Management

So bekommen Sie Ihren Chef in den Griff

14.04.2014 von Thorsten Giersch
Probleme mit dem Chef sind in Deutschland Kündigungsgrund Nummer eins. Doch ein Firmenwechsel bringt nur selten etwas. Ein Ratgeber enthüllt die "Geheimnisse der Chefs" und zeigt die besten Überlebensstrategien im Büro.
Bestsellerautor Martin Wehrle
Foto: Martin Wehrle

"Viele Chefs führen ihr Auto besser als ihre Mitarbeiter. Kein Wunder, das eine haben sie gelernt, das andere nicht." Mit solchen polemischen Sprüchen spricht ein Buchautor vielen Arbeitnehmern aus dem Herzen. "Geld fließt in Schnapsideen, Nieten werden befördert, Gehaltswünsche abgelehnt und was Chefs beim Motivieren sagen, ist nicht so gemeint." Martin Wehrle gehen solche Aussagen leicht über die Tastatur. Der Bestsellerautor steht für kernige Rateber, die reichlich Hilfe bieten.

Und auch sein Buch "Die Geheimnisse der Chefs" erfüllt die hohen Erwartungen. Denn Wehrle kann mehr als nur draufhauen. Er war früher selbst Führungskraft und weist seinen Lesern eine Alternative, statt nur auf die Chefs zu schimpfen oder sich einfach zu arrangieren.

10 Tipps für den perfekten Chef
Ein perfekter Chef ist offen für andere Wirklichkeiten
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der "perfekte" Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.

Quelle: Perspektive Mittelstand

Ein perfekter Chef ist wirksam
Letztlich geht es um das wesentliche: Der "perfekte" Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Ein perfekter Chef verkörpert Werte
Grundvoraussetzung eines "perfekten" Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Ein perfekter Chef ist fachlich selten der Beste
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der "perfekte" Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Ein perfekter Chef fordert Menschen
Der "perfekte" Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der "perfekte" Chef gibt sich nicht mit dem zweitbesten Ergebnis zufrieden.
Ein perfekter Chef ist Teamplayer
Der "perfekte" Chef sagt und meint "Wir!" und nicht "Ich!" Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Ein perfekter Chef ist Menschenfreund
Eine wesentliche Eigenschaft von "perfekten" Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Ein perfekter Chef verbessert sich ständig
Darin liegt die Größe eines wirklich "perfekten" Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, "jemand zu sein", sondern verstehen sich als "jemand, der wird" und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Ein perfekter Chef ist nicht perfekt
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Ein perfekter Chef macht Fehler
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.

Wehrle zeigt, wie Arbeitnehmer sich ihren Chef zurechtbiegen können. Allein schon die Logik sagt, dass das der bessere Weg ist - schließlich gibt es schlechte Chefs überall und ein Firmenwechsel bringt in der Regel nicht viel. Am Arbeitsplatz geschieht nichts mit dem Mitarbeiter so Wehrle, sondern "Sie lassen es mit sich machen". Was liegt da also näher, als den Chef dahin zu bringen, wo man ihn haben will?

Verständnis ist dafür am wichtigsten. Es gibt nicht einen Weg zum Ziel, denn jeder Chef ist anders. Daher muss der Mitarbeiter wissen, was für ein Typ sein Chef ist. Wehrle identifiziert hier mehrere Varianten:

Wie ehrlich darf man sein?

Auch wenn die Erkenntnis trivial klingt - viele handeln nicht danach: Dem Mitarbeiter hilft nichts mehr als ein starker Chef. Je besser sein Stand, umso besser geht es Ihnen! Lernen Sie ihn also zu verstehen, dann profitiert die gesamte Abteilung, rät Wehrle.

Chefs werden Chefs, weil sie ihre Interessen über die der anderen stellen. Und aus demselben Grund bleiben sie es in der Regel auch. Wehrles Tipp lautet: "Bei allem, was sie Ihrem Chef vorschlagen: Betonen Sie, was er davon hat - Ihr Vorteil interessiert ihn nicht." Ebensowenig sei es ratsam, das Wohl der Firma überzubetonen.

Das Thema Ehrlichkeit ist ohnehin schwierig: "Jeder Schwindel Ihres Chefs wird begleitet von Signalen, die fast so unübersehbar wie eine wachsende Holznase sind", schreibt Wehrle und rät, das Normalverhalten des Vorgesetzten präzise zu studieren und Anweichungen unter Stress umso eher wahrzunehmen.

Ein Vorgesetzter ist in der Regel recht einsam. Druck von oben, Druck von oben und seitlich stehen die Kollegen auf derselben Hierarchie-Ebene, mit denen man sich vergleiche muss. Ohne sich zu sehr einzuschmeicheln: Ein nettes Wort, eine semiprivate Frage, eventuell sogar ein kleines Lob - darüber freut sich jeder Chef sehr.

Der Mitarbeiter kann und sollte etwas dafür tun, dass der Chef nicht die Bodenhaftung verliert. Wehrle rät, ihm Feedback zu geben, welche Auswirkungen seine Entscheidungen haben. Mit einem wenig Geschickt avanciert man so zum wertvollen Ratgeber.

Abhängigkeit ist gegenseitig

Mitarbeiter sollten auch nicht vergessen, dass die Abhängigkeit vom Chef gegenseitiger Natur ist. So sehr wie man den Vorgesetzten braucht, um seine Ziele zu erreichen, so sehr braucht der auch die Mitarbeiter.

