Die Outsourcing-Landschaft wird sich in Bälde massiv ändern. Weil es großen Unternehmen nicht mehr wirklich weiterhilft, einzelne Geschäftsprozesse und IT-Teilbereiche auszulagern. Und weil Cloud Computing und Service-Mietmodelle wie Software-as-a-Service (SaaS), Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und Platform-as-a-Service (PaaS) gänzlich neue Möglichkeiten bieten, von externen Dienstleistungen zu profitieren. Die Losung lautet: Sich nicht in der Vielfalt verzetteln und an einzelnen Symptomen herumdoktern, sondern aufs Ganze gehen. Das prognostizieren jedenfalls die Anaylsten von HfS Research, die auch gleich einen Begriff für das Phänomen geprägt haben: „Business Platforms“.
„Business Platforms sind die Zukunft des Business Process Outsourcing (BPO)“, heißt es in einer Studie der Marktbeobachter. „Sie stehen für die echte Verschmelzung sämtlicher Vorzüge von standardisierten Geschäftsprozessen, Cloud Computing und SaaS zu einem einzigen gesteuerten Service-Delivery-Modell.“ Anzufügen ist, dass dabei die klassische Unterscheidung von BPO und IT-Outsourcing auch gleich aufgehoben wird.
Nach Einschätzung von HfS Research haben viele Firmen in den beiden vergangenen Jahrzehnten bereits gelernt, was Outsourcing bringen kann und worin seine Grenzen liegen. Jede Menge Geld sei in System-Upgrades, Daten-Integration und das Re-Engineering von Prozessen gesteckt worden. Nun seien zwei neue Entwicklungen zu beobachten: Erstens suchten die im Outsourcing-Bereich erfahrenen Anwender die Zusammenarbeit mit kompetenten BPO-Anbietern, deren Dienstleistungen viele Großunternehmen in Anspruch nähmen. Zweitens verlagerten sich die technologischen Lösungen zunehmend in die Cloud.
BPO und Cloud-Services vereinen
Angesichts dieser beiden konvergenten Entwicklungen fragten sich Entscheider vor allem, wie sich ohne Rekordinvestitionen großflächige Vorteile durch eine Kombination von BPO und IT-Technologie realisieren lassen. Die Antwort darauf seien Lösungen, die BPO und cloud-basierte Services vereinten, so HfS Research. In verschiedenen Prozessfeldern sei der Markt dafür mittlerweile reif. Und deshalb würden Business Platforms den neuen Weg darstellen, bestmögliche Prozessergebnisse zu erzielen.
Vier Merkmale charakterisierten das neue Modell, so die Studienautoren Robert McNeill, Phil Fersht und Tony Filippone:
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Erstens werden standardisierte Geschäftsprozesse geliefert.
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Zweitens würden diese von den Service-Anbietern auf Basis einer Komplettlösung inklusive Personal, Software-Plattform und Infrastruktur gesteuert.
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Drittens liege der Fokus auf dem Output wie etwa höhere Kundenbindung und nicht auf dem Input, also den eingesetzten Ressourcen an Arbeit und Kapital.
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Viertens diene eine Business Platform mehreren Kunden.
Ein Drittel in Evaluationsphase
Aus Anwendersicht biete dies über ergebnisabhängige Honorare einen kostengünstigen Einstieg in eine flexible Steuerung der globalen Operationen, so HfS Research. Das decke sich mit den Budgetanforderungen in einem Klima, das von der Sorge vor einer weiteren Wirtschaftskrise geprägt sei. Insofern sei das Interesse der Anwender getrieben von der Notwendigkeit, IT-Kosten und IT-Komplexität zu senken. „Business Platforms helfen den Kunden, das vielschichtige Management von On-Premise-Software, teuren Lizenzen und unterstützender Infrastruktur zu vermeiden“, heißt es in der Studie. Zudem sei es aus Business-Sicht eine willkommene Gelegenheit, mit internen Widerständen aus der IT-Abteilung und komplexen Priorisierungs-Prozessen abzuschließen.
