Business Software

Software-Monolithen bremsen Unternehmen aus

19.11.2014 von Martin Bayer
Mit ihren klassischen Software-Architekturen stoßen die Anwender an Grenzen. Das Business verlangt mehr Agilität und Flexibilität. Einen Ausweg versprechen Cloud-Lösungen. Gartner-Analysten erklären, warum der Wandel alles andere als trivial ist.

Die Applikationslandschaften in den Anwenderunternehmen stecken im Umbau. Viele IT-Verantwortliche merken, dass sie mit ihren über Jahrzehnte gewachsenen Architekturen an Grenzen stoßen. Aktuelle Herausforderungen, was Agilität und Flexibilität des IT-Unterbaus betrifft, lassen sich mit den heute verbreiteten Business-Software-Systemen kaum noch bewältigen. Zu träge und unbeweglich haben sich die Softwaremonolithen ins Zentrum der IT-Landschaften gepflanzt und werden dort mehr und mehr zu einem Klotz am Bein der Unternehmens-IT.

Der vom Business geforderte Beitrag zu Innovation und Geschäftsunterstützung lässt sich mit diesen Systemen nicht erbringen. Die IT-Chefs stecken nun in einem Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie sicherstellen, dass die vorhandenen Applikationen weiter ihren Dienst tun und funktionieren. Schließlich hängt nach wie vor der Großteil des Geschäfts daran.

Auf der anderen Seite wächst der Druck, die Business-Software-Landschaften so zu modernisieren, dass sie künftigen Herausforderungen gewachsen sind. Unternehmen müssen schnell auf Veränderungen im Geschäftsmodell reagieren und diese in den Systemen abbilden können. Zudem müssen sie den wachsenden Ansprüchen der Nutzer gerecht werden, beispielsweise was den mobilen Einsatz der Software betrifft.

Enterprise-Resource-Planning

IT-Abteilungen sind oft zwischen der alten und der neuen IT-Welt gefangen. Nirgends wird das so deutlich wie bei den Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen. „Die Anforderungen an Agilität und Reaktionsschnelligkeit haben die meist stark angepassten ERP-Implementierungen in eine Sackgasse geführt“, stellte Andy Kyte, Vice President von Gartner, zu Jahresbeginn fest. In der Blütezeit des ERP hätten die Verantwortlichen auf verlässliche und integrierte Systeme hingearbeitet und so lange an den ERP-Lösungen herumgeschraubt, bis diese zu den Anforderungen ihrer Unternehmen gepasst hätten. „Heute muss die Strafe für ein jahrelanges exzessives Customizing gezahlt werden“, konstatiert der Gartner-Analyst.

Die fünf größten Anbieter von ERP-Software im Vergleich 2011 – 2013
Umsatz Deutschland
Marktanteil Deutschland
Umsatz EMEA
Marktanteil EMEA

„Ein System, das nicht flexibel genug ist, um veränderte Geschäftsanforderungen schnell abzubilden, wirkt wie ein Anker, nicht wie ein Segel. Es bremst das Unternehmen, statt es voranzutreiben.“ Laut Kyte wächst in vielen Vorstandsetagen die Sorge wegen der zu starren Business-Software. Die oft stark angepasste und verbogene ERP-Software bewirke die nächste Welle der Legacy-Probleme. Der Analyst erwartet, dass sich Business-Software-Architekturen in den kommenden Jahren massiv verändern werden: „Das Konzept einer einzelnen zentralen ERP-Suite, die sämtliche Geschäftsanforderungen erfüllt, ist tot.“ Die Zukunft gehöre hybriden ERP-Ansätzen, die ein On-Premise-Kernsystem flexibel mit ERP-Modulen und -Funktionen aus der Cloud ergänzten.

Solche hybriden ERP-Umgebungen werden dem Gartner-Analysten zufolge bereits in fünf Jahren die Norm sein. Damit kommen allerdings neue Herausforderungen auf die Unternehmen zu, warnt Nigel Rayner, ebenfalls Analyst bei Gartner. Lose gekoppelte ERP-Suiten aus On-Premise- und Cloud-Modulen würden die IT-Abteilungen vor neue Integrationsherausforderungen stellen. Darüber hinaus sei die Adaption von Cloud-Services kein Garant, dass sich der ERP-Betrieb einfacher beziehungsweise günstiger gestalten lasse.

Viele Unternehmenslenker tappten angesichts der vollmundigen Versprechen mancher Cloud-Anbieter in diese Falle und sähen sich dann mit mehr Aufwand und höheren Kosten konfrontiert – beispielsweise weil internes Know-how aufgebaut, die Integration bewältigt und das komplexere Vendor-Management gemeistert werden muss.

„Man darf nicht davon ausgehen, dass Cloud-Anwendungen auf magische Weise Mehrwert liefern“, warnt auch Kytes und Rayners Kollegin Carol Hardcastle. Gerade für neu zusammengesetzte hybride ERP-Landschaften sei es wichtig, im Zuge von ERP-Investitionen die eigene Strategie und vor allem den jeweiligen Business Case im Auge zu behalten. Das sei in heterogen aus Cloud- und On-Premise-Bestandteilen zusammengesetzten Landschaften nicht immer einfach, räumt die IT-Expertin ein. Ein Bereich, in dem sich Cloud-Anwendungen bereits weitgehend etabliert haben, ist das Customer-Relationship-Management (CRM).