Wehrle betont, wie wichtig ein gutes Verhältnis zum Chef ist: "Ob der Chef Sie fördert oder feuert, hängt nicht allein von Ihren Fähigkeiten ab, sondern von der Frage: Stehen Sie hinter ihm oder fallen Sie ihm in den Rücken?" Was sich recht allgemein anhört, definiert Wehrle präzise durch die verschiedenen Typen, als die Vorgesetzte ihre Mitarbeiter wahrnehmen.

Für Schwierigkeiten sorgt zudem der Führungsstil des Chefs. Ob autoritär, demokratisch oder laisser-fair - es gibt keine einheitliche Antwort auf die Frage, welcher der ideale ist. Wer von den klassischen "Management-by-Techniken" á la Management by Results, Participation, Communication, Motivation oder Delegation nicht viel hält, dem rät Wehrle, dennoch das Ideal einzufordern.

Die Hitliste der Chef-Lügen
"Bei mir steigen Teamarbeiter auf"
"Ich würde Ihr Gehalt ja erhöhen - aber das Geld fehlt ..."
"Es fehlt die Stelle, um Sie zu befördern"
"Überstunden sind die Ausnahme ..."
"Wenn Sie gehen, ist die Tür für immer zu!"
Sprechen Sie offen - ich behalt's für mich"
"Mal privat telefonieren oder früher gehen - das stört mich nicht"
"Ich kann Sie rauswerfen, wenn's Ihnen hier nicht passt!"
"Tut mir leid, dafür sind Sie zu alt/jung!"

Tipps für das Kündigungsgespräch

Keine Floskeln
Verwenden Sie keinesfalls Sätze wie: "Es wird schon nicht so schlimm werden!", "Mach Dir keine Sorgen!" oder "Das Leben geht doch weiter!" Floskeln vermitteln dem Gekündigten nur, dass Sie mit seinen Emotionen nicht zurechtkommen. Sie wirken dadurch verunsichert. Ihre möglicherweise gute Absicht Trost zu spenden wird jedenfalls nicht erreicht.

Keine Ausreden
Sagen Sie auch nicht: "Wenn ich hätte wählen können, hätte ich den Müller rausgenommen, nicht Dich!" oder "Was soll ich denn machen? Ich habe das ja nicht entschieden!" So vermitteln Sie nur Hilflosigkeit und verdrehen das Geschehen auf eine fast unlautere Art und Weise: Sie zwingen den Anderen, Sie als "Opfer" mit seinem berechtigten Schmerz zu verschonen. Außerdem müssten Sie damit rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter seinen Gefühlen bei den Kollegen freien Lauf lässt.

Emotionen anerkennen
Gehen Sie nicht lax oder fahrlässig mit den Gefühlen Ihrer verbliebenen Mitarbeiter um! Sparen Sie sich scheinbare Aufmunterungen wie "Ihr könnt Euch freuen, Euch betrifft es ja nicht!" Erkennen Sie stattdessen deren Emotionen an! Es ist für niemanden einfach, wenn Kollegen entlassen werden – die Gefühle bewegen sich von Hilflosigkeit, Scham und schlechtem Gewissen gegenüber den gekündigten Kollegen bis hin zu Sorge und Ärger aufgrund der neuen Mehrarbeit.

Gerüchte vermeiden
Machen Sie grundsätzlich keine Aussagen über anstehende Entlassungen. Falls aber einer Ihrer Mitarbeiter nachfragen sollte, geben Sie ihm kleine Bissen Information. So vermeiden Sie, dass die Gerüchteküche erst richtig brodelt und möglicherweise unter den Mitarbeitern ein Hauen und Stechen beginnt.

Die Wahrheit sagen
Bleiben Sie bei der Wahrheit! Geben Sie den Hinterbliebenen keine anderen Begründungen für die Kündigungen als den Gekündigten. Wenn auch nur einer der entlassenen Kollegen über die wahren Hintergründe spricht, haben Sie Ihr Image nachhaltig geschädigt. Das Vertrauen in Sie als Vorgesetzter ist dann verloren. In so einem fall ist es sehr schwer, eine Mannschaft wieder in die Spur zu bringen.

Wie motiviert man richtig

Zu bedenken ist auch, dass Vorgesetzte oft zu einem Führungsstil gezwungen wird, der seinem Naturell nicht entspricht. Gerade hier rät Wehrle zu Vier-Augen-Gesprächen, um Ihre Sicht der Dinge einzubringen. Dabei sollte der Mitarbeiter nicht vergessen, dass viele Vorgesetzte das Führen von Mitarbeitern eher als eine lästige Pflicht ansehen, die sie von der wahren Arbeit abhält. Umso mehr Hartnäckigkeit brauche man hier.

Und auch mit der Motivation tun sich viele Vorgesetzte schwer. Zwar werden die Chefs von heute immer professioneller geschult, aber dennoch geht laut Studien die Arbeitsmoral immer mehr hinunter. Das liegt auch daran, dass Motivationsmaßnahmen immer mehr als Antwort auf tiefer sitzende Probleme gelten, an deren Lösung man sich heranwagt.

Trotz einer sauberen Fehleranalyse und so mancher nützlicher Hinweise ist dieses Kapitel einer der wenigen Schwachpunkte in Wehrles Buch. Denn wie man Mitarbeiter nun wirklich motiviert oder anders herum als Mitarbeiter dafür sorgen kann, dass der Chef die richtigen Maßnahmen einleitet - das bleibt äußerst vage.

Bibliografie: Martin Wehrle
Die Geheimnisse der Chefs. So bekommen Sie Ihren vorgesetzten in den Griff
Orell Füssli Verlag, Zurück 2012

(Quelle: Handelsblatt)