Für 43 Prozent der Unternehmen sei derzeit der entscheidende Outsourcing-Treiber die Flexibilisierung von weltweiten Operationen. Aus Governance-Sicht sei es zudem nicht mehr zeitgemäß, eine unübersichtliche Fülle isolierter Management-Funktionen zu managen – ein „silo of silos“, aus dem bei Sparzwang einfach eines der Silos ausgelagert werde. Stattdessen herrsche Bedarf nach echter End-to-End-Visibilität und einem einheitlichen System fürs Enterprise Ressource Planning (ERP).
Ende des Ärgers
HfS Research proklamiert durch Business Platforms das Ende langjähriger Scherereien, die bei klassischem Outsourcing unvermeidlich waren. Die Analysten nennen als eklatantes Beispiel internationale Großfusionen: In deren Folge arbeiteten sich Business-Leute jahrelang der Vereinheitlichung von Zahlungs- und Beschaffungsprozessen ab, während die IT das SAP-System zu integrieren versuche. Zugleich flössen Millionen an Service-Anbieter, die Compliance-Probleme mit russischen oder chinesischen Steuergesetzen lösen sollen.
Dieser Sorgen können sich die Firmen durch Business Platforms entledigen, meinen die Analysten. „Für IT-Verantwortliche und CIOs ist die Cloud ein Enabler für Technologie und Business“, heißt es in der Studie. „Aus Business-Sicht ist Cloud Computing eine Quelle für Innovation.“ Laut einer internationalen HfS-Umfrage unter 500 Entscheidern wollen 75 Prozent ihre Geschäftsprozesse neu strukturieren, 45 Prozent weitere Infrastruktur in die Wolke verlegen und 35 Prozent die Evaluierung von Business Platforms vorantreiben.
Dramatische Auswirkung hat das nach Ansicht von HfS Research erst einmal auf die Anbieter. „Deren Chefs werden geschockt sein von unserer Erkenntnis, dass 80 Prozent ihrer Kunden nur noch Standardprozesse einkaufen wollen“, heißt es in der Studie. Vorbei sind demnach die Zeiten, in denen die Anwender große Hoffnungen in exklusive, maßgeschneiderte und vermeintlich entscheidende Wettbewerbsvorteile verheißende Prozesse setzen. Inzwischen störe es die Firmen kaum noch, wenn ihre schärfsten Rivalen am Markt die gleichen Tools fürs Expense-Management oder Zahlungseingänge verwendeten. „Sie wollen einfach nur Prozess-Flows hoher Güte haben, die sie wirksam und effizient einsetzen können“, berichten die Autoren.
Accenture, Capgemini und Cognizant am Ball
Keinen Zweifel haben sie deshalb an der Nachfrage nach Business Platforms und notwendigen Anstrengungen der Provider, diese auch anbieten zu können. „Der Business Platform-Markt ist in einer sehr frühen Entwicklungsphase – vor allem aus Sicht IT-orientierter Provider, die auf Basis ihrer technologischen Expertise in den BPO-Markt einsteigen wollen“, heißt es weiter in der Studie. „Die Provider werden schwer investieren müssen, um leistungsfähige Business Platforms aufzubauen.“
Bewegung in dieser Richtung beobachtet HfS aber bereits. Capgemini etwa habe bereits die Plattform „Smart Energy Services“ aufgebaut, Infosys sei bereits mit etwa zehn Angeboten im Markt vertreten. Cognizant arbeite mit einem führenden US-amerikanischen Telekommunikationsanbieter und mit dem Pharmakonzern Eli Lilly in dieser Richtung zusammen. Die Übernahme von Zenta durch Accenture deute darauf hin, dass für den Immobilienmarkt eine Business Platform aufgebaut werde.
Die Herausforderung für die Provider sei indes groß. Man werde selbst investieren müssen, ohne einfach wie bisher Start- und Lizenzgebühren der Kunden für die Refinanzierung erheben zu können. Bei manchen Anbietern seien massive technologische Upgrades und betriebliche Veränderungen nötig, so die Analysten.
Der Artikel „What Are Business Platforms And Why Do They Represent The Future of Outsourcing?” auf der HfS-Research-Homepage fast die Studienergebnisse zusammen.