erwartet. "Europa wird sich wahrscheinlich genauso entwickelt", schätzt er. Der Analyst sieht sechs weitere Trends das Wachstum begleiten:
- Der Anbietermarkt wird sich weiter konsolidieren, Partnerschaften werden zunehmen. Dell und EDS bieten in den USA bereits zusammen ein Desktop-Standardpaket von 100 Dollar pro Platz und Monat an. Die Branchenprimi IBM Global Services und CSC gehen zunehmend Verträge mit Sub-Unternehmen ein.
- Die Angebotspalette wird breiter. Da bei den einfachen Diensten die Margen schrumpfen, wächst der Komplettservice. Die Anbieter regeln Beschaffung, Asset-Management und Softwareverteilung auf den Desktops und dehnen damit ihre Dienste auf das Local Area Network und die Server aus. McNeill warnt vor der schleichenden Kompetenzabgabe (siehe Forrester-Thesenpapier "Desktop Outsourcing Critical Success Factors - What Not to Outsource").
- Die Anbieter gewinnen Business-Expertise. Service-Provider wie EDS, IBM GS, CSC und Unisys gleichen ihr Desktop-Outsourcing laut Forrester leichter den individuellen Bedürfnissen der Kunden an als viele kleine Anbieter. Unisys überwache nicht nur die Einhaltung der SLAs, sondern messe auch den Wert für das Gesamtunternehmen nach "Total Economic Impact", lobt McNeill.
- Die SLAs werden flexibler. Während Wissensarbeiter rund um die Uhr Unterstützung an ihren Desktops brauchen, reicht für Mitarbeiter, die nur Daten eingeben, schon ein Support von 9 bis 17 Uhr. Die Anbieter tragen dem Rechnung, indem sie die SLAs so ausdifferenziert vorlegen, dass selbst Endnutzer sie aus einem Katalog bestellen können. Strafen beim Nicht-Einhalten von SLAs werden immer routinierter festgelegt.
- Der User-Help-Desk wird in das Gesamt-Outsourcing-Paket integriert. McNeill hält dies für folgerichtig, da die Sorgen der Anwender auch den erreichen sollten, der sie erzeugt hat. Aber er warnt: "Der Help-Desk darf aber nicht nach der Anzahl der Anrufe abgerechnet werden."
- Die Anbieter werden verstärkt auf Automatisierung setzen. Steigende Leistung in Rechnern und Netzen, verbessertes Remote-Control und vereinfachte Softwareverteilungretten den Service-Providern die Margen im DesktopOutsourcing.
Anwender haben es schwerer, diesen letzten Punkt für sich zu nutzen. Das Gesetz des Intel-Gründers Gordon Moore, wonach sich alle 18 Monate die Rechenleistung verdoppelt, schlägt sich nicht in einer Verdoppelung der Desktop-Effizienz nieder. "Damit kann ich meine Freunde bei der IBM immer herausfordern", erzählt Continental-CIO Schwefer: "Business-on-Demand müsste doch heißen, dass ich die Vorteile der Technik an meine Kunden weitergebe und alle 18 Monate die Preise halbiere." Bei IBM findet das niemand witzig, und auch bei Continental wird Schwefers stetig wiederholtes Motto "Cut by half" nicht ernst genommen. "Natürlich wissen wir alle, dass dies so nicht funktioniert", schränkt der CIO sich selbst ein. Aber inzwischen wird die ausgegebene Parole "Cut by half" für die Kosten der IT-Infrastruktur ernst genommen. Außerdem lässt sich aus dieser Forderung die Notwendigkeit zur Innovation ableiten: "Wer nicht in die IT investiert, verursacht die größten Kosten", sagt Schwefer.
