Ihre Software erzeugt automatische Bestellungen und unterstützt einen logistischen Hauptprozess. Was macht dieses System in den Augen ihrer Kunden so relevant?
Dr. Andreas von Beringe: Durch den Einsatz unserer Prognosesoftware reduziert der Handel erhebliche Kosten im Bestellprozess und erzielt mehr Umsatz. Denn der Händler erfährt über die Prognosen was seine Kunden morgen kaufen werden. So kann der Händler an jedem Standort die Waren zur richtigen Zeit in der richtigen Menge bereitstellen. Dadurch reduziert er seine Präsenzlücken und erhöht die Kundenzufriedenheit. Am Ende des Tages sind dies für ihn Möglichkeiten, seine Rendite deutlich zu steigern.
Prognosen leiten sich in der Arbeitswelt üblicherweise aus Regeln ab. Bei Ihrem Ansatz spielen neben dem tatsächlichen Abverkauf auch Kausalfaktoren eine wesentliche Rolle. Wie funktioniert das Ganze in der Praxis?
Prof. Dr. Gerhard Arminger: Einzelne Unternehmen haben schon recht früh erkannt, dass die aus der Warenwirtschaft vorliegenden Abverkaufsdaten nicht ausreichen, um optimal bestellen zu können. Denn optimal heißt, nicht nur ständig die richtigen Produkte vorzuhalten, sondern zusätzlich auch über einen möglichst optimalen durchschnittlichen Warenbestand zu verfügen. Das Herzstück unseres Ansatzes sind Prognosen, die in zurückliegenden Abverkäufen zutage getretene Umstände berücksichtigen. Zu diesen Faktoren zählen saisonale Einflüsse, Kalenderereignisse, regionale Besonderheiten - um nur drei zu nennen.
Dort, wo wir im Rahmen von kollaborativen Bestellprozessen auch die Zusammenarbeit zwischen Händlern und Produzenten unterstützen, werden die automatisch erstellten Bedarfsprognosen sogar untereinander ausgetauscht. Dadurch kann der Lieferant bislang kaum kalkulierbare Absatzspitzen, die zum Beispiel durch Verkaufaktionen auftreten, frühzeitig einplanen. Das Besondere an der SAF-Software ist die Fähigkeit ein jeweils optimales Prognoseverfahren auf der Ebene jedes einzelnen Artikels automatisch auszuwählen und zu kombinieren. Das schaffen wir durch einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis.
Wie sieht dieser Dialog zwischen Experten aus Arbeitswelt und Forschung aktuell aus?
Prof. Dr. Gerhard Arminger: Die aktuellen Fachpublikationen zu verfolgen, würde nicht genügen. Wir haben eine eigenständige, strategisch ausgerichtete Abteilung Research & Innovation ins Leben gerufen, so dass der Softwareentwicklungsprozess kontinuierlich mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeglichen wird. Dazu zählen mathematisch-statistische Verfahren, die sich nach Warensortiment und Branche unterscheiden, ebenso wie die Integration von Verfahren zur Laufzeitperformance, um den erheblichen Datenmengen Herr zu werden. Ein wissenschaftlicher Beirat gibt uns zudem seit Unternehmensgründung Impulse, um als Markt- und Technologieführer auf dem Gebiet automatischer und optimierter Warennachschubplanung bestehen zu können.
Wenn Sie zurückblicken - was hat sich an der Engine zur prognosegestützten Warennachschubplanung seit Gründung 1996 geändert und was steht an?
Dr. Andreas von Beringe: Im Kern handelt es sich nach wie vor um die gleiche Engine, die im Laufe der Jahre um Funktionalitäten erweitert wurde. Doch das, was seinerzeit eine reine Rechenmaschine war, ist mittlerweile unter Einbezug sogenannter Applications auf Filial- und auf Lagerebene jeweils zu einer Suite gewachsen. Diese Benutzeroberflächen unterstützen den Anwender bei den wichtigsten Dispositionstätigkeiten und erlauben eine Fülle von Analyse-, Optimierungs- und Steuerungsaufgaben. Aktuell arbeiten wir an Prognoseverfahren für Produkte, die neu auf den Markt kommen, wie zum Beispiel in der Modebranche - wir nennen das First Time Items.
In eine optimale Bestellung fließen im Handel erhebliche Datenmengen ein. Dies kann sich sehr schnell zu mehreren Millionen Werten summieren. Welchen Anforderungen ist damit die Systeminfrastruktur ausgesetzt?
