Sprechen Manager über die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, geht es meist um Dinge wie Arbeitssicherheit, Betriebssport oder eine gesündere Ernährung. Ihr eigenes Verhalten blenden sie fast immer aus.
Ob zu Recht oder zu Unrecht, wollten wir herausfinden. Daher haben wir in einem Automobilwerk mit knapp 2700 festen Mitarbeitern untersucht, wie sich Führungsstile auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken. Das Ergebnis war eindeutig: Eine wenig berechenbare Führung ohne direkten Kontakt zum Vorgesetzten verschlechtert das Wohlbefinden der Angestellten und Arbeiter und erhöht die Zahl der Fehltage.
In der untersuchten Autofabrik hatte dies klare ökonomische Folgen. In dem Werk lag der Krankenstand um knapp 2 Prozentpunkte über dem Branchendurchschnitt. Die Arbeitnehmer fehlten damit im Durchschnitt vier Tage mehr als ihre Kollegen in Unternehmen der Konkurrenz. Ein Tag Abwesenheit kostet den Automobilkonzern rund 300 Euro pro Arbeiter. Multipliziert mit der Belegschaftsgröße ergibt dies einen Millionenbetrag zusätzlicher Kosten pro Jahr.
Nach durchschnittlich vier Jahren Betriebszugehörigkeit gaben die Mitarbeiter an, sich nicht mehr gesund zu fühlen - unabhängig von ihrem Lebensalter. Wie erklärt sich dieser erschreckende Befund? Um dies herauszufinden, haben wir Führungskräfte, den Betriebsrat und den Arbeitsmedizinischen Dienst interviewt. Zusätzlich haben wir die Arbeiter bei ihren Tätigkeiten beobachtet und mehrere Hundert von ihnen befragt.
Gefunden in Harvard Business Manager
Im Zuge unserer Untersuchung stellte sich heraus, dass die Vorgesetzten bis hinunter zu den Meistern in der Produktion den direkten Kontakt mit ihren Untergebenen so weit wie möglich mieden. "Man schwindelt sich so durch", gab ein Meister offen zu. Als Grund für dieses Verhalten nannten die Führungskräfte Zeitmangel. Tatsächlich waren einige von ihnen für 150 Mitarbeiter direkt verantwortlich, im Produktionsbereich gab es sogar eine Abteilung, bei der diese sogenannte Führungsspanne 195 Mitarbeiter umfasste. Eine individuelle Betreuung der Untergebenen war unter diesen Verhältnissen nicht möglich. Das Topmanagement sah dies nicht als Problem an, weil es auf eine stark zahlenorientierte Steuerung des Betriebs setzte.
Als wir die Führungsspannen in den verschiedenen Abteilungen mit dem Krankenstand verglichen, ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang: Je mehr Untergebene ein Vorgesetzter hatte, desto mehr Fehltage gab es. Der in den vergangenen Jahren in vielen Firmen erfolgte Abbau von Hierarchien aus Kostengründen und die seit der Jahrtausendwende immer stärker zu beobachtende - und durch Studien belegte - Abgrenzung zwischen Managern und den Geführten hat also einen deutlich messbaren Preis.
Natürlich war auch die Geschäftsleitung des Autowerks mit den Krankenständen unzufrieden. Doch aus ihrer Sicht war nicht der mangelnde Kontakt der Mitarbeiter zu den Führungskräften die Ursache. Allenfalls könnten die Vorgesetzten deshalb nicht mehr ausreichend kontrollieren, ob ihre Untergebenen wirklich krank seien, meinten die Topmanager. Zu diesem Bild passte, dass die Führungskräfte nur ihresgleichen vertrauten, nicht aber den Arbeitern unterhalb der Meisterebene. Auf diese Mitarbeiter müssten die Vorgesetzten Druck ausüben und sie zur Leistung zwingen, so die verbreitete Sicht. Die Meister selbst sahen ihre Untergebenen nicht so. Zwar glaubten auch sie, dass einige Arbeiter die mangelnde Kontrolle ausnutzten, andererseits räumten sie ein, dass diese unter starken Belastungen und hohem Druck zu arbeiten hatten.
Messbarer Gewinn durch menschlichen Kontakt
Der wahre Grund für die hohen Krankenstände war aber nicht mangelnde Kontrolle, wie unsere quantitativen und qualitativen Analysen ergaben. Stattdessen hatte der fehlende menschliche Kontakt zum Chef einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter.
Denn Untergebene, die mehr Kontakt zu ihren Vorgesetzten hatten, tendierten dazu, sich gesünder zu fühlen. Sie verlängerten bei leichtem Unwohlsein nicht ihr Wochenende durch einen Fehltag, sondern arbeiteten. Sie identifizierten sich auch mehr mit der Firma und wirkten in ihrer Abteilung auf Kollegen hin, bei geringeren Beschwerden nicht vorschnell krankzufeiern.
Als wir der Betriebsleitung mitteilten, dass sich sehr viele Arbeiter offensichtlich nicht angemessen behandelt fühlten, zeigte sie sich gleichgültig. Sie räumte ein, die Mitarbeiter tatsächlich nicht wertzuschätzen - diese sollten einfach ihre Arbeit tun.
Eine detaillierte Auswertung der Krankenstände zeigte, dass die Zahl der Fehltage auch nach der Berücksichtigung saisonaler Effekte stark schwankte. So führte etwa die Ankündigung eines Personalabbaus während einer Bilanzpressekonferenz zu einem starken Rückgang der Fehlzeiten (tatsächlich erfolgten keine Stellenkürzungen).
Doch dieser Effekt hielt nur fünf Monate an. Danach kehrte er sich um, und die Krankenstände stiegen überproportional an. Sie verharrten dann auf dem im Branchenvergleich deutlich erhöhten Niveau. Zudem gaben 87 Prozent von 350 befragten Mitarbeitern an, durch die Gerüchte über Umstrukturierungen wäre es ihnen schwerer gefallen, sich in der Freizeit zu regenerieren und wieder fit für die Arbeit zu werden.
Ein Kommunikationsstil, der mit Drohungen arbeitet und durch das Ankündigen von Entlassungen den Leistungsdruck erhöht, wirkt also nur kurzfristig. Auf Dauer treibt er die Fehlzeiten nach oben.
Der richtige Führungsstil
Unsere Untersuchungen belegen: Der Führungsstil insbesondere der Unternehmensleitung sowie die Intensität des Kontaktes zum direkten Vorgesetzten haben einen signifikanten Einfluss auf die Mitarbeitergesundheit. Manager scheinen diesen Effekt häufig nicht zu sehen oder ignorieren ihn möglicherweise sogar wissentlich. Das ist leichtsinnig. Denn Mitarbeiter können nur dann auf Dauer hohe Leistungen erbringen, wenn sie das Verhältnis zwischen Anforderungen und Belohnungen als fair empfinden und sie die notwendige soziale Unterstützung erfahren.
Harald Stummer ist Assistant Professor an der privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall, Tirol.