So sieht das auch Michael Silver vom Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner. Gerade ist seine Studie erschienen: "Desktop Total Cost of Ownership für die Jahre vier, fünf und sechs: Irgendjemand muss es bezahlen!" Silver räumt darin mit der irrigen Annahme auf, ein PC sei billig, sobald er abgeschrieben ist: "Wir mussten feststellen, dass die durchschnittlichen Kosten der ersten drei Jahre ziemlich genau denen für die Folgejahre entsprechen, nur sie bewegen sich weg von den direkten, sichtbaren Ausgaben hin zu den versteckten."Auszeiten nähmen zu, die Produktivität der Endnutzer sinke. "Am Ende steht die Frage, wer bezahlt", resümiert Silver, "das Unternehmen in Form von Geld oder der Nutzer in Form von verlorener Produktivität."
Zweiklassengesellschaft der User
Silver schlägt sich auf die Seite der entrechteten Arbeiter: "Wir empfehlen einen vierjährigen Lebenszyklus für Rechner von Knowledge-Workern - und drei Jahre oder weniger für die High-Performance-User." Den PCAbsatzzahlen der IDC-Marktforscher zufolge scheint die Parole jedoch nicht richtig zu greifen. Firmen, vor allem deutsche, tendieren noch immer dazu, ihre Geräte veralten zu lassen. Zwar gewinnt der Markt langsam wieder an Fahrt, insgesamt sind die erfolgsverwöhnten Hersteller jedoch immer noch enttäuscht.
Nur einer klagt nicht: Microsoft hat am 26. Oktober gerade wieder mit viel Pomp eine neue Office-Version vorgestellt. Viel Zusatznutzen birgt das Paket derBüroanwendungen nicht, dafür aber wieder neue Preismodelle. "Wir sind alle in der Hand von Microsoft", klagt CIO Möller von Üstra. "Wir haben Open Office getestet und prüfen die Systemumgebung unter Linux, haben aber zunächst davon Abstand genommen." Der Verkehrsbetrieb hat voriges Jahr das Licence-Agreement von Microsoft unterschrieben. Jetzt herrscht vorläufig Ruhe bei der Office-Auswahl. "Ich schaue mir an, was sich dort bewegt", sagt Möller. "Wenn ein Markt mit Alternativen entsteht, dann wird es auch eine Stabilisierungsphase geben."
Möller hat keine Angst vor neuen Produkten abseits des Mainstream, was seine Installation von Thin-Clients beweist. Aber in puncto Microsoft Office geht er eben doch lieber den konservativen Weg. Schwefer gibt sich hingegen kämpferisch: "Wir haben die Alternativen lange evaluiert. Sie sind einsetzbar." Der CIO glaubt nicht, dass die Einführung etwa von Open Office ein Problem darstellen würde. Er hat auch schon im Vorstand dafür Verständnis erfahren. Widerstand erwartet er eher von den Nutzern, wenn es zu einer Abkehr kommen sollte.
Bei den Betriebssystemen hat Linux gerade eine Abfuhr von Gartner erhalten. Auf den Servern sei der Erfolg ja unbestreitbar, heißt es in einem Bericht vom September. Auf den Desktops dürften Anwender jedoch noch keine Ersparnis erwarten. Das dürfte den Sun-CEO Scott McNealy geärgert haben. Nur eine Woche nach Erscheinen des Gartner-Papiers trommelte er auf der hauseigenen Messe für den Linux-Desktop, der pro Arbeitnehmer und Jahr nur 100 Dollar kosten soll. Michael Silver findet versöhnliche Worte zwischen seinem Analystenhaus und Sun: "Der Unterschied bei den TCO zwischen Windows und Linux hängt stark von der Version ab." Windows 95 sei mittlerweile so teuer, dass ein Wechsel zu Linux eine Überlegung wert sein könnte, heißt es im Special Report "Linux on the Desktop: The Whole Story".
Weitere Artikel im Schwerpunkt Desktop:
Spardose der Zukunft?
Das darf es kosten
Riesen-Transfer mit großem Risiko
Die Spar-Formel