An einem mittel- bis langfristigen Einzug der SOA-Konzepte in die Unternehmen bleibt letztlich kein Zweifel. Das Versprechen bezüglich mehr Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit auf äußere Veränderungen ist zu stark. Außerdem werden die IT-Hersteller nicht müde, auf die Return-On-Investment-Vorteile hinzuweisen.
Bezüglich der ROI-Frage zeichnet sich ein uneinheitliches Bild ab. Zum einen gibt es ROI-Fallbeispiele der Hersteller von ausgewählten Kunden, die eindeutig Positives aufzeigen. Andererseits muss klar gemacht werden, dass eine Architekturänderung zunächst erst einmal keinen direkten Kostenvorteil erkennen lässt. Erst die längerfristigen Vorteile sollten sich dann auch in positive ROI-Berechnungen umsetzen lassen. Kurzfristige ROI-Erfolge durch Service Oriented Architecture (SOA) erscheinen angesichts der damit einhergehenden Komplexitätszunahme eher an anderen begleitenden Maßnahmen festmachbar zu sein.
Die Einführung eines Enterprise Service Bus oder anderweitigen EAI-Tools, um die Applikations-zu-Applikations-Kommunikation zu optimieren, kann als SOA-Projekt dargestellt werden. Damit gehen positive ROI-Berechnungen aus so einem Projekt auch gleichzeitig auf das Konto von SOA, wenn das Projekt auch unter einer SOA-Flagge stand. Das sind aber nur Punktlösungen, die mit einer umfassenden, durchgehenden Umstellung zur Serviceorientierung nur bedingt etwas zu tun haben. Trotzdem sind solche Einstiegspunkte insbesondere auch für die Hersteller wichtig, um Brückenköpfe zu etablieren und schnelle Erfolge zu demonstrieren. Für die internen Projektleiter ist es genauso wichtig, schnell Erfolge vorweisen zu können. SOA ist schließlich kein Selbstzweck. Wenn die Unternehmen die notwendige Flexibilisierung anders aber nicht erreichen können, wird die Einführung einer SOA schließlich zur Überlebensfrage.
Für viele Hersteller ist schließlich der Umstieg auf eine SOA für die eigenen Produkte erst einmal eine massive Investition. Dabei werden nur bedingt neue Funktionen für die Anwender nutzbar. Vielmehr wird "sozusagen unter der Motorhaube" von großen Applikationssystemen der Motor ausgetauscht. Die starre Software-Struktur der Applikationen wird ersetzt (und dabei häufig neu geschrieben), ohne dass zunächst und primär neue Applikationsfunktionen entstehen.
Mittel- bis längerfristig ergeben sich für die SW-Hersteller natürlich insofern erhebliche Vorteile, indem neue Funktionen und neue Funktionskombinationen wesentlich schneller implementiert und zusammengeführt werden können. Unter diesem Aspekt erhalten die so genannten Composite Applications eine ganz neue Brisanz. Hersteller, die durch das Tal der SOA-Umstellung gegangen sind - und überlebt haben - können sich in Bezug auf die Innovationsrate vom Mitbewerber absetzen. Sie können mit dem "Pfund der Innovation wuchern". Damit ist auch klar, dass die Kunden der Software-Hersteller bei der ersten Umstellung auf eine SOA-basierte Plattform zunächst einmal kaum neue Funktionen erwarten können. Es ist in wesentlichen Teilen ein Technologie-Upgrade. Auf der Basis dieser neuen SOA-Plattform sollte allerdings erwartet werden, dass der IT-Lieferant dann flexiblere Lösungen bei nachfolgenden Upgrades bieten kann.
Insofern ergibt sich ein Nutzen sowohl auf der Hersteller- als auch auf der Anwenderseite. Die Vorabinvestitionen müssen dabei zunächst von den Herstellern getragen werden, die sich diese Investitionen durch Upgrades wieder verdienen müssen. Dieses ist dann die Phase der Investitionen der Anwender. Langfristig profitieren natürlich beide Vertragspartner von der SOA-Umstellung: Der Hersteller kann schneller neue Funktionen liefern, die bei den Anwendern schneller in flexiblere Lösungen umgesetzt werden können, die wiederum eine schnellere Anpassung an neue Marktgegebenheiten ermöglichen.
