Die Digital Natives sind gerade in aller Munde. Gemeint ist die erste Generation, die von klein auf mit den Technologien des digitalen Zeitalters aufgewachsen ist. Computer, die ständige Verfügbarkeit von Internet, Mobiltelefone und E-Mails haben diese Generation von Geburt an geprägt und einen spürbaren Einfluss auf das soziale Zusammenleben der Menschen ausgeübt, angefangen bei der Geschwindigkeit der Kommunikation bis hin zur Verfügbarkeit.
Aber mit den Social Natives steht schon die nächste Generation in den Startlöchern, die Social Media, Smartphones und Tablets selbstverständlich und intuitiv nutzt. Sie wachsen nicht nur mit neuen digitalen Technologien auf, sondern mit der immer verfügbaren Vernetzung. Dementsprechend sind sie ständig online und in sozialen Netzwerken aktiv. Die Art und Weise, wie sie Informationen aufnehmen, verarbeiten, filtern und weitergeben, hat sich im Vergleich zu früher fundamental verändert.
Zudem werden sie mit ihrer Eigenständigkeit und ihrer Erwartungshaltung an den Arbeitgeber, unter anderem bezüglich der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Art und Weise zu arbeiten, die Organisationen auf den Kopf stellen. Diese soziale Dimension, angetrieben durch gesellschaftliche Veränderungen, kommt immer stärker zum Tragen. Für die Social Natives ist somit die komplette Vernetzung selbstverständlich - technisch und sozial.
Viele verschiedene Generationen im Unternehmen
Nur Digital Natives und Social Natives zu vergleichen würde der Generationenproblematik jedoch nicht gerecht. Schließlich treffen die neuen Generationen nicht auf eine homogene Masse von "Älteren", sondern auf mehrere unterschiedliche Generationen, die ihrerseits vor Jahren die Unternehmenskultur verändert haben. Sie alle sind durch unterschiedliche Lebensweisen, Denkmuster und Kommunikationsgewohnheiten geprägt. Zudem lässt sich feststellen, dass die Grenzen zwischen den Generationen verschwimmen, weil sich Gesellschaft und Technologie immer schneller weiterentwickeln und vernetzen.
Das macht es so schwierig für CIOs, Personaler und Geschäftsführer, sich auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzustellen und die richtigen organisatorischen Konzepte zu finden, die Mitarbeiter jeden Alters einbinden. Allerdings geraten gerade die Organisationsstrukturen in Unternehmen unter Druck, und zwar von unten. Denn es ist durchaus möglich, dass hierarchische Strukturen durch den Einfluss der neuen Generationen künftig aufgebrochen werden. Junge Menschen denken weniger in Rangordnung und Berichtswegen, was man mit einer digitalen 68er-Bewegung vergleichen kann. Für sie ist das Leben in Netzwerken entscheidend.
Stellenwert der Vorgesetzten ändert sich
Ihr Kommunikationsverhalten und die Problemlösungsstrategien sind von Grund auf kollaborativ und sozial ausgerichtet. Sie wollen ihr Wissen mit anderen teilen und in Teams zusammen Ideen und Innovationen entwickeln. Dabei interpretieren sie ihre direkte Führungskraft und das mittlere Management weniger als Vorgesetzten, sondern vielmehr als Coach und Mentor.
Dieses Aufweichen von Organisationsstrukturen trägt Züge einer schleichenden Revolution von unten. Diese Revolution muss nichts Negatives sein. Sie kann Unternehmen auch helfen, die großen Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen, Unternehmen müssen schneller, flexibler und innovativer sein als noch vor 20 Jahren, wenn sie ihren Vorsprung vor dem Wettbewerb sichern wollen.
Netzwerkorientiertes und soziales Denken
Netzwerkorientiertes und soziales Denken leistet dabei einen entscheidenden Beitrag. Es macht das Potenzial, welches in den Köpfen der Mitarbeiter steckt, nutzbar: zum einen das fachliche Wissen, zum anderen genaue Kenntnisse über die tatsächlichen operativen Abläufe und deren Schwächen. All das kann viel leichter durch netzwerkorientierte Strukturen zum Vorschein kommen, zum Beispiel durch das aktive Fördern von internem Crowdsourcing. Dies funktioniert allerdings nur, wenn die Unternehmensspitze "oben" die Veränderung ebenso vorantreibt, wie die Basis von "unten".
