Die Software AG mit Hauptsitz in Darmstadt, hinter SAP Nummer 2 der deutschen Software-Häuser, strukturiert seine Leitungsgremien neu. Der bisher sechsköpfige Vorstand wird auf vier Personen reduziert. An der Spitze steht nach wie vor als Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Streibich. Ihm zur Seite stehen Arnd Zinnhardt, David Broadbent und Wolfram Jost. Die bisherigen Vorstände Mark Edwards und Ivo Totev ziehen eine Etage tiefer in das neu gegründete Group Executive Board (GEB), das in etwa einem Bereichsvorstand entspricht.
Im Zuge der Umstrukturierungen hat der bisherige Produktvorstand, Peter Kürpick, das Unternehmen verlassen - "auf eigenen Wunsch", wie es in einer Pressemitteilung der Software AG heißt. Seine Position nimmt Wolfram Jost ein, früher bei IDS Scheer in ähnlicher Position tätig. Die Software AG hatte IDS Scheer 2009 übernommen. Nach der Akquise von Webmethods 2007 war das die zweite große Übernahme in der Geschichte des Darmstädter Unternehmens.
Aus Analystensicht ist der Umbau durchaus sinnvoll, meint zum Beispiel Rüdiger Spies von IDC: "Durch die Übernahmen ist der Vorstand, gemessen an der Größe des Unternehmens mit einem Umsatz von einer knappen Milliarde US-Dollar, auf zu viele Köpfe angewachsen."
Durch die Verkleinerung und die Einführung des nachgeordneten Bereichsvorstands sei die Software AG schlagkräftiger geworden und könne schneller auf veränderte Bedingungen reagieren. "Der Umbau steht für schnelle Entscheidungen, und das finde ich richtig", so Spies im Gespräch mit CIO.de.
Zudem sei es für Unternehmen ab einer gewissen Umsatzgröße unverzichtbar, sich neu zu organisieren. "Irgendwann passen dann die alten Organisations- und Führungsstrukturen einfach nicht mehr." Schließlich sei die Verkleinerung des Vorstands eine wichtige Maßnahme, um Software AG (SAG) und IDS Scheer nach der Übernahmen noch weiter zusammen zu bringen.
Eine anspruchsvolle Aufgabe, die für einen der früheren Vorstände, Peter Kürpick, nach Ansicht des Forrester-Analysten Stefan Ried zum Verhängnis wurde. "IDS Scheer und Software AG, das sind so unterschiedliche Kulturen, dass das auch keine leichte Aufgabe ist", meint auch Rüdiger Spies.
Kürpick hat es geschafft, Webmethod zu integrieren
Kürpick, als Chief Technology Officer (CTO) für die Produktlinien der Sofware AG verantwortlich, gehört dem neuen Vorstand nicht mehr an. Und das, obwohl er sich nach Ansicht von Forrester-Analyst Ried bleibende Verdienste um die Integration von Webmethods erworben hat. "Peter Kürpick hat es geschafft, aus Webmethods und aus dem, was bei der Software AG schon vorhanden war, eine integrierte Lösung zu machen", so Ried zu CIO.de.
Zwar sei das nicht ohne Verwerfungen über die Bühne gegangen. Unter anderem hat der frühere Webmethods-Chef Dave Mitchell - und andere mit ihm - nur wenige Monate nach der Übernahme durch die SAG das Unternehmen verlassen.
Aber insgesamt habe Kürpick einen guten Job gemacht, meint Ried. "Er hat keinen Portfolio-Ansatz verfolgt, sondern darauf geachtet, dass die Produkte von Webmethods und Software AG ordentlich zusammen arbeiten und dafür muss man ihn loben." Unterm Strich stehe der nun ausgeschiedene CTO dafür, dass sich die Software AG als international konkurrenzfähiges Unternehmen mit einem konkurrenzfähigen Technologie Stack präsentieren könne. "Das", so Stefan Ried, "ist ganz wesentlich der Verdienst von Peter Kürpick.
