Analysten-Kolumne

Standardisierung und Dimensionierung senken SAP-Kosten

09.04.2008 von Siegward Sanden
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihre ERP-Systeme - als Standard-Software vermeintlich eine weitgehend vorgegebene Größe - vielfältige Ansatzpunkte zur Performance-Verbesserung und Kostensenkung bieten. Im Mittelpunkt steht dabei die unternehmensweite Konsolidierung und Harmonisierung von Prozessen, Applikationen und Ressourcen im Basis- und Anwendungs-Support.
Compass-Geschäftsführer Siegward Sanden: "Die richtige Dimensionierung der Hardware- und Software-Architektur kann die Kosten senken."

Auch die richtige Dimensionierung der Hardware- und Software-Architektur sowie der Einsatz geeigneter Technologien tragen dazu bei, die ERP-Kosten zu reduzieren. Mit weltweit mehr als 46.000 Kunden - davon über 6.000 in Deutschland - bieten vor allem SAP-Lösungen ein enormes Potenzial für Standardisierung und Konsolidierung.

Die Schwäche von ERP-Implementierungen liegt oft darin, dass die vermeintliche "Standardlösung" ihren Namen eigentlich zu Unrecht trägt: Von Standards kann nur sehr bedingt die Rede sein. So gibt es häufig in weltweit tätigen Unternehmen in jeder Geschäftseinheit andere Geschäftsprozesse, an die die Applikationen angepasst werden müssen. Dies erfordert nicht nur ein individuelles Roll-out pro Lokation und damit einen enormen Entwicklungs- und Implementierungsaufwand, sondern setzt sich im Betrieb fort: Wird das ERP-System individuell und dezentral implementiert, ist meist auch der Basis- und Anwendungs-Support nicht zentral organisiert, sondern wird durch jede Business Unit unterschiedlich und individuell betreut.

Der Aufwand und damit die Kosten für eine Aktion im ERP-System lassen sich durch Standardisierung von Prozessen, Anwendungen und Support deutlich senken.

Welches Potenzial Unternehmen damit verschenken, wird deutlich, wenn man erfolgreiche SAP-Installationen betrachtet. Im Schnitt sind nur rund zehn bis zwanzig Prozent der Funktionalität wirklich durch lokale und regionale Besonderheiten bedingt. Der Rest lässt sich mit gutem Willen und dem richtigen Herangehen standardisieren und harmonisieren. Ein Standardisierungsgrad von 80 bis 90 Prozent ist also durchaus erreichbar. Dies wiederum erlaubt ein zentrales Applikations-Management. Die Kostengewinne einer Harmonisierung sind deshalb enorm. So verursacht beispielsweise bei einem SAP-System mit 2.500 Nutzern die individuelle Adaption pro Land durchschnittlich Implementierungskosten von fünf bis sechs Millionen Euro. Mit standardisiertem Templates hingegen fallen nur zehn bis 20 Prozent dieser Kosten an.

Templates treiben Standardisierung voran

Templates sind eines der effektivsten Instrumente, um eine ERP-Landschaft zu standardisieren. Dabei wird für bestimmte Ausprägungen von Prozessen und Anwendungen ein Prototyp entwickelt, der dann beim Roll-out nur noch angepasst werden muss. Damit können wiederholte lokale Neuentwicklungen weitgehend vermieden werden.

Es ist sinnvoll, zunächst die Geschäftseinheiten genau zu analysieren und daraus verschiedene Typen von Templates abzuleiten, die den konkreten Anforderungen der Geschäftsbereiche Rechnung tragen: zum Beispiel Template-Lösungen für große Geschäftseinheiten mit vielen Anwendern oder für kleine Units mit wenigen Anwendern, für Produktionsstandorte mit Lagerhaltung und Logistik oder für Lokationen, die lediglich Vertriebs- und Marketingprozesse aufweisen usw..

Sind die Anwendungsfunktionen standardisiert, kann auch der Support weitgehend als zentraler Shared Service angeboten werden. Er wird dann vor Ort nur noch um (möglichst wenige) regionale Aspekte ergänzt.

Roll-out-Strategien mit individueller Anpassung sind deutlich teurer als solche, die standardisierte Templates nutzen und den Support in einem Shared-Service-Center zentralisieren.

Eine auf einem konkreten Projekt basierende Beispielrechnung zeigt die erheblichen Auswirkungen der unterschiedlichen Implementierungs-Strategien auf die ERP-Kosten: Ein Roll-out mit jeweils individueller Anpassung kostet mehr als 1.200 Euro pro User und Monat. Sie sinken auf rund 1.000 Euro, wenn ein Master-Template entwickelt wird, und sogar unter 600 Euro, wenn zudem der Support als zentraler Shared Service angeboten wird. Diese Verbesserungen treten vor allem deshalb ein, weil in standardisierten Umgebungen eine größere Anzahl von Nutzern mit einem System arbeitet und das Unternehmen dadurch Skaleneffekte nutzen kann.

Grad der Standardisierung austarieren

Bei der Harmonisierung müssen Unternehmen eine doppelte Herausforderung bewältigen: Zum einen sollten sