Automation mit Hilfe von Blockchain

Smart Contracts in der Lieferkette

27.06.2019 von Stefan Benett
Bislang waren Prozesse im Supply Chain Management zu komplex, um sie zu automatisieren. Smart Contracts auf Basis der Blockchain-Technologie machen es möglich.

Die Blockchain verwaltet als digitales Buchführungssystem Datensätze, Ereignisse und Transaktionen dezentral und gilt dadurch als besonders fälschungssicher. Der prominenteste Anwendungsbereich besteht in der Finanzbranche in Form von Kryptowährungen. Doch auch für Industrie und Handel bestehen Anwendungsbereiche für Blockchains - insbesondere im Bereich Supply Chain Management: Komplexe und stark vernetzte Prozesse und Transaktionen können automatisiert und manipulationssicher dokumentiert werden.

Smart Contracts auf Basis einer Blockchain haben das Potenzial, Transparenz, Effizienz sowie Agilität entlang der Supply Chain zu steigern.
Foto: Visual Generation - shutterstock.com

Ein besonders attraktiver Anwendungsbereich sind autonom agierende Smart Contracts. Smart Contracts sind keine Verträge im klassischen Sinne, sondern programmierte Regelwerke, die auf Basis von Informationen aus der Blockchain automatisiert Entscheidungen treffen. Sie gelten als sicher und transparent.

Weltweite Nachverfolgbarkeit dank Smart Contracts

Das Beispiel eines in Europa ansässigen Rindfleischverarbeiters veranschaulicht die Vorteile von Smart Contracts. Das Unternehmen zeichnet sich durch eine breite Palette hochwertiger Produkte aus, mit einem Fokus auf Qualitätsfleisch aus Südamerika. Die Frischegarantie entlang der gesamten Supply Chain hat oberste Priorität. Zudem fordern Kunden vollkommene Transparenz entlang der Lieferkette und eine gesicherte Herkunft und Güte des Fleisches der mitunter seltenen Rinderrassen.

Die Wertschöpfungskette des Unternehmens verläuft über den gesamten Globus. Während die Beschaffung überwiegend in Südamerika stattfindet, erfolgt der Vertrieb hauptsächlich in Europa. Eigens dafür beauftragte Partner kontrollieren vor Ort regelmäßig die Lieferanten.

Durch Smart Contracts auf Basis der Blockchain-Technologie werden Lieferketten transparent und operative Prozesse automatisierbar.
Foto: INVERTO GmbH

Das Unternehmen konnte im Rahmen der Qualitätssicherung bisher immer nur einen Ausschnitt der Wertschöpfungskette überprüfen. Es war trotz der Partner vor Ort kaum möglich, eine lückenlose und fälschungssichere Rückverfolgbarkeit des Fleisches für jeden einzelnen Transport zu gewährleisten.

Durch Smart Contracts ändert sich diese Situation grundlegend. Denn über QR-Codes oder RFID-Chips lassen sich alle relevanten Daten zu Tier, Haltung, Futter, Züchter, Schlachtung, Transport und Qualität des Fleisches erfassen und in einer für alle Beteiligten einsehbaren Blockchain lückenlos dokumentieren. Im Smart Contract sind alle Richtlinien und Eventualitäten sowie die jeweiligen Folgeschritte hinterlegt.

Das System kann diese automatisch auslösen, wenn eine Bedingung eingetreten ist. Beispielsweise kann es Lieferungen und Finanztransaktionen selbstständig autorisieren oder ablehnen, wenn vereinbarte Sollwerte eingehalten oder verfehlt wurden. Manuelle Zusatzkontrollen entfallen, da sich die Transparenz der revisionssicheren Aufzeichnungen in der Blockchain auf die gesamte Lieferkette erstreckt. Ebenso können die Beteiligten künftig auf fehleranfällige händische Übergaben an den Schnittstellen verzichten.

Auch die Steuerung des Kunden- und Lieferantennetzwerkes lässt sich auf ähnliche Weise optimieren. Setzt ein südamerikanischer Fleischproduzent etwa höhere Preise für seine Ware durch, bedeutet dies für den europäischen Verarbeiter Aufwand durch Nachverhandlungen mit den Abnehmern, um die Marge beizubehalten. Durch die Einführung eines Smart Contracts könnten Preisanpassungen entlang der gesamten Lieferkette automatisch erfolgen.

Ebenso lassen sich weitere Faktoren wie Strafen, Haftungen, Gültigkeitsklauseln oder Preislimits über die Blockchain verwalten und automatisch umsetzen. In einer auf diese Weise nachverfolgbaren Supply Chain können die Verantwortlichen zudem in Echtzeit die Daten einsehen und so Probleme in der Lieferkette direkt erkennen.

Wo heute noch langwierige, diffizile Preisverhandlungen mit aufwändiger Abwicklung die Regel sind, können in Zukunft dank Blockchain-Technologie effiziente Abläufe zum Standard gehören. Für Unternehmen reduziert sich dadurch der Bearbeitungsaufwand bei regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben enorm.

Smart Contracts im Einkauf

Auch Einkauf und Disposition profitieren von Smart Contracts. Beispielsweise können KI-gestütze Systeme selbstständig Nachbestellungen auslösen oder automatisch Lieferanten ausschließen, wenn bestimmte, vordefinierte Ereignisse eintreten wie etwa Probleme mit der Liquidität oder hohe Produktfehlerquoten. Im selben Maße wägt ein Smart Contract in puncto Preisabstimmung unterschiedliche Faktoren basierend auf vorher definierten Gewichtungen ab. Über etwaige Änderungen des Regelwerks entscheiden die beteiligten Organisationen wiederum gemeinschaftlich.

Eine "Einheits-Blockchain" für alle Einsatz-Szenarien gibt es nicht. Je nach individuellen Bedürfnissen der beteiligten Unternehmen sollte die Verwendung der Technologie auf Grundlage einer gemeinsam beschlossenen Strategie erfolgen. Um in die konkrete Ausarbeitung einer solchen Blockchain-Strategie einzusteigen, müssen Ziele, Rahmenbedingungen und Risiken identifiziert werden.

Auch die Analyse von Kosten-, Qualitäts- und Prozessanforderungen sowie die Wahl der geeigneten digitalen Plattform spielen im Vorfeld eine wichtige Rolle. Zentral ist die Einigung auf Bedingungen und Konsequenzen: Hier brauchen alle Akteure Transparenz, müssen Ereignisse, die eine automatische Aktion einleiten, eindeutig definieren und dieser Automatisierung zustimmen. Andernfalls sind Auseinandersetzungen um die Resultate aus dem Smart Contract vorprogrammiert.

Fazit

Durch Smart Contracts auf Basis der Blockchain-Technologie werden operative Prozesse im Supply Chain Management automatisierbar. Smart Contracts speichern relevante Daten wie Preise, Richtlinien, Sollwerte oder Herkunft von Waren dezentral und manipulationssicher. Auf Basis der dezentral verwalteten Informationen lösen geeignete Algorithmen passende Folgeaktionen selbstständig aus. Damit steigern Unternehmen Transparenz, Effizienz sowie Agilität entlang der Supply Chain.