Tapetenwechsel gefällig? So mancher CIO oder IT-Führungskraft überlegt schon mal, die Firma zu wechseln. Gelegentlich wird seine Stelle auch gegen seinen Willen frei. Ein neuer Job und eine neue Herausforderung muss her. Es hilft zu wissen, wie Unternehmen an IT-Führungskräfte herankommen.
Große Firmen setzen auf den internen Nachwuchs. Zahllose Nachwuchsförderprogramme, Weiterbildungsmaßnahmen und eine hohe Mitarbeiterbindung sollen die Talente im eigenen Unternehmen halten. Idealerweise ist der Nachwuchs bereits vorhanden und die Stelle bleibt nicht lang vakant. Das funktioniert jedoch nicht immer, und so greifen einige Firmen zu ungewöhnlichen Methoden des Recruitings.
Rekrutieren mit Croissants
Selbst die Telekom kann nicht jede Position intern besetzen. Gute Nachrichten für wechselwillige IT-Führungskräfte: "Wir rekrutieren auch außerhalb", sagt Marc-Stefan Brodbeck, Recruiting Leiter bei der Deutschen Telekom AG. Manchmal tut er das mit Croissants: Er stellte sich schon mit französischem Backwerk bewaffnet vor große IT-Firmen, um die Talente direkt an der Tür abzuwerben und für die Telekom zu begeistern. Auch die Telekom spürt den Fachkräftemangel. Das Unternehmen setzt neben dem Backwaren-Recruiting auf andere Formen des Mitarbeiterfangs. "In den letzten zwei Jahren sind wir im Recruiting viel aktiver geworden", sagt Brodbeck. "Wir gehen sehr stark auf Fachleute zu und bewerben uns bei ihnen."
Das geschieht über Online-Portale wie Xing und LinkedIn. Brodbeck rät wechselwilligen Führungskräften dazu, das Profil auf dem neuesten Stand zu halten. Das Anschreiben über diese Kanäle hat für den Telekom-Personaler einen entscheidenden Vorteil: "Wir kommen so mit Leuten aktiv in Kontakt, die gar keine Stelle suchen", so Brodbeck. Hat er keine Bedenken, dass er dabei anderen Firmen die Talente wegschnappt? "Jedes Rekrutieren ist Abwerben", sagt Brodbeck. Im Werben um die geeigneten Fachkräfte kämpft man mit harten Bandagen.
Headhunter nur für sensible Stellen
Mit diesem aktiven Recruiting geht für die Telekom einher, dass sie weniger auf Headhunter setzten: "Wir setzen Headhunter ein, wenn wir kapazitätsmäßig an unsere Grenzen stoßen", sagt Brodbeck. Ist absehbar, dass sich sehr viele Leute auf eine Stelle bewerben, lassen sie die Experten suchen. Die Personalabteilung kann nicht Hunderte von Bewerbungen sichten. Auf Personalberater setzt die Telekom auch, wenn sie ganz gezielt jemanden sucht: "Wenn wir mit einer Ausschreibung nicht auch gleich eine neue Geschäftsidee präsentieren wollen", sagt Brodbeck. Besonders bei sensiblen Positionen wird der Headhunter genutzt.
Klar, dass ein Telekommunikationsunternehmen auf Branchengeflüster hört. Auf Empfehlungen gibt die Telekom sehr viel. "Wir bekommen zehn bis zwölf Prozent Empfehlungen, innerhalb oder außerhalb jemanden einzustellen", sagt Brodbeck. "Das funktioniert sehr gut: 20 Prozent der Einstellungen sind auf Empfehlungen zurückzuführen."
Nur über Netzwerke
Dass Einstellungen über das CIO-Netzwerk funktionieren, dem kann Bernd Hilgenberg, ehemaliger CIO und jetzt Berater, nur zustimmen. "Ich werde oft gefragt, ob ich nicht jemanden kenne, der etwas sucht oder bestimmte Fähigkeiten hat", sagt Hilgenberg. "Sucht ein CIO einen neuen Job, ist es nicht ungewöhnlich, sich im Kreise seiner Kollegen zu erkundigen", berichtet er. Seiner Erfahrung nach ist die Suche über nicht auf CIOs spezialisierte Headhunter eher selten. "Die Suche läuft vielfach über Einzelpersonen, die sehr gut in der IT vernetzt sind", sagt der Ex-CIO der Fressnapf Tiernahrungs GmbH. Die meisten Headhunter haben jedoch keinen oder nur indirekten Zugang zu den CIO-Netzwerken. Das dürfte seiner Meinung nach auch mit einer der Gründe sein, warum CIOs gar nicht so oft von Headhuntern angesprochen werden.
Große Erfolgschancen räumt er den Personalberatern grundsätzlich nicht ein. "Dies liegt daran, dass sich heutige Anforderungen an einen CIO nicht nur auf technologische Fragen, sondern auch auf Prozesse konzentrieren. Man kann als CIO eher schlecht von einer Bank in einen chemischen Betrieb wechseln", sagt Hilgenberg. Das Aufgabengebiet ist durch die horizontale Verantwortung vielfältiger als das anderer C-Level-Manager. Das erschwere auch die Suche nach einem passenden CIO. Dass die grundsätzliche Wichtigkeit der Position des CIO gestiegen ist, macht er daran fest, dass mittlerweile immer häufiger Verschwiegenheitsverpflichtungen im Rahmen von Suchaufträgen den Start von Verhandlungen markieren.
"Wie ein Stück Wild"
Das weiß auch Thomas Hemmerling-Böhmer, jetzt IT-Berater und Vorstand seiner eigenen Firma, früher CIO der Karl Storz GmbH & Co KG. Er bemängelt, dass viele Headhunter nicht wüssten, welche Aufgaben ein CIO zu bewältigen hat. Viele CIOs werden oft nur sehr unspezifisch angefragt. Sein Verhältnis zu Headhuntern ist inzwischen gespalten. "Da wird man wie ein Stück Wild behandelt, das von den Jägern erlegt werden will und das nach dem Halali unwichtig wird", sagt Hemmerling-Böhmer. Er selbst habe nach einer Vermittlung lediglich einen Anruf erhalten mit der Frage, wie hoch das final vereinbarte Gehalt sei. Danach bemisst sich die Prämie des Headhunters. Er selbst sei in mehr als 20 Jahren Berufserfahrung als IT-Führungskraft "häufig" angesprochen worden.
Headhunter sinnvoll bei neuen Wegen
Dennoch will Hemmerling-Böhmer die Sinnhaftigkeit von Personalberatern nicht abstreiten. Manchmal seien sie nötig, wenn die interne Besetzung nicht klappen will. Die funktioniert nicht immer, vor allem, wenn die IT noch klassisch ausgerichtet ist und der CIO die klassischen Aufgaben des IT-Verwalters innehat. Das ist in Ordnung, solange alles so weiterlaufen soll wie gehabt. Stehen aber strukturelle Veränderungen an, hakt die Nachfolgersuche. "Möchte man eine Umbruchsituation herbeiführen, wird oft ein Headhunter für die Stellensuche eingesetzt", sagt Hemmerling-Böhmer.
Recruiting über Interimsmanager
Manchmal läuft das Recruiting auch über ungewöhnliche Wege, etwa über Interimsmanager. Wie im Falle von Bodo Deutschmann, CIO der Eissmann Automotive Deutschland GmbH. Er kam nach der Insolvenz seiner Firma mitten in der Wirtschaftskrise als Interimsmanager zum Autoteilehersteller. "Zwei Wochen später wurde ich gefragt, ob ich bleiben wolle", sagt Deutschmann. Er sieht, wohl bedingt aus seiner eigenen Biographie, Interimsmanager als positiv an. Für ein Unternehmen hat es Vorteile, einen Interimsmanager bei Vakanzen einzustellen: "Das ist schon ein Testarbeiten", sagt Deutschmann. Zwar ein teures - Interimsmanager verlangen sehr hohe Stundensätze -, aber sie seien schnell verfügbar. "Wir fragen immer, ob sich ein Interimsmanager vorstellen kann, bei uns längerfristig zu arbeiten", sagt Deutschmann, dessen Firma das Angebot gern nutzt.
Eigentlich sucht Deutschmann Kollegen über Stellenanzeigen, denn auch Interimsmanager sind nicht seine erste Wahl: "Nur in den seltensten Fällen kann ich eine Führungsposition über eine Ausschreibung besetzen", sagt Deutschmann. Momentan ist der Markt an IT-Experten, die in die Provinz gehen wollen, leer gefegt. Deutschmann bleibt nichts anderes übrig, als mit Personalberatern zu arbeiten. "Ich suche über Headhunter, denn auf dem freien Markt finde ich keine Qualifizierten für unseren Standort." Das liegt vor allem an der Lage des Autoteilezulieferers, der zwischen Ulm und Stuttgart angesiedelt ist. Ein weiteres Problem seiner Firma: Sie ist zu unbekannt.
Kleine Firmen setzen auf Headhunter
Dass sich kleinere Firmen aus diesem Grund an Personalberater wenden, bestätigt Matthias Busold, Personalberater bei Kienbaum. Unbekannte Firmen, die "Hidden Champions" des Marktes, suchen gern über Headhunter. "Derzeit suche ich einen IT-Leiter für ein Pharmazie-Unternehmen, das keiner kennt", sagt Busold. Für solche Firmen sei es oft schwer, passendes Personal zu finden, denn sie haben keinen Markennamen. "Gehen diese Firmen über bekannte Personalberater, wertet das die Firma für den Bewerber auf", sagt Busold.
Weil Personalberater Geld kosten, kontaktieren Firmen sie nur zögerlich: "Personalberater werden oft erst eingeschaltet, wenn die bisherige Suche über das eigenen Netzwerk und Anzeigen nicht funktioniert hat", sagt Busold. Und natürlich, wenn der derzeitige Chef noch nicht weiß, dass er demnächst arbeitslos sein wird: "Wenn die Position noch besetzt ist, werden wir sehr dezent angesprochen", sagt Busold.
Einen wichtigen Tipp hat Busold noch für wechselwillige Führungskräfte: "Leute, die sich von einem Unternehmen weg bewerben, sind meist nicht so sehr interessant", sagt Busold. Man wolle eher Menschen, die sich zu einem Unternehmen hin bewerben.
Branchengeflüster und Vitamin B
Will eine Führungskraft wechseln, sollte er das dezent in seinem persönlichen CIO-Circle kommunizieren. Selbst ein Personalberater arbeitet mit Empfehlungen. "Ich aktiviere mein Netzwerk. Passt ein Kandidat nicht auf eine Stelle, kann er mir aber einen Ex-Kollegen oder Freund empfehlen, der ebenfalls sucht", sagt Busold. Ein Anruf, egal von wem, kann schneller kommen, als man denkt. Ohne Beziehungen geht nichts.