Die Digitalisierung und Transformationen der Geschäftsmodelle bringen etablierte Branchen wie die Automobilindustrie und den Bankensektor ins Trudeln - und ihren Personalabbau teilweise auch in die Schlagzeilen. Am Markt für IT-Spezialisten geht die aktuelle Konjunkturdelle hingegen glatt vorbei: In besonderem Maße gilt das für Softwareentwickler, die laut DEKRA Arbeitsmarkt-Report am zweithäufigsten gesuchten Fachkräfte.
Das ist nicht weiter verwunderlich, befinden sich die meisten Unternehmen doch mitten in der digitalen Transformation, für die IT-Experten unverzichtbar sind: ob es nun um neue Businessmodelle wie Connected Cars, um Omnichannel im Handel oder um Prozessautomatisierung zur Kostenreduzierung geht - oder auch darum, über die Integration von Services oder ganzer Startups neue Ökosysteme zu schaffen. Ohne moderne Software hat heute praktisch kein Geschäftsmodell mehr eine Zukunftsperspektive.
Softwareexperten werden in vielen Branchen gesucht
Gute Softwareentwickler haben demnach die Qual der Wahl, und das Angebot hinsichtlich Arbeitsumfeld und Zusatzleistungen kann sich sehen lassen. Laut DEKRA-Report haben Entwickler auf Jobsuche derzeit vor allem in der IT-Industrie selbst, aber auch im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Elektroindustrie die besten Chancen. An den hohen Anforderungen an die Kandidaten ändert das jedoch nichts; deshalb ist auch der Arbeitsmarkt für Entwickler kein "Wünsch-dir-was". Beide Seiten tun daher gut daran, klare Anforderungen für eine Zusammenarbeit zu formulieren.
Klassische Nerds sind weniger gefragt
Wie diese Anforderungen aussehen, hängt vor allem von der Historie, Struktur und Kultur des Arbeitgebers ab, aber auch von den Prioritäten sowie der Weitsicht des Kandidaten. Die DEKRA-Studie zeigt, dass das Anforderungsprofil in den meisten Unternehmen deutlich über das klassische Programmieren hinausgeht. Gefragt sind unter anderem Wissensvermittlung in Richtung Teams und Kunden, Projektmanagement und Kundenkommunikation.
Das gilt insbesondere dann, wenn Softwareanbieter die so oft geforderte "Customer Centricity" selbst umsetzen und Programmierung, Implementierung und Beratung als Gesamtpaket verstehen, das ein gemeinsames Team von Anfang bis zum Schluss umsetzt. In diesem Fall haben Soft Skills wie die vielbeschworene Teamfähigkeit, Kreativität und Beratungskompetenz mehr als nur reinen Symbolcharakter, sondern sind für das Management erfolgreicher Projekte essenziell.
Hohe Anforderungen trotz des "War for Talents"
Solche Projekte erfordern dann jedoch weniger den klassischen Nerd, sondern einen software-, prozess- und beratungstechnisch sowie kommunikativ versierten Allrounder. Denn vieles spricht für die Annahme, dass sich Entwicklungsleistungen in "teuren" Märkten wie der DACH-Region auf die Dauer nur rechnen, wenn diese nicht als isoliertes Produkt, sondern als Teil einer umfassenden, schnellen und flexiblen Lösung betrachtet werden.
Denn die reine Programmierung kann grundsätzlich auch in Outsourcing-Märkten geleistet werden; entscheidend für dauerhaften Erfolg im Markt sind jedoch die Nähe zum Kunden, der Aufbau einer echten Beziehung im Beratungsprozess und die Schaffung echter Mehrwerte für diesen Kunden.
Diese Nähe zum Kunden - und damit die Expertise zu aktuellen Markt- und Branchentrends - braucht auch der Softwareentwickler, sonst läuft das Unternehmen Gefahr, am Bedarf vorbei zu produzieren oder zumindest Prozesse zu verzögern und zu verkomplizieren. Es ist zudem damit zu rechnen, dass Machine Learning zukünftig die reine Entwicklungsarbeit reduziert. Damit wird der Stellenwert von Kreativität und Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt für Programmierer weiter steigen.
