Wenn Chefs versagen

So werden Mitarbeiter demotiviert

11.10.2024 von Christiane Pütter
Unrealistische Ziele, Hickhack innerhalb des Top-Managements – es gibt viele Wege, die Motivation der Mitarbeiter zu ruinieren. McKinsey listet vier davon auf.
Wenn die Unternehmensstrategie fehlt, fehlt den Mitarbeitern oft die Motivation.
Foto: cunaplus - shutterstock.com

"Entfremdete Arbeit ist Arbeit, die einem keinen Spaß macht." So bringt es Eva Hellers Romanheldin Constanze Wechselburger im Buch "Beim nächsten Mann wird alles anders" auf den Punkt. Teresa Amabile und Steven Kramer dürften kaum unter verkapptem Marxismus-Verdacht stehen, sie publizieren für den Unternehmensberater McKinsey. Doch auch sie stellen fest: Unternehmen tun einiges, um Motivation und Inspiration ihrer eigenen Mitarbeiter zu ruinieren.

Amabile ist Professorin an der Harvard Business School, Kramer unabhängiger Forscher und Autor. In ihrem McKinsey-Papier "How leaders kill meaning at work" beschreiben die beiden Experten vier typsiche Fehler in Personal- und Unternehmensführung. Das Papier basiert auf der Auswertung von 868 Tagebüchern, in denen Angestellte verschiedenster Unternehmen ihre Erfahrungen niedergeschrieben haben. Die vier Fehler sind:

1. Die Krämerseele des Mittelmaßes

Nichts demotiviert die Belegschaft mehr als ständiger Sparzwang. Amabile und Kramer führen das Beispiel eines Konsumgüter-Konzerns namens Karpenter Corporation an (der Name ist fiktiv), der binnen drei Jahre unprofitabel wurde – und den schließlich ein kleinerer Konkurrent übernahm.

Im Tagebuch eines Mitarbeiters heißt es: "Mir ist heute klargeworden, dass sich unser Team für die nächsten Monate nur noch um Kostensenken kümmern muss statt um neue Produkte." Wie der Tagebuchschreiber berichtet, habe man jedes Produkt daraufhin untersuchen müssen, wo noch ein paar Pennies eingespart werden könnten. Fazit: Die Mitarbeiter sahen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit. Karpenter verlor einige seiner besten Leute.

2. Strategen mit Konzentrationsmangel

Zu viele Führungsriegen stampfen kurzfristig allerlei strategische Initiativen aus dem Boden – und lassen sie ebenso schnell wieder versanden. Ihnen fehlt die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Ergebnisse abzuwarten, so McKinsey. Dieses Problem verstärkt sich noch, wenn die Firmenspitze intern zerstritten ist.

Ein Mitarbeiter schrieb in sein Tagebuch: "Der Vice President tat seine Meinung kund, welche Produkte am besten zu unserer Konzernstrategie passen und daher priorisiert werden sollten. Tatsächlich aber weiß doch weder er noch sonst irgendjemand, welche Konzernstrategie wir überhaupt verfolgen."

3. "Keystone Kops" regieren die Firma

"Keystone Kops" heißen die tragikomischen Anti-Helden einer US-Stummfilmserie. Es handelt sich dabei um ein Grüppchen übereifriger Polizisten, die ständig im Kreis herumrennen, sich versehentlich gegenseitig eins überziehen und wirklich jedes Vorhaben in den Sand setzen.

Übertragen auf Unternehmen sprechen Amabile und Kramer zum Beispiel von Führungskräften, die mit ihren eigenen Reporting-Strukturen überfordert sind, weil diese zu komplex geraten. Eine Folge davon sind ständige Änderungen auf den letzten Drücker.

Eines der Tagebücher wurde von einem Angestellten geführt, der eine Schnittstellenfunktion zwischen Marketing einerseits und Forschung/Entwicklung andererseits besetzt. Seine Erfahrung: Sein Team und er bekamen widersprüchliche Anweisungen aus den beiden Abteilugen. Außerdem versäumten die Führungskräfte der Marketing-Abteilungen immer wieder entscheidende Team-Meetings.