Natürlich kann eine rein netzwerkorientierte Organisation nicht alle Probleme lösen. Mit den richtigen Technologien fördert sie zwar die Generierung von Ideen, Innovation und die Kreativität. Die Entscheidungen und Maßnahmen müssen allerdings auch umgesetzt und gesteuert werden und dafür braucht man wiederum Hierarchien.
Die Aufgabe der Zukunft lautet also, intelligent zwischen den Organisationsformen Netzwerk und Hierarchie zu wechseln und zu vermitteln und damit die hierarischen Strukturen quasi zu sozialisieren. Das wird aber nur gelingen, wenn beide Organisationsformen nicht in den üblichen Konflikt gehen, sondern in einem hybriden Ansatz miteinander verzahnt werden.
Problem: Angst vor Kontrollverlust
Die Erfahrung allerdings zeigt, dass oftmals nicht die Stärken beider Konzepte vereint werden, sondern der Konflikt zwischen beiden zu einer gewissen Skepsis und Unsicherheit führt. Genährt wird das ganze durch eine hitzige Debatte über den eigentlichen Mehrwert für Unternehmen. Aber warum ist es so schwierig?
Kaum wurden die Baustellen, die von den Digital Natives verursacht wurden, geschlossen und halbwegs passende Konzepte für die Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz auf den Weg gebracht, da bringen diese weitaus gravierenderen Veränderungen alles durcheinander. Die Unternehmen geraten in einen Strudel der Veränderungen, haben Angst nicht mehr mithalten zu können und fürchten, die Kontrolle zu verlieren.
In Folge dessen beginnen Mitarbeiter auf eigene Faust Lösungen für Blogs, Wikis oder zum Austausch von Dokumenten aufzusetzen, was wiederum Wissenssilos fördert. Auch das private iPad oder iPhone lassen sich außerhalb der unternehmenseigenen IT nutzen. Zum Datenaustausch mit Kollegen, Partnern oder Kunden wird schnell die Cloud-Lösung Dropbox verwendet, ein öffentlicher Dienst auf den der CIO keinen Einfluss mehr hat. Dieser "bottom-up"-gelebte Ansatz birgt altbekannte Gefahren wie Wildwuchs in der IT-Landschaft, höhere Sicherheitsrisiken und Verwirrung bei allen Beteiligten.
Wandel ist nicht aufzuhalten
Fest steht, die Revolution von unten wird sich nicht aufhalten lassen. Sollten Unternehmen also nicht möglichst schnell damit anfangen, die Entwicklung ernster zu nehmen? Dies bedeutet die Organisationsstrukturen, die Prozesse und natürlich auch die Mitarbeiter und Manager auf die Veränderungen vorzubereiten.
Dem CIO kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, denn er arbeitet maßgeblich an der Gestaltung des Arbeitsplatzes mit. Allerdings steckt er in einer Zwickmühle, denn er wird etwas Neues tun müssen: Statt Alternativen gegeneinander abzuwägen, zu priorisieren und alles zu kontrollieren, muss er die Dynamik zulassen, vermitteln und verbinden. Um das umzusetzen sollten CIOs folgende Maßnahmen treffen:
5 Maßnahmen für den CIO
1. Die Etablierung eines konsistenten Change Management: Dazu gehört, alle Mitarbeiter auf die Reise mitnehmen - die Jungen und die Älteren.
2 .Eine engere Verbindung zu den Fachabteilungen herstellen: Der CIO soll die Bedürfnisse der Fachabteilungen verstehen und gemeinsam mit ihnen die zentralen Use Cases erarbeiten.
3. Mut zu mehr Agilität: Agile Methoden etablieren, als Reaktion auf sich ständig verändernde Rahmenbedingungen - einfach mal pragmatisch und sozial "machen" ist oftmals besser, als lange zu warten.
4. Organisationsstrukturen sozialisieren: Hierarchien durch soziale, netzwerkorientierte Strukturen stützen und erweitern.
5. Anpassen von Richtlinien: Bestehende Vorgaben müssen an die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen angepasst werden.
Sehen sie ähnliche Entwicklungen auch in ihrem Unternehmen? Welche Erfahrungen haben sie bisher gemacht und welche Maßnehmen ergreifen sie, um die Veränderungen zu bewältigen? Ich freue mich auf eine spannende Diskussion.
Michael Ruckel ist Berater und Social-Media-Experte bei Capgemini.