Customer Relationship Management

Hier hat es einen Wachwechsel gegeben. Der langjährige Marktführer SAP musste die Krone das digitale Marketing und Customer-Experience-Initiativen würden den Markt weiter beflügeln. Das Kunden-Management rücke in vielen Unternehmen strategisch in den Mittelpunkt der Aktivitäten. Gerade im härter werdenden Wettbewerb gehe es darum, Bestandskunden zu halten und Neukunden hinzuzugewinnen.

Daher gewinne das Management der Kundenbeziehungen ein stärkeres strategisches Gewicht. Da entsprechende Initiativen oft in den Fachabteilungen initiiert werden, spielen CRM-Lösungen aus der Cloud dort bereits seit Jahren eine wichtige Rolle. Man möchte die Funktionen schnell nutzen können, ohne erst langwierige und teure IT-Projekte mit ungewissem Ausgang betreiben zu müssen.

Gartner zufolge dem Cloud-Herausforderer Salesforce.com überlassen. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der amerikanische Cloud-Pionier einen CRM-Umsatz von fast 3,3 Milliarden Dollar. Das bedeutete ein Plus von über 30 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Jahr. Zum Vergleich: Der zweitplatzierte Anbieter SAP wuchs um 12,7 Prozent und kam 2013 auf CRM-Einnahmen in Höhe von gut 2,6 Milliarden Dollar. Insgesamt setzten die CRM-Anbieter 2013 weltweit 20,4 Milliarden Dollar um. Das waren 13,7 Prozent mehr als im Vorjahr. „CRM wird in den kommenden Jahren den Mittelpunkt vieler digitaler Initiativen in den Unternehmen bilden“, begründet Gartner-Analystin Joanne Correia den starken Anstieg der Ausgaben in diesem IT-Segment.

Investitionen in gingen im vergangenen Jahr 41 Prozent der globalen CRM-Umsätze auf das Konto von Cloud-Lösungen. In Westeuropa sollen Schätzungen der Analysten zufolge in diesem Jahr bereits fast die Hälfte aller CRM-Anwendungen in einem Software-as-a-Service-(SaaS-)Betriebsmodell ausgeliefert werden. Der Umsatz mit Cloud-basierten CRM-Anwendungen soll in dieser Region im laufenden Jahr um 24 Prozent auf 2,3 Milliarden Dollar zulegen. Der Paradigmenwechsel, der im CRM-Bereich längst sichtbar ist, wird sich auch auf andere Business-Software-Segmente auswirken.

Mobile- und Cloud-Technologien verändern die Anwendungen dramatisch, sagt Gartner-Analyst David Mitchell Smith: „Die Architekturen für Enterprise-Applikationen müssen so flexibel wie möglich sein.“ Zum Beispiel Flexibilität und Agilität müssten eine höhere Priorität besitzen als bisher geltende Maßstäbe wie Verfügbarkeit, Stabilität und Sicherheit. Das heiße nicht, dass letztere Faktoren nicht mehr wichtig seien. Nur eben nicht wichtiger als Agilität und Flexibilität. Smith fordert die IT-Verantwortlichen auf, bisher geltende Annahmen und Prämissen auf den Prüfstand zu stellen und die eigene Haltung grundsätzlich zu überdenken.

Man solle sich offener gegenüber zufälligen Entdeckungen zeigen und ruhig auch mal etwas Chaos zulassen. Tatsächlich zeichnet sich ab, dass IT-Verantwortliche mehr denn je bereit sind, sich auf neue Optionen einzulassen. Im Rahmen einer Befragung von weltweit 2300 CIOs hat Gartner festgestellt, dass bereits jeder vierte deutsche CIO Lösungen aus der Public Cloud einsetzt. 70 Prozent der Befragten gaben an, in den kommenden zwei bis drei Jahren ihre Sourcing-Strategie grundsätzlich prüfen und überarbeiten zu wollen. Gründe dafür sind in erster Linie die steigenden Anforderungen.

Trotz sinkender Budgets wachse der Druck, das Business besser zu unterstützen. Veränderungen und Umbrüche spiegeln sich auch in der Anbieterlandschaft wider. Software bleibt der Motor des weltweiten IT-Markts, darin sind sich die Analysten einig. 2013 legte der globale Softwaremarkt im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent auf über 407 Milliarden Dollar zu, so Gartner. Im Ranking der größten Anbieter ließen sich dabei auch die wichtigen aktuellen Trends ablesen.

Beispielsweise schob sich Oracle mit einem Softwareumsatz von fast 30 Milliarden Dollar auf den zweiten Platz. Vor allem Themen rund um Big Data und einen effizienteren Umgang mit Daten hätten dem Konzern Rückenwind gegeben. Neu unter den Top Ten und mit dem stärksten Wachstum unter den weltweit größten Softwareanbietern rangiert Salesforce.com. Der Cloud-Pionier kam auf Rang zehn. „Der Softwaremarkt verändert sich seit Jahren, und die Cloud ist die treibende Kraft dahinter“, sagt Gartner-Analystin Correia. „Ein klares Zeichen dafür ist die Tatsache, dass erstmals ein reiner Cloud-Anbieter in den Top Ten vertreten ist.“