Weil alle ausländischen Niederlassungen von Siegenia-Aubi auf die SAP-Anwendungen der Zentrale zugreifen mussten, stand für IT-Leiter Werner Klar die Verfügbarkeit beim Wechsel auf Linux im Vordergrund. Solange Windows NT als Grundlage der Installation beim Hersteller von Baubeschlägen für Fenster und Fenstertüren diente, mussten die Server für Wartungsarbeiten, wie das Einspielen von Patches, etwa alle zwei Wochen neu gestartet werden. Diese Pause fällt jetzt alle sechs Monate an, schätzt Klar, da ein Update des Betriebssystems auch im laufenden Betrieb erfolgen kann.
Linux sei im Mainstream angekommen, stellte das Marktforschungsunternehmen IDC im vergangenen Dezember in der Studie "The Linux Marketplace" fest. Deutlich wird die von IDC konstatierte Entwicklung beim Einsatz von SAP auf dem freien Betriebssystem. Ende 1999 veröffentlichte der Softwarehersteller erstmals seine Software für die Linux-Plattform. Seitdem beobachten die Walldorfer eine Verdoppelung der SAP-Installationen auf Linux. Derzeit hält sich der Konzern allerdings bedeckt, was sein Linux-Engagement angeht. Vor zwei Jahren nannte SAP die Zahl von 3700 Firmen, die zu Linux wechseln. Bei zuletzt 70 000 Installationen insgesamt könnte das freie Betriebssystem also demnächst an der Marke von zehn Prozent kratzen.
Auf SAP spezialisierte Beratungshäuser registrieren verstärkt den Trend, die bisherigen Lösungen auf Unix- oder Windows-Basis durch die Umstellung auf Linux abzulösen. Vorab müssen Unternehmen allerdings die strategische Gretchenfrage der Migration klären: Passt Linux in die bestehende Umgebung? Reine Windows-Anwender müssten sich mit dem Gedanken anfreunden, die homogene IT-Landschaft durch ein neues Betriebssystem zu erweitern. Andere Unternehmen hingegen zielen darauf ab, die historisch gewachsene Vielfalt an Betriebssystemen teilweise auf Linux zu konsolidieren - wie etwa die Deutsche Bahn, wo ein Teil der SAP-Installation ebenfalls auf Linux umgestellt wurde.
Die Motive für die Migration sind vielfältig, sagt Stefan Schindewolf, Sprecher des Linux-Arbeitskreises bei der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe: "Die Unternehmen wollen Stabilität, Sicherheit, Transparenz und Flexibilität." Beim Austausch in der Arbeitsgruppe komme sehr viel positives Feedback, so Schindewolf. Neben den Einsparungen für Hardware und Lizenzkosten berichteten viele Anwender zudem von Performance-Steigerungen.
Gutachten fiel für Linux aus
Leicht gemacht hat sich Siegenia-Aubi die Entscheidung für den Umstieg nicht. Etwa ein Jahr lang lief eine SAP-Installation auf Linux als Testsystem parallel zum produktiven Betrieb. Zuerst fiel die Wahl auf die Distribution von Red Hat, doch dann wechselte die IT-Abteilung auf das von SAP zuerst zertifizierte SuseLinux. Bevor das Unternehmen die mit der EuroUmstellung Ende 2002 anstehende Pause nutzte, um auf Linux umzuschalten, erstellte ein Berater zudem ein Gutachten, das zwischen Linux und anderen Betriebssystemen als Grundlage abwog. Seine Empfehlung fiel zugunsten von Linux aus.
Für die Umstellung hat die Firma auf das Know-how der eigenen Techniker vertraut. In Eigenregie haben sie die Applikationsserver aufgesetzt, die Daten unter Windows exportiert und unter Linux wieder einlesen lassen. Um die Wissensbasis im eigenen Haus auszubauen, sorgt das Unternehmen für die Schulung der Mitarbeiter, die wiederum ihren guten Draht zum Linux-Labor von SAP pflegen.
Wie viele andere Unternehmen hatte Siegenia-Aubi erste Erfahrungen mit Linux an anderer Stelle gemacht. Das System kam auf Gateway-Servern, der Schnittstelle zwischen dem hausinternen Netz und dem Internet, zum Einsatz. "Heute setzen wir Linux an den strategischen, sicherheitskritischen Stellen unseres Netzwerks ein", sagt Markus Döhr, der SAP-Linux-Spezialist des Unternehmens. Und natürlich für SAP.
