Jörg Becker, Professor für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Akademischer Direktor des European Research Center for Information Systems (ERCIS), leitet die Fachtagung „Methoden und Werkzeuge zur Verwaltungsmodernisierung“ (MEMO) am 17. und 18. Juni in Münster.
Professor Becker leitet derzeit verschiedene Projekte, in denen es um die Themen „Standardisierung von Verwaltungsprozessen“ und „Verwaltungsmodernisierung an deutschen Hochschulen“ geht. Über seinen Vortrag „Föderales Informationsmanagement - Wie uns standardisierte Strukturen bei Prozessen und Formularen helfen können“ auf der MEMO, die Tagung und seine Forschung sprach Professor Becker mit CIO.de.
CIO.de: Stammen die Themen Ihres Vortrags aus Ihrer eigenen Forschung?
Professor Dr. Jörg Becker: Die Tagung MEMO, Methoden und Werkzeuge der Verwaltungsmodernisierung, dient natürlich auch immer dazu, die Themen einem breiteren Publikum vorzustellen, mit denen wir uns in der Forschung gerade beschäftigen. Bei meinem Vortrag bilden diesmal Formulare den Ausgangspunkt.
Formulare? Das hört sich ja ein wenig trocken an.
Nein, überhaupt nicht. Wir nehmen Formulare und Formularelemente als Ausgangspunkt für eine Standardisierung der Leistungen und der Prozesse, die dahinter stehen. Dann kann man Prozesse an etwas Konkretem festmachen, das jedem sofort einleuchtet: an einer Formular-Bibliothek. Formulare, die Prozesse treiben, kann man sehr gut verständlich machen.
Fangen Sie mit den Formularen an, um etwas zu erklären, oder weil Veränderungen durch diese Herangehensweise auch einfacher durchzusetzen sind?
Es geht um die Standardisierung von fachlichen Prozessen, der Ausgangspunkt sind aber Formulare. Wenn diese schon nicht standardisiert sind, fällt es umso schwerer, die Prozesse zu standardisieren. Also fangen wir am Ausgangspunkt der Prozesse an.
Wie machen Sie das?
Wir versuchen überall dort, wo wir heterogene Formulare finden, zu einer Standardisierung beizutragen. Das machen wir auch in einem Forschungsprojekt, das derzeit das Land Sachsen-Anhalt fördert. Das Projekt heißt „Föderales Informationsmanagement“ (FIM). Es geht dort um Leistungen, Formulare und Prozesse.
Ausgangspunkt für Veränderungen der Prozesse sind die Formulare
Ist der Föderalismus dabei ein großes Problem? Es gibt ja wohl kaum Formulare, die für alle gleichermaßen gelten.
Darum geht es, ja. Wir versuchen, Formulare über die Grenzen hinweg zu standardisieren. Das fängt schon damit an, dass gleiche Dinge, die zu einem Antrag gehören, auch gleich benannt werden.
Dass sie vom Verwaltungsdeutsch in ein Deutsch übertragen werden, das auch der Bürger versteht, der sich mit dem Formular beschäftigen muss. Gleiche Dinge werden in unterschiedlichen Ländern oder Kommunen in den Formularen unterschiedlich gehandhabt. Das ist nicht zielführend. Damit fängt dann auch die Standardisierung von Prozessen an.
Haben Sie Hoffnung, dass das gelingt?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit einigen Dingen, die wir getan haben, haben wir mehr Einfluss gehabt, als wir es uns am Anfang haben vorstellen können. Deshalb sind wir auch hier guter Hoffnung, dass wir ein gutes Stück vorankommen.
Wie lange dauert es, bis das umgesetzt ist?
Dahinter steckt ein ganz konkretes Projekt, deren aktuelle Teilaufgaben, die eine Formularklassifikation und die Strukturierung der Formularbestandteile umfassen, bis zum Sommer anstehen, dann machen wir konkrete Vorschläge und es geht Stück für Stück weiter.
In Sachsen-Anhalt besteht ein großes Interesse an der Umsetzung seitens des Ministeriums für Finanzen. Machen wir uns aber nichts vor, das ist eine Aufgabe, die noch die nächsten Generationen beschäftigen wird. Wenn man aber einen guten Impuls gibt, kann das für weitere Anstrengungen ein Katalysator sein.
Wie läuft die Zusammenarbeit vor Ort in Sachsen-Anhalt?
