Seine Job-Description klingt fürchterlich: CIO in einem dezentralen Unternehmen. Keinen Zugriff auf die Budgets der Landesfürsten. "Geiz ist geil" als Unternehmensmotto. Wolfgang Lux fühlt sich trotzdem wohl als Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding. Das Sagen über die IT haben zwar die Geschäftsführer der Märkte. Das beliebteste Argument aller IT-Laien ("Das krieg‘ ich doch im Media-Markt für 800 Euro") schlage ihm aber nie entgegen, sagt Lux: "Unsere internen Kunden wissen mittlerweile schon, dass der Service das Teuerste ist."
Media-Saturn traditionell dezentral
Lux betreibt mit 300 Mitarbeitern plus einem Outtasking-Anteil von knapp unter 20 Prozent eine IT, die er seinen Kunden nur anbieten kann. Das Erfolgsrezept der 632 Elektrofachmärkte liege darin, dass Kernprozesse zwar zentral angeboten werden, jeder Geschäftsführer seine unternehmerischen Entscheidungen aber selbst treffe. "Das hat Tradition", erklärt Lux und verweist auf die Geschichte des Unternehmens.
1979 gibt das Gründerquartett Helga und Erich Kellerhals, Leopold Stiefel und Walter Gunz in München den Startschuss für Media-Markt. 1990 übernimmt Media-Markt den in Köln ansässigen Mitbewerber Saturn. 1996 erhöht die Metro-Gruppe ihren Anteil an der GmbH auf 70 Prozent, lässt die Elektroläden aber weiterhin frei agieren. Mit diesem Konzept steigerten die Elektromärkte in den vergangenen Jahren ihren Umsatz stets im zweistelligen Bereich. Allein im letzten Jahr sind 64 neue Märkte entstanden. Dabei haben sich die neuen Media-Markt- oder Saturn-Geschäftsführer für die IT-Lösungen aus der Konzernzentrale entschieden. "Noch nie hat ein Geschäftsführer gesagt, dass er gerne ein eigenes Warenwirtschaftssystem entwickeln möchte", sagt Lux.
Natürlich nicht. Geschäftsführer wehren sich nie, wenn sie Einkaufsvorteile oder Skaleneffekte aus der IT mitnehmen können. Und natürlich haben sie auch grundsätzlich nichts gegen Outsourcing. Der Ärger geht traditionell dann los, wenn CIOs Outsourcing-Partner engagieren, die Leistungen nicht erbringen oder Kosten überschreiten - also in 66 Prozent aller Fälle.
Das CIO-Magazin und das Beratungshaus Deloitte haben diese Zahl im Januar 2007 in einer Umfrage mit mehr als 1.000 Befragten ermittelt. Zwei Drittel von ihnen sagen, dass ihr Outsourcing-Partner schon einmal Leistungen nicht erbracht und/oder die Kosten überschritten hat. Jeder fünfte kreuzt an: "Ja, Kosten wurden in erheblichem Umfang überschritten oder Leistungen in erheblichem Umfang nicht erbracht." Nur vier Prozent der Befragten sind positiv überrascht und antworten: "Nein, das Kosten-Leistungsverhältnis ist sogar besser als erwartet."
Wolfgang Lux hält das für völlig normal. Er selbst kreuzt an, dass sich seine Outtasking-Partner schon Versäumnisse in geringem Umfang zuschulden kommen ließen. "Das geht gar nicht ohne", meint Lux, denn die Erwartungshaltung der Anwender ändere sich ja nicht schlagartig, nur weil Teile der IT nicht mehr im Haus gemacht werden. "Das Hey-Joe-Prinzip lebt erst einmal weiter", sagt Lux. "Das dauert, bis die Fachbereiche lernen, ihre Anforderungen so zu formulieren, dass sie nachher nicht enttäuscht sind."
IT-Tochter bleibt zu Hause
Media-Saturn hat zwei große Projekte an externe Dienstleister vergeben, wobei eines dieser Projekte insgesamt fünf einzelne Gewerke umfasst. Services in den einzelnen Filialen sowie die Server in der Zentrale sind an HP gegangen, zuletzt haben die Böblinger die Mail-Systeme in ihre Obhut genommen. Die Netze betreut BT. Entwicklungen kommen von Accenture oder auch von anderen Dienstleistern. Den Einkauf betreut schließlich MGI, die IT-Tochter der Metro Group. Auf die Frage, warum die IT nicht generell von der konzerneigenen Tochter komme, antwortet Lux: "Wir haben gemeinsam mit der MGI sehr genau geprüft, dass diese konkreten und klar definierten Projekte sinnvoller in die Hände von externen Partnern zu geben sind."
Das Verteilen der IT-Aufgaben auf mehrere Dienstleister ist der wesentliche Schlüssel für zufriedene Outsourcing-Kunden. Die Kreuztabellierung zwischen Outsourcing-Umfang und Kosten- und Leistungsverfehlungen zeigt, dass die Komplett-Outsourcer eindeutig im Nachteil sind. Ihre Dienstleister überschreiten die Kosten am häufigsten "in erheblichem Ausmaß" (33 Prozent), während sich die selektiven Auslagerer viel seltener beklagen (14 Prozent, siehe Tabelle 4).