Fünf Applikationsserver mit zwei Prozessoren und ein Datenbankserver mit vier Prozessoren bedienen jetzt die bis zu 800 SAP-Anwender der Firma schneller, als es die alte Installation unter Windows NT je konnte. "Die Kosten für die Intel-Hardware sind geblieben, die Lizenzkosten für Windows waren marginal", wischt Klar die sonst beliebten Argumente für eine Migration beiseite. "Aber wir haben eine höhere Stabilität und bessere Antwortzeiten erreicht."
Es ist ungewöhnlich, die Umstellung nicht mit der Kostenersparnis zu begründen, sondern mit der besseren Leistung des freien Betriebssystems. So kommt IDC in der Studie "Linux Servers Shipping in Many Form Factors to Take On New Workloads" vom Oktober 2004 zu dem Schluss, dass die zunehmenden Wechsel "in Teilen durch das Bestreben der Unternehmen angetrieben werden, ihre Anschaffungskosten für die IT zu senken". Uneins sind sich die Analysten noch darin, was die Gesamtbetrachtung der Kosten angeht. Microsoft sammelte für die Kampagne "Get the facts" verschiedene White Papers, die belegen sollen, dass Unternehmen auf lange Sicht mit Windows günstiger fahren. Diese Einschätzung stützen allerdings die wenigen nicht von Microsoft gesponserten Studien nicht.
Die SAP-Linux-Strategie von Siegenia-Aubi
Unabhängig von diesen Diskussionen hat sich Siegenia-Aubi strategisch auf SAP festgelegt und will, wo immer es möglich ist, Linux als Basis verwenden. Derzeit setzt das Unternehmen SAP-Module unter anderem für Enterprise Resource Planning (ERP), Customer Relationship Management (CRM) und Business Intelligence (BI) ein. Als Datenbank läuft im Rechenzentrum die ursprünglich von SAP entwickelte SAP-DB, die jetzt der schwedische Anbieter MySQL als Open-Source-Projekt unter dem Namen MaxDB pflegt. Der nächste Schritt für die IT kommt mit der Umstellung des Suse-Linux-Enterprise-Servers auf die Version neun. Von der Unterstützung des aktuellen Linux-Kernels erwartet sich Klar einen zusätzlichen Performance-Gewinn. Zudem soll der Datenbank-Server auf die 64-Bit-Plattform des Itanium von Intel wechseln, damit mehr Speicher angesprochen werden kann.
Fehler auf der Betriebssystemebene träten kaum auf, beobachtet Klar. Die entstünden eher auf der Anwendungsseite. Doch Linux sei im Gegensatz zu Windows keine Black Box, wo das System kaum Aufschluss über die Ursachen von Fehlern gebe. "Diese Transparenz erspart uns wiederum Kosten für den Support", sagt Klar.
Zudem steht den Anwendern die Open Source Community unterstützend zur Seite. Über Mailing-Listen tauschen sich Anwender untereinander und mit Entwicklern bei SAP aus. Im deutschsprachigen Raum bildet zudem die Linux-Arbeitsgruppe der SAP-Anwender ein Forum zum Fachsimpeln.
Anwendergruppen helfen
Seiner Beobachtung nach waren die Early Adopters vor allem Unternehmen, die von Haus aus bereits Linux einsetzten. Die ursprünglich 90 Mitglieder der Gruppe wuchsen jedoch relativ schnell auf jetzt 200. Mit den Neuzugängen erweiterte sich auch sukzessive das Spektrum der behandelten Themen, die nach Erfahrungsberichten, wie dem Einsatz verschiedener Datenbanken von Oracle oder IBM, nun auch aktuelle Trends wie Adaptive Computing umfassen.
Dabei zeige sich, dass "Unternehmen, die von Haus aus Unix einsetzen, wenig Probleme haben", sagt Schindewolf. Linux stelle keine speziellen Anforderungen. Doch Schulungen seien notwendig, wenn die Migration aus der Windows-Welt angestrebt werde. Grenzen für den Einsatz von Linux sieht Schindewolf derzeit noch bei großen Installationen, die viel Rechenleistung benötigen. Dem Einsatz auf Systemen mit 16 oder 32 parallelen Prozessoren steht Schindewolf derzeit noch skeptisch gegenüber.
Mittlerweile sei es fast schwer, SAP-Anwendungen zu finden, die nicht auf Linux liefen. "Natürlich würden sich viele Unternehmen ein noch stärkeres Linux-Engagement wünschen", sagt Schindewolf, doch allgemein seien die Anwender mit der Arbeit von SAP zufrieden. Zudem wird der Walldorfer Branchenprimus sein Engagement im Bereich freier Software noch ausweiten. So steht für dieses Jahr auch die Unterstützung der freien Office-Suite Open Office durch die Client-Software von SAP an.