Verständnis für das Zusammenspiel von Technologien
Aber auch auf der rein technischen Seite sollte der Blick über den Tellerrand nach Möglichkeit den Tunnelblick ersetzen. In der Systemlandschaft von Unternehmen sind inzwischen immer mehr Technologien im Einsatz. Wer dem Kunden den oben erwähnten Mehrwert bieten will, muss deshalb Verständnis dafür entwickeln, wie diese Techniken im Verbund funktionieren und wie sich eine Integration darstellen lässt. Zukünftig ist daher bei aller Begeisterung über neue Jobprofile und Spezialisten wie zum Beispiel den Data Scientist eher der Generalist.
Hier sind wir wieder bei der eingangs zitierten Unternehmensstruktur und -kultur: Bei großen Softwareanbietern laufen Entwicklung, Implementierung und Kundenberatung getrennt voneinander, was Entwicklern die Möglichkeit bietet, sich ganz aufs Programmieren zu fokussieren. Derartige Prozesssilos und die unvermeidlich auftauchenden Kommunikationslücken sind jedoch letztlich Ursache zahlreicher Probleme, die nicht nur die Umsetzung von Projekten verzögern, sondern auch viel Frustration beim Kunden sowie den eigenen Teams verursachen.
Denn je mehr Stellen in den Prozess involviert sind, desto langsamer läuft dieser naturgemäß ab - und desto schlechter ist das Ergebnis. Wenn ein Mitarbeiter die Spezifikation schreibt und dann an einen Entwickler weitergibt, der wiederum das Ganze programmiert, entsteht häufig das berühmte "Stille-Post-Syndrom".
Genau diese Silos und den Mangel an Integration bei Lösungen ebenso wie bei der Kundenkommunikation beklagen viele Auftraggeber großer Anbieter und machen nicht selten auch den Mitarbeitern dieser Unternehmen das Leben schwer. Kleinere, agilere Unternehmen sind vergleichsweise schneller am Markt unterwegs und näher am Kunden. Das zahlt sich letztlich für alle Beteiligten aus, vorausgesetzt, alle Beteiligten sind dafür bereit.
Work-Life-Balance, Weiterentwicklung und spannende Projekte
Um für alle Seiten - Arbeitgeber, Kandidaten und vor allem die Kunden des Unternehmens - hohe Qualitätsstandards und ein optimales Ergebnis zu erzielen, ist ein realistisches Erwartungsmanagement gleich zu Beginn der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern wichtig. Dass Arbeitgeber zusätzliche Benefits und ein produktives Arbeitsklima bieten sollten, um kompetente Entwickler zu gewinnen, ist unstrittig.
Aber auch die Kandidaten selbst müssen sich darüber klar sein, wohin die Reise im Markt geht und was ihre Entscheidung für ein Unternehmen für sie persönlich bedeutet: Wer sich für einen Global Player entscheidet, dessen Berufsalltag wird vermutlich eher durch eine klassische Aufgabenteilung (Entwicklung, Vertrieb, Kundenservice etc.) geprägt sein, und in der Konsequenz eben weniger den Allrounder erfordern. Da der Erfolg beim Kunden auf mittelständische Softwareanbieter viel eher durchschlägt, brauchen sie schlagkräftige Teams, in denen die Projektverantwortlichen für Entwicklung, Implementierung und Beratung Hand in Hand arbeiten.
Unternehmen, die so agieren, stellen demnach hohe Anforderungen, haben es aber teilweise leichter bei der Kandidatenansprache. Denn ein gutes Gehalt ist längst nicht mehr der entscheidende Faktor für viele Entwickler. Gefragt sind stattdessen eine gute Work-Life-Balance, persönliche Weiterentwicklung mit gezielter Weiterbildung sowie die Möglichkeit, mit hochmodernen Technologien aktiv an spannenden Projekten mitarbeiten zu können. Eine Arbeit also, die dem Kunden einen echten Mehrwert bietet und damit Sinn stiftet. Wo Arbeitgeber und Mitarbeitende gemeinsam in diesem Geist unterwegs sind, gehen Innovation und Kundennutzen Hand in Hand. Und der gemeinsame Erfolg ist fast garantiert.