Lars Schwarze, Outsourcing-Berater bei Deloitte, hält dieses Ergebnis für absolut logisch. "Das Komplett-Outsourcing war eine Erscheinungsform der 90er-Jahre. Das haben viele Unternehmen in Hauruck-Aktionen gemacht, weil ihnen die Komplexität der IT einfach über den Kopf gewachsen ist", meint Schwarze. Später räche sich ein solches Auslagern jedoch zwangsläufig. Wer die Probleme mit einem Schwung über den Zaun kippe und dann keine IT-Kompetenz mehr im Haus habe, könne die Lösungen zwar von außen geliefert bekommen, zahle aber irgendwann zu viel Geld dafür. Bei Deloitte beobachte man deshalb kaum noch, dass Kunden Komplett-Outsourcing anstrebten.
Bernd Schäfer, Partner beim Outsourcing-Beratungshaus tpi, bestätigt die abnehmende Zahl von Verträgen über Komplett-Outsourcing. Die generelle Sourcing-Unlust der CIOs begegnet ihm ebenfalls häufig: "Entgegen der landläufigen Meinung fühlen sich viele Unternehmen aber mindestens genauso verantwortlich für ihre eigene Unzufriedenheit wie die Service-Provider selbst." Mangelnde Absprache mit dem Dienstleister werde von den IT-Verantwortlichen durchaus als Problem erkannt. Allerdings fehle es an Wissen darüber, wie die Outsourcer vertraglich zu binden und zu steuern seien. Schäfer stützt sich bei dieser Aussage auf eine tpi-Umfrage aus dem Jahr 2006 unter 40 großen internationalen Auftraggebern.
Kontrolle klappt
Diese deckt sich jedoch nicht mit den Ergebnissen der CIO-Umfrage 2007. Dabei beurteilten 46 Prozent der Befragten ihre Fähigkeit, Outsourcing zu überwachen und zu steuern, als "eher gut". Sieben Prozent sagten sogar: "Sehr gut". Selbst weiche Faktoren sind laut CIO-Umfrage in mehr als der Hälfte aller Outsourcing-Verträge festgehalten. Auch Transparenz über die Verträge ist vorhanden, bei einem Drittel der Befragten sogar vollständig. Nur jeder Sechste sagt: "Unser Vertrags-Management ist eher intransparent. Relevante Informationen sind nur mit Aufwand zu beschaffen."
Bernd Schäfer bestätigt: 61 Prozent der Outsourcing-Einkäufer sagen in der tpi-Umfrage, dass sie der Erstellung des Outsourcing-Vertrags mehr Bedeutung beigemessen hätten als dessen Management. Dass die Verträge in der CIO-Umfrage von den Auftraggebern also als gar nicht so schlecht bezeichnet würden, wundert ihn nicht. Nicht erklären kann Schäfer hingegen ein Paradoxon, das sich in der CIO-Umfrage ganz deutlich zeigt: Einfluss auf die Zufriedenheit des Auftraggebers haben Transparenz und Vollständigkeit von Verträgen nicht.
Wolfgang Lux erklärt das wie folgt: "Sie schaffen es einfach nicht, in Verträgen die künftige Entwicklung der Welt abzubilden." Natürlich seien Kontrakte und der damit verbundene juristische Aufwand wichtig, wie Lux in seinem eigenen Buch "Outsourcing der Datenverarbeitung" ausführlich beschreibt. Anders als in dem Werk von 1997 gibt er sich zehn Jahre später jedoch skeptisch, was die Wirkung von Papier angeht. "Ein guter Vertrag verschwindet im Schrank und wird nur in den seltensten Fällen wieder herausgeholt", sagt Lux. Als Geschäftsführer und CIO der Media-Saturn-Holding GmbH hat er allerdings auch ein viel besseres Mittel, um den Geist des Vertrages mit seinem größten Outtasking-Partner zu leben: Kein anderer Händler verkauft so viele HP-Produkte wie Media-Saturn. "Das verbindet", erklärt Lux.
Wem solch ein Druckmittel fehlt und wer auch nicht glaubt, dass Verträge die Welt besser machen, der setzt auf Monitoring und Kontrolle. "Das ist eindeutig der beste Weg, um böse Überraschungen im Outsourcing zu vermeiden", erklärt Schwarze von Deloitte. Bei der Gestaltung des Fragebogens hat er besonderen Wert darauf gelegt, hier die Feinheiten herauszukitzeln, etwa bei den Service Level Agreements (SLAs).
Tabelle fünf zeigt, dass sie überwiegend etabliert sind, dass CIOs also durchaus wissen, wie Verträge zu gestalten sind. Nur acht Prozent der Befragten antworten, in ihrem Unternehmen seien keine SLAs vorhanden. Zwar werden diese oft nur unregelmäßig (18 Prozent) oder lückenhaft bis gar nicht überprüft (elf Prozent). Immerhin 34 Prozent der Befragten sprechen jedoch von regelmäßigen Überprüfungen. Jeder vierte antwortet sogar, dass die SLAs vollständig und regelmäßig geprüft (25,3 Prozent) werden.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage: Führen Sie zyklische Reviews durch, die Standards, Richtlinien, definierte Service-Kataloge und Trends untersuchen? Antwort: Reviews sind häufig, wenn auch zu 42 Prozent selektiv und nicht zyklisch. Zusammen mit den Antworten "Jedes Jahr" (15 Prozent) und "Ja, mehrmals während der Laufzeit" (28 Prozent) addieren sich die positiven Antworten also immerhin auf 76 Prozent. "Keine Reviews" (elf Prozent) und "Nur am Ende der Laufzeit" (drei Prozent) nehmen sich demgegenüber relativ selten aus.
SLAs und Reviews wirkungslos
Das klingt gut, verblüffend zeigen sich jedoch die Kreuztabellierungen von SLAs und Reviews mit Kosten und Leistungen. Hier kommt es zum gleichen Ergebnis wie beim Monitoring der weichen Vertragsbestandteile: Es besteht überhaupt keine Korrelation zwischen den Variablen. Die besten SLAs haben keinen Effekt auf die Zufriedenheit mit Kosten und Leistung. Mit anderen Worten: Wer regelmäßig und umfassend seine SLAs kontrolliert, ist genauso zufrieden - oder besser: unzufrieden - wie alle anderen Befragten. Selbst die SLA-Ignoranten zeigen sich nicht unzufriedener. Gleiches gilt für die Reviews: Wer umfassend und zyklisch nachfragt, ist auch nicht glücklicher.
Dieses Paradox kann nur eine Ursache haben: Zu hohe Kosten und nicht erbrachte Leistungen fliegen bei umfassendem Monitoring um so öfter auf. Ein solcher Effekt ist bekannt aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg während der Anti-Atomkraft-Demonstrationen: Die Dorfbewohner rund um Gorleben kannten nahezu keine Kriminalität, und die Atomkraft-Gegner brachen die Gesetze auch nur selten. Aber die Hundertschaften gelangweilter Polizisten haben auf einmal jeden Fahrraddiebstahl und jede Rauferei zu Protokoll gebracht.
Statistisch signifikant hängt die Zufriedenheit der IT-Auftraggeber eigentlich nur mit der Klarheit ihrer Anforderungen zusammen. "Wie beurteilen Sie das Anforderungs-Management zwischen Ihrem Fachbereich und der Sourcing-Management-Organisation?", lautete die entscheidende Frage der 2007er-Sourcing-Studie: 54 Prozent antworten effizient oder koordiniert. Seltener werden die Adjektive "träge" (23 Prozent), "intransparent" (neun Prozent) und "lückenhaft" oder "ineffizient" gewählt (16 Prozent).
Die positiven Antworten wirken sich spürbar auf die Zufriedenheit aus. Sind die Anforderungen effizient und koordiniert, sinkt die Unzufriedenheit auf 41 beziehungsweise 59 Prozent. Sind sie lückenhaft und ineffizient, steigt die Unzufriedenheit auf 92 Prozent. Selbst die "Trägen" fangen sich hier 85 Prozent Unzufriedenheit ein. Effizientes Anforderungs-Management kann allerdings nur funktionieren, wenn die richtigen Leute beim Auftraggeber bleiben. "Die müssen Partner-Management betreiben können", gibt Lux zu bedenken: "Der, der vorher eine Abteilung geleitet hat, ist da nicht unbedingt der Richtige."
Eine Million Euro für Umschulung
Um den strategischen Ansatz des Outtasking bei Media-Saturn zu realisieren, hat die Holding eine Million Euro für Personalentwicklung budgetiert. 45 Mitarbeiter werden intern auf neue, teilweise höherwertige Aufgaben geschult. Sie durchlaufen eine Schleife, die sie von Standardaufgaben zunächst zur Betreuung von Applikationen führt. Danach warten die "mission critical"-Projekte, und als nächste Herausforderung können die Mitarbeiter bei innovativen Aufgaben frei von der Tagesroutine mitwirken und damit die Zukunft der IT bei Media-Saturn mitgestalten. So erreiche man schließlich das eigentliche, strategische Ziel, erklärt Lux: Reduzierung des Tagesgeschäfts und mehr Innovationen.
"Bei Expansionen brauchen wir permanent neue Leute, die sich um Innovation kümmern", erklärt Lux seine komfortable Situation. Er leistet sich neben den Innovativen auch fünf Mitarbeiter in seiner Abteilung, die nur die einzelnen Gewerke des Outtasking betreuen und die externen Partner in der Retained Organization führen. Auf sechs Prozent des Gesamtvolumens schätzt er diesen Aufwand: "Aber es wäre mir auch egal, wenn es acht sind. Kosten spielen da kaum eine Rolle", sagt Lux: "Wir wollen unsere Fachkompetenz behalten und ausbauen."