SOA als Basis für Business Process Management
Allerdings wird daraus auch klar, dass die großen Software-Hersteller derzeit nicht an einer Technologie wie SaaS (Software as a Service) interessiert sein können, da zunächst einmal die Investitionen in SOA-Produktumstellungen verdient werden müssen und ein SaaS-Angebot grundsätzlich den Lizenzeinnahmenverlauf belastet. Längerfristig ergeben sich aber auch für die Software-Hersteller interessante Alternativen zum klassischen Lizenzverkauf wie er heute üblich ist. Die SOA-Umstellung der Produkte ermöglicht und begünstigt letztlich so einem Umstieg im Lizenzkostenmodell.
Es bleibt damit aber die Frage nach den Auswirkungen innerhalb der Unternehmen. Während die Einführung von ERP-Systemen zusammen mit Systemen zur Fertigungssteuerung (Shop-Floor-Control-Systems), Lageroptimierung, Logistikoptimierung, Supply-Chain-Optimierung usw. dazu geführt hat, dass der eigentliche Fertigungsbetrieb und -ablauf stark rationalisiert werden konnte, so können die Auswirkungen von SOA und die damit verbundenen Software-Produkte auch als Rationalisierungsangriff auf die Verwaltungen der Unternehmen verstanden werden. Einer der wesentlichen Punkte von SOA sind Repositories. Sie dienen dazu, Services, die automatisch erbracht werden können, zu erfassen, zu kategorisieren und aufrufenden Services zur Verfügung zu stellen.
Dabei sind zwei Arten von Repositories zu unterscheiden. Zum einen solche, die sich einem aus IT-Sicht unmittelbar erschließen: Repositories für Services, die von Software-Komponenten (oder Services) erbracht werden können. Andererseits sind aber auch solche Repositories in einem erweiterten SOA-Konzept enthalten, die nicht ausschließlich automatisiert ablaufen können, sondern innerhalb von Workflows manuelle Eingriffe benötigen.
SOA steht als Basis für angegliederte Konzepte wie weitgehendes BPM (Business Performance Management als auch Business Process Management). Wenn nun Geschäftsprozesse auf der Basis einer SOA weitgehend automatisiert und mit Hilfe von Business Process Optimization geschickter organisiert werden können, erkennt man, dass eine Optimierung des Ablaufs von manuellen Vorgängen ein wichtiges Ergebnis sein kann.
Fazit
Eine derartige Optimierung, vereint mit selbstlernenden Workflows, wird massive Auswirkungen auf die Anzahl der manuell zu verrichtenden Tätigkeiten in den Verwaltungen haben. Die Anzahl der Mitarbeiter für einfache manuelle Tätigkeiten in den Verwaltungen wird drastisch reduziert werden können. Nur noch komplizierte und komplexe Aufgaben werden die Intervention von qualifizierten Mitarbeitern benötigen.
Damit ergibt sich die Chance, wenn die Mitarbeiter im Unternehmen verbleiben, die Kundeninteraktion zu intensivieren. Allerdings ist auch eine massive Qualifizierungsinitiative erforderlich, die bei den ROI-Berechnungen letztlich auch einfließen müssen. Diesen Schritt scheuen aber die Projektleiter zunächst noch, da sie das positive Bild zunichte machen können. Leider wird hier aber vergessen, welche positiven Auswirkungen eine höhere Kundeninteraktion auf zukünftige Geschäfte haben könnte. Und den Stimmen die sagen "Das ist doch aber gar nicht direkt berechenbar und in einem Business Case kalkulierbar!" müssen wir an dieser Stelle leider überwiegend Recht geben.
Rüdiger Spies ist Analyst und Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC Central Europe GmbH.