Wir diskutieren das immer mit allen Beteiligten, nicht nur in Sachsen-Anhalt. Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst sagt man ja gerne nach, dass sie ein gewisses Beharrungsvermögen aufweisen. Das ist bei einigen sicher so, aber wenn man die richtige Truppe um sich schart, ist da sehr viel Veränderungswille. Die Aufgaben nehmen zu, aber die Finanzierungsdecke schrumpft. Das hat sich herumgesprochen. So gibt es überall offene Ohren.
Mit Mustern, Modulen und gleichen Bausteinen einen Baukasten schaffen
Sind bestimmte Formulare besonders schwierig? Gibt es einen übergeordneten Prozess?
Das können wir jetzt noch nicht sagen, da stecken wir noch voll in der Arbeit. Wir versuchen, wiederkehrende Muster zu finden, Module oder gleiche Bausteine, und diese in einem Baukasten zusammenzufassen. Mit einem generellen Prozess oder einem generellen Formular wird es schwierig werden. Aber wir arbeiten daran, ein Konzept und eine Struktur für Stammformulare und Referenzprozesse zu schaffen.
Sie richten am 17. und 18. Juni die MEMO-Tagung aus. Was sind die Hauptthemen?
Das Leitthema der MEMO ist stets die Verbesserung von Verwaltungsprozessen. In Themenclustern adressieren wir verschiedene Schwerpunkte. Einer ist die E-Akte, also Dokumentenmanagementthemen. Außerdem thematisieren wir Prozessmanagement mit Vorträgen zur fristgerechten Bearbeitung von Bußgeldbescheiden oder zum Prozessreifegradmodel aus Praxissicht. Wir greifen auch Trends auf: Social Media, Bürgeranregungen und die Vernetzung der öffentlichen Verwaltung, wo sich die Mitarbeiter untereinander austauschen können.
Ich möchte auch auf unsere Podiumsdiskussion „Datenschutz und Verwaltungsmodernisierung - Widerspruch oder Chance?“ hinweisen. Teilnehmen werden etwa Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Marianne Wulff, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister (Vitako) und weitere bekannte Sprecher aus Verwaltungen. Zum ersten Mal gibt es seinen Track zur Hochschulmodernisierung. Das ist ein Teil des öffentlichen Lebens, in dem sehr viel passiert.
Wie viele Teilnehmer erwarten Sie?
Wir werden regelrecht überrannt. Es gibt über 200 Anmeldungen, und wir haben jetzt schon Raumprobleme. Dieses Jahr ist super. Es spricht sich so langsam herum, dass hier fachlich gut diskutiert wird. Viele der Teilnehmer und Vortragenden sind schon längere Zeit dabei. Angesprochene avisierte Vortragende sagen bei einem Anruf sofort: Wir kommen gerne.
Die „Kunst des Nichts“
Ist das Thema interessanter geworden, oder gibt es mehr Geld im System?
Die Ursachenforschung dazu ist schwierig. Wir sind auch bei vielen anderen Veranstaltungen als Referenten oder Gäste vertreten, die oft mit abnehmenden Teilnehmerzahlen zu kämpfen haben. Bei uns geht es steil bergauf. Die Referenten und die Themen sind spannend, der Temin passt gut. Der Austausch der Teilnehmer untereinander funktioniert sehr gut. Viele Besucher kommen immer wieder. Es liegt nicht nur an einem Faktor. In der Abendveranstaltung geht es um die „Kunst des Nichts“, vielleicht liegt es daran.
Was ist denn die „Kunst des Nichts“?
Das Landesmuseum in Münster erhält gerade einen Neubau, der in einem Monat fertig sein wird. Wir haben die einmalige Gelegenheit, das Gebäude mit einer Führung zu besichtigen, ohne dass dort Kunst hängt. Es ist eine total interessante Architektur, die auch ohne die Kunst schon wirkt.
Zum 8. Mal veranstaltet die Universität Münster am 17. und 18. Juni 2013 in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund die Fachtagung MEMO. Programminformationen und Online-Anmeldung unter: www.memo-tagung.de
Themenschwerpunkte der MEMO 2013:
• Elektronische Akte
• Prozessmanagement
• Aktuelle Trends im E-Government
• Hochschulmodernisierung
• Bürgerservice und Kommunikation
• Behördensteuerung und Prozessmanagement
Abgerundet wird das Programm durch drei Workshops zu den Themen Bürgerpartizipation, Prozessmodellierung und Besucherleitsysteme.