Die IT-Branche wächst. Der Branchenverband Bitkom erwartet im Jahr 2016 in Deutschland ein Umsatzwachstum von 1,7 Prozent auf 160,2 Milliarden Euro. Treiber soll das Softwaregeschäft sein, das laut Prognose um mehr als sechs Prozent zulegen und 21,5 Milliarden Euro am Gesamtumsatz der Branche ausmachen soll. Für Softwareunternehmen sind das gute Aussichten. Getrübt wird die Freude durch eine Problematik auf dem Arbeitsmarkt. Dort streiten nämlich Unternehmen im "War for Talents" um IT-Experten. Laut Bitkom gibt es 43.000 offene und nur schwer zu besetzende Stellen.
Um die Besten konkurrieren Konzerne und Unternehmen des gehobenen Mittelstands mit kleinen und mittelgroßen Softwarehäusern, die alle fähige Softwareentwicklersuchen. Nach der Studie "IT-Skills 2015" des Personaldienstleisters Hays, bei der IT-Verantwortliche, Geschäftsführer sowie HR-Entscheider befragt wurden, zählt der Software Engineer zu den IT-Jobs der Zukunft. Da im Bereich der Softwareentwicklung agile Methoden zunehmend eingesetzt werden, tun Unternehmen gut daran, ihrRecruitment auf Charakteristika dieser Zielgruppe abzustimmen, um bei der Besetzung offener Stellen erfolgreich zu sein.
Agile Software Engineers sind kreative Individualisten
Agile Softwareentwicklung setzt auf Kommunikation und Teamarbeit. Der Grund: Der Projektfortschritt ist durch regelmäßige Meetings und Reviews transparent, und bei Problemen kann kurzfristig reagiert werden. Das ist einer der wichtigsten Unterschiede zum in der Vergangenheit dominierenden und auch heute noch weit verbreiteten "Wasserfallmodell".
Bei diesem Verfahren programmieren Entwickler in einem starren Zeitplan. Der Nachteil: Bei Problemen muss der gesamte Projektplan folgenschwer geändert werden. Doch die Abkehr vom Althergebrachten erfordert auch eine neue Generation von Entwicklern. Ganz im Vordergrund der erforderlichen Eigenschaften steht die Kommunikations- und Teamfähigkeit. So sollte kein Software Engineer damit überfordert sein, vor einer Gruppe von Entwicklern den Projektfortschritt darzulegen, sich abzustimmen, Hilfe einzuholen und Rat zu geben.
Der agile Entwickler bringt dennoch ein hohes Maß an individueller Kreativität mit, die es erlaubt, auch im Team um die Ecke zu denken, neue Lösungswege auszuprobieren und zu beschreiten. Diese Soft Skills, kombiniert mit fachlicher Qualifikation und im optimalen Fall bereits Erfahrung mit agilen Methoden, machen Entwickler zu begehrten Kandidaten für freie Positionen im Software Engineering. Eine akademische Ausbildung ist dafür nicht zwingend erforderlich.
Experten finden und halten
Um Jobs für Entwickler in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu besetzen, ist vor dem Hintergrund der großen Konkurrenz durch Konzerne eine langfristige Personalstrategie unabdingbar. Dabei heißt es nicht nur, Mitarbeiter zu gewinnen, sondern ebenso, kompetente Teammitglieder zu halten. Das erreichen Firmen unter anderem mit
fairer Bezahlung,
verbindlichen Arbeitszeiten und Wochenarbeitsstunden,
anspruchsvollen Aufgaben,
Chancen zur Weiterentwicklung sowie
einem positiven Arbeitsklima.
Mit anderen Worten: Das sogenannte Gesamtpaket rückt in den Vordergrund. Doch wie überzeugen kleine und mittelständische Unternehmen angesichts kleinerer Personalbudgets im Vergleich zu Konzernen und zum gehobenen Mittelstand IT-Experten von sich?