4. Komplett unrealistische Ziele

Die neue Zauberformel US-amerikanischer Management-Gurus lautet BHAG (bee-hag). Das steht für "big, hairy, audacious goals", als große, haarige, dreiste Ziele. Ein Beispiel dafür liefert Google mit seiner "Mission, sämtliche Informationen der ganzen Welt zu organisieren und universell zugänglich und nützlich" zu machen.

Die beiden McKinsey-Autoren halten davon nichts. Sie gehen davon aus, dass die Mitarbeiter der Firmen mit solcherlei grandiosen Worthülsen nichts anfangen können.

In den ausgewerteten Tagebüchern fanden sie das Beispiel eines Chemie-Unternehmens, das folgendes Ziel vorgab: Jedes Projekt muss ein "innovativer Blockbuster" werden und binnen fünf Jahren nach Projektstart eine Umsatz von mindestens 100 Millionen Dollar jährlich erwirtschaften. Folge: Den Mitarbeitern fehlte die Wertschätzung ihrer tagtäglichen Arbeit. Folglich sahen sie überhaupt keinen Sinn mehr in ihrem Job.

Fazit

Fazit aus Sicht von Amabile und Kramer: Unternehmensspitzen müssen eine klare Firmenstrategie formulieren können, die auf realistischen Einschätzungen beruht. Nur so können sie der Belegschaft auch klare Vorgaben erteilen. Außerdem dürfen Führungskräfte nie die Sicht der Mitarbeiter vernachlässigen. Es ist ihre Verantwortung, für Austausch zwischen Firmenspitze und Belegschaft zu sorgen.

Die eigenen Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragung
Von den eigenen Mitarbeitern kann man viel lernen – wenn man kluge Fragen stellt. Management-Consultant und Buchautorin Anne M. Schüller (www.anneschueller.de) präsentiert eine ganze Reihe an Fragen, mit denen Führungskräfte die Ist-Situation in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern ermitteln können.
Fragen zum Ist-Zustand (I)
Was mir bei uns am besten gefällt, ist: …
Was mir bei uns am meisten fehlt, ist: …
Was sich an meinem Arbeitsplatz konkret verbessern ließe: …
Ich biete an, folgende Aufgaben zu übernehmen: …
Ich biete an, folgende Aufgaben abzugeben: …
Fragen zum Ist-Zustand (II)
Mein größter Wunsch an meine Führungskraft ist: …
Was wir für die Kunden noch tun könnten: …
Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist: …
Was ich Außenstehenden über uns sagen würde: …
Woran ich bei mir selber arbeiten möchte: …
Fragen zum Ist-Zustand (III)
Wobei ich mir Unterstützung wünsche: …
Was mich bewegen könnte, noch lange hier zu bleiben: …
Was ich immer schon mal sagen wollte: …
Was mir besonders am Herzen liegt: …
Was man beim nächsten Mal noch fragen könnte: …
Fragen zur Ermittlung der Mitarbeiterloyalität
Ich kann mir gut vorstellen, noch länger hier zu arbeiten. Und dies, weil ….
Ich spreche mit Dritten (Bekannte, Freunde, Kunden) positiv über uns. Und dies, weil ….
Ich ermutige Interessenten, bei uns Kunde zu werden. Und dies, weil ….
Ich ermutige potenzielle Mitarbeiter, sich bei uns zu bewerben. Und dies, weil ….
Ich tue all dies nicht, weil …
Fokussierende Fragen
Welches sind die drei Dinge, die Sie sich von Ihrem Vorgesetzten am meisten wünschen?
Wenn es eine Sache gibt, die Sie unbedingt übernehmen wollten, was wäre das für Sie?
Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?
Und wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt verändern sollten, was wäre da aus Kundensicht betrachtet das Wichtigste für Sie?
Frage ans Gewissen
"Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"