Prof. Dr. Gerhard Arminger: Die SAF-Software erfordert lediglich eine handelsübliche Rechnerarchitektur und greift auf die Daten der Warenwirtschaft zurück. Unser System ist in der Lage riesige Datenmengen blitzschnell zu verarbeiten. Mit dem SAF Data Cache stellen wir sicher, dass der Ressourcenbedarf der Programme und Algorithmen mit zunehmender Anzahl der Eingabedaten linear skalierbar bleibt. Weil ein Händler, der keine Ware bestellen kann, auch nichts verkaufen kann, müssen unsere Systeme hochverfügbar sein. Zunehmend sind wir nicht nur Ansprechpartner für unsere Software, sondern auch für eine ganzheitliche Lösung der Warennachschubplanung - inklusive Hardwareauswahl sowie System- und Prozessintegration. Zudem lässt sich sagen, dass unser System aufgrund unserer Schnittstellen komfortabel zu implementieren ist.
Ihrem Geschäftsbericht 2006 ist zu entnehmen, dass die Lizenzerlöse auch in den USA sehr positiv aussehen. Was sagen Sie zu den Gegebenheiten des US-Marktes im Vergleich zum Deutschland- bzw. Europa-Geschäft?
Dr. Andreas von Beringe: Der US-Handelsmarkt ist anders strukturiert als der in Kontinentaleuropa. Die Märkte sind wesentlich größer mit einem Sortimentsbestand von tausenden Artikeln. Zugleich ist die Anzahl der Filialen geringer, aber der Service ausgeprägter. Insofern zwingen die Margen nicht in gleichem Maße zum Handeln wie in Europa. Doch durch die deutlich größeren Datenmengen wachsen die Anforderungen an den Bestellprozess.
Händler in den USA haben den Renditeeffekt eines Computer Automated Ordering-Prozesses erkannt und stellen sehr rasch die Weichen für die Zukunft. Denn nur über eine Automatisierung lässt sich die Datenflut bewerkstelligen und die Kosten im Bestellprozess senken. Die US-Amerikaner neigen dazu nach Best-of-Breed-Lösungen zu suchen. Zudem sind sie entscheidungsfreudiger als Europäer.
Eine Synchronisation von Angebot und Nachfrage muss ja nicht nur im Handel eine Rolle spielen. Wo gibt es noch unbestellte Arbeitsfelder?
Dr. Andreas von Beringe: Waren werden nahezu überall bestellt. Eine bewusste Berücksichtigung der historischen Abverkaufsdaten verbessert die Lieferfähigkeit eines Anbieters. Unsere Produktinnovationen beziehen sich auf Sachverhalte, bei denen es um die optimale Verfügbarkeit von Produkteinzelteilen geht, die in vielfältigen Ausprägungen zu einem Gesamtprodukt zusammen gefügt werden müssen. Das ist beispielsweise in der Verpackungsindustrie der Fall. Für unterschiedliche Verpackungen werden verschiedene Komponenten in variierenden Mengen und Ausprägungen benötigt. Diese werden zudem zu anderen Zeitpunkten und für verschiedene Endprodukte nachgefragt, so dass die optimale Bestellung großen Herausforderungen unterliegt.
Last but not least: Sie werden sicher häufig nach dem Return on Investment Ihrer Lösung gefragt - können Sie uns hier eine nachvollziehbare Größenordnung nennen?
Dr. Andreas von Beringe: Unser für den Food-Bereich repräsentatives Beispiel geht von einem Händler mit 800 Filialen und durchschnittlich 20.000 Artikeln aus, der mit unserer Software von einem manuellen auf einen automatischen Bestellprozess umsteigt. Wir können nachweisen, dass er ein Viertel seiner gesamten Bestellkosten einspart. Er reduziert seine Präsenzlücken um mehr als die Hälfte und steigert mit einem an die Kaufinteressen der Kunden angelehnten Warenangebot signifikant deren Zufriedenheit. Der Filiale entgeht weniger Umsatz. Konsequenterweise steigt auch der Filialgewinn. Zusammen genommen würde sich für diesen Händler die Investition in SAF-Lösungen bereits innerhalb von zwei Monaten rentieren. Ähnliche Berechnungen haben wir auch für den Non-Food-Bereich angestellt.
Vielen Dank für das Gespräch!