Ein probates Mittel ist natürlich die Mund-zu-Mund-Propaganda. Zufriedene Mitarbeiter identifizieren sich mit ihrem Unternehmen und werden dafür gerne im beruflichen Netzwerk werben. Hier spielen erfahrungsgemäß Geldanreize oder Incentives keine besonders große Rolle. Vor dem Hintergrund vieler unbesetzter Stellen haben IT-Experten bisweilen die Qual der Wahl. Mitarbeiter aus Human-Resources-(HR-)Abteilungen sprechen nicht selten davon, dass "IT-Spezialisten ihr Unternehmen finden, nicht andersherum".
Selbstverständlich können professionelle Personalbeschaffer und Headhunter für Kleinbetriebe und Mittelständler eine Hilfe sein. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Recruiter über ausreichend Branchenkontakte und -kenntnisse verfügen. Konzerne und Großunternehmen können im Vergleich dazu wesentlich mehr Personal in der HR-Abteilung vorweisen. Sie sind aber häufig ebenso in starren Strukturen und Prozessen gefangen, die es erschweren, auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zu reagieren. Hier haben kleine und mittelgroße Firmen wesentlich mehr Spielraum, agil zu agieren. Voraussetzung dafür ist die richtige Orchestrierung ihrer Recruitment-Instrumente.
So erweist es sich in der Praxis als erfolgreich, neben klassischen Stellenanzeigen in Branchenmedien sowie sozialen Netzwerken Headhunter einzusetzen, Mitarbeiter gezielt dazu zu motivieren, in ihrem beruflichen Netzwerk zu werben, und die Themen Fachkräftemangel und HR auch in der Unternehmenskommunikation zu nutzen, um den Bekanntheitsgrad des Betriebs zu stärken.
Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
Neben der Kommunikationsabteilung sollten die Recruiting-Zuständigen eng mit dem Fachbereich zusammenarbeiten. Stellenprofil, Bewerberprofil sowie Stellenausschreibung sollten gemeinsam von HR- undIT-Fachbereich entwickelt werden. Die Einreichungsform der Bewerbungen sollte der Bewerber selbst wählen dürfen. Online-Bewerbungsportale beziehungsweise Bewerbungsformulare lassen wenig Individualität zu, auch wenn sich damit die Bewerbungseingänge leichter managen lassen.
Gute Chancen, den passenden Mitarbeiter zu finden, haben Unternehmen, wenn schon bei der Erstauswahl der Fachbereich einbezogen wird. Nur dort können fachliche Kompetenzen wirklich eingeschätzt werden. Um neben den fachlichen auch die Soft Skills eines Bewerbers kennenzulernen, sollten kleine Unternehmen die Chance nutzen, Bewerber einmal mit den künftigen Kollegen bekannt zu machen. So kann im Vorfeld sondiert werden, ob die Chemie stimmt und eine gedeihliche Zusammenarbeit im Entwicklerteam vielleicht möglich ist. Hier liegt der Vorteil bei kleineren Unternehmen, wo ein solches Kennenlernen wesentlich leichter zu organisieren ist.
Auch Bewerber begrüßen dieses Beschnuppern, weil sie so ein Gespür für das Unternehmen und die potenziellen Kollegen bekommen. Dabei spielt auch das Thema Transparenz eine Rolle. Künftigen Mitarbeitern sollte frühzeitig reiner Wein in Bezug auf Gehalt, Aufstiegschancen, weitere Benefits und das Arbeitsumfeld eingeschenkt werden. Wer aufgrund enttäuschter Erwartungen ein Unternehmen verlässt, könnte den guten Ruf in Social Networks und Bewerberportalen nachhaltig schädigen.
Wollen sich kleinere Betriebe im War for IT-Talents gegen Großkonzerne und den gehobenen Mittelstand durchsetzen, sind sie gut beraten, neben den fachlichen Qualifikationen auch die persönlichen Bedürfnisse eines Bewerbers zu kennen und die Arbeitsbedingungen diesen anzugleichen. Zufriedene Mitarbeiter bleiben dem Unternehmen länger erhalten und werden im eigenen Umfeld zu Botschaftern. Transparenz nach innen zwischen Personalabteilung und Fachbereich sowie nach außen auch dem Bewerber gegenüber führt in der Regel schon im Bewerbungsprozess zur Erkenntnis, ob Unternehmen und Kandidat zusammenpassen.