Ein Lob kann auch eine schwere Last sein, wenn nicht für Kürpick, dann doch für seinen Nachfolger. Der heißt Wolfram Jost und war früher bei IDS Scheer in ähnlicher Position tätig. Ob ihm die großen Schuhe passen, die Kürpick hinterlassen hat, daran zweifeln beide Analysten. "Das ist für ihn zweifellos eine riesige Herausforderung", meint etwa Rüdiger Spies. "Es ist fraglich, ob er da ohne blaue Flecken durch kommt."
Stefan Ried weist darauf hin, dass Jost bisher ein wesentlich kleineres Portfolio verantwortet hat: "Im ersten Quartal 2009 - vor der Akquise - hatte die Software AG unter Kürpicks Verantwortung einen Produktumsatz von rund 122 Millionen Euro, bei IDS Scheer unter Josts Verantwortung nur 17 Millionen mit den ARIS-Produkten. Und die SAG wächst in diesem Bereich wesentlich schneller als IDS, so dass sich diese Differenz eher noch vergrößert hat." Zwar bringe Jost durchaus einen guten Background aus der Welt mit, aus der er kommt. Ried hält Kürpick mit seiner breiten Erfahrung etwa aus alten SAP-Zeiten dennoch für die bessere Wahl. Aber das ist ja nun Vergangenheit.
Positiv bewertet Ried, dass Jost als Produktverantwortlicher auch im verkleinerten Vorstand vertreten ist. Das sei durchaus als eine Art von Commitment des Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Streibich zu werten. Der setze mit dieser Berufung ein Zeichen für die weitere Integration von IDS Scheer, meint Ried. "Er hätte die Software AG auch als Financial Holding mehrerer Unternehmen organisieren können", so der Forrester-Analyst. "Wenn das passiert wäre, hätte ich den SAG-Kunden empfohlen, sich künftig nach besser integrierten Lösungen umzuschauen". Aber das war dann doch nicht nötig.
Kunden und Systemintegratoren erwarten schnelle Antworten
In diese, von den Analysten als richtig bewertete Richtung erwartet Ried nun vom neuen Vorstand und insbesondere von Jost rasche Initiativen: "Mich als Analyst beunruhigt, dass ich noch keinen konkreten Integrationsplan gesehen habe, wie eine ARIS von IDS Scheer und die Webmethods-Produktlinie der SAG in Zukunft zusammenarbeiten sollen. Die Kunden und Systemintegratoren erwarten hier schnelle Antworten", drängt Ried auf rasche Ergebnisse.
Neben seiner Forderung nach einem transparenten und realistischen Integrationsplan fordert Ried auch eine Rückbesinnung auf das eigentlich erfolgreiche Mainframe-Business der Software AG. "Die Wachstumszahlen dümpeln vor sich hin. Der Bereich ist in diesem Quartal erstmals schwächer, als die Webmethods-Linie", so Ried. "Dennoch stellt eine Vitualisierung des Maninframe-Business eine große Wachstumschance für die Software AG dar."
Und das, obwohl der Mainframe-Markt noch immer wachse - wenn schon nicht in den Stückzahlen, so doch bei den Transaktionen. "Die Software AG hat im Mainframe-Business eine gute Marktposition, aber sie vernachlässigt sie extrem, weil sie hier wenig innovativ ist."
Software AG vernachlässigt das Mainframe-Geschäft
Der Vorwurf geht direkt an Vorstandschef Streibich: Der habe es nicht nur versäumt, auf die neuen Ideen im Mainframe-Bereich zu hören. Mit der Berufung von Jost setze er zudem nun auf einen Mann, der überhaupt keine Erfahrung in diesem Bereich habe. "Wie soll jemand für Innovation in einem Bereich sorgen, der für ihn bisher Neuland ist", fragt sich Ried.
Wie gesagt: Das ein oder andere blaue Auge wird sich Wolfram Jost noch holen, in seinem neuen Job. Die ersten Schwinger kommen, nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt, schon von den Analysten.