SAPs Ankündigung, dass SAP HANA jetzt auch als Datenbank für die SAP Business Suite verfügbar sei, kam nicht unerwartet. Und doch hat das Unternehmen einen wesentlichen Fortschritt im Kernsystem eingeführt, der neue Möglichkeiten für Prozessinnovation eröffnet - von SAP "Real-time Business" genannt.
Kunden können SAP HANA jetzt als Plattform sowohl für ERP-Systeme (OLTP) als auch für Analytik (OLAP) verwenden - als Alternative zu den relationalen Datenbanken, die seit Jahrzehnten benutzt werden.
Die Folgen für Oracle und IBM
Dies könnte (neben SAP) vor allem Oracle tangieren, deren Datenbank die meisten SAP-Installationen unterstützt. IBM betrifft es auch, aber die potenziellen Auswirkungen auf DB2-Umsätze werden dadurch gemildert, wenn nicht sogar ausgeglichen, dass IBM-Hardware inzwischen die bevorzugte Plattform für HANA ist.
Mit der Freigabe von SAP HANA für den ERP-Betrieb können die Standardmodule der SAP Suite auf SAPs In-memory-Technologie eingesetzt werden. Die SAP-Roadmap sieht vor, dass auch die branchenspezifischen Lösungen, die auf der Suite basieren, für SAP HANA angepasst werden. Dieser schrittweise Entwicklungsansatz stimmt nach Ansicht von PAC mit den Bedürfnissen des Marktes überein: Wir erwarten, dass die Kunden schrittweise zu SAP HANA wechseln werden.
Neues ERP-Preismodell treibt Akzeptanz voran
Kunden, die SAP HANA bisher in Erwägung zogen, haben sich oft vom volumenbasierten Preismodell abschrecken lassen. Ein ERP-Kunde hätte mit SAP HANA bei steigender Datenmenge entsprechend mehr bezahlt. Eine Kernaussage der jüngsten Ankündigung ist, dass das Preismodell jetzt dem einer relationalen Datenbank ähnelt: Der Kunde bezahlt einen Prozentsatz des Softwarevertrages (rund 15 Prozent) für die Datenbank.
Damit verschwindet unserer Meinung nach eines der größten Hindernisse, das bis jetzt einer breiten Akzeptanz von SAP HANA unter ERP-Kunden im Wege stand. Wir denken, dass nun viele Unternehmen prüfen werden, welchen Mehrwert SAP HANA für ihre ERP-Umgebungen bringen könnte. Allerdings erwarten wir nicht, dass viele Kunden sofort zu SAP HANA wechseln. Außerdem dürfte es kaum Kunden geben, die auf einen Schlag ihre gesamten Systeme auf SAP HANA umstellen wollen.
Um SAP HANA einsetzen zu können, müssen Kunden, die die neueste ERP-Version verwenden, ein Erweiterungspaket (Enhancement Package) von SAP installieren. Dies bedeutet keinen großen technischen Aufwand. Aber es bringt Veränderungen in Verwaltung und Betrieb ihrer ERP-Systeme mit sich. Themen für SAP-Kunden, die angegangen werden müssen, betreffen die vorhandene Skills Base, Datenverwaltung, Compliance, Mechanismen für Backup/ Restore, Ausfallsicherheit und vieles mehr.
SAP HANA Suite ist nicht R/4
Um SAPs Co-CEO Jim Hageman Snabe zu zitieren "die SAP HANA Suite ist nicht R/4, aber eine wichtige Innovation im Kern der ERP-Lösung".
Wir hatten die Ankündigung eigentlich schon auf der letztjährigen Sapphire erwartet. Aber es ist eine gute Nachricht für ERP-Kunden, dass SAP sein wichtigstes Produkt zu einem Zeitpunkt erneuert, da es sich in neue Bereiche wie SaaS und Mobility diversifiziert. Wir rechnen mit großem Interesse seitens der Kunden, sich intensiv mit SAP HANA für den ERP-Einsatz auseinanderzusetzen.
Interessanterweise positioniert die SAP HANA als eine Möglichkeit, existierende SAP-Landschaften zu vereinfachen. Aus unserer Sicht gibt es natürlich Funktionen, die eine solche Vereinfachung ermöglichen, aber, ob es tatsächlich so funktioniert, muss sich erst noch zeigen. Wir gehen davon aus, dass Unternehmen damit entstandene Zusatzsysteme und Hilfskonstruktionen eliminieren können, die sie installieren mussten, um Beschränkungen der ERP-Lösungen auf traditioneller Datenbanktechnologie zu überwinden. Aber es bleibt abzuwarten, ob SAP HANA dazu beitragen kann, die Komplexität der SAP-Landschaft zu reduzieren.
Fazit: SAP-Anwender sollten ihre Denkweise umstellen
Wir betrachten die Ankündigung als den Beginn eines längeren Weges. Es wird einige Zeit dauern, die Prozesse der SAP Business Suite für SAP HANA zu optimieren, Geschäftsprozesse und auch Geschäftsmodelle zu erneuern, so dass am Ende tatsächlich "Real-time Business", wie SAP es nennt, dabei herauskommt.
Mit Sicherheit kann man bereits jetzt sagen, dass SAP-Anwender ihre Denkweise und ihr Arbeitsverhalten hin zu einer wirklichen "Echtzeit-Kultur" ändern müssen, um das Potenzial von Echtzeit-ERP voll ausschöpfen zu können.
Frank Niemann, Tobias Ortwein und Philip Carnelley sind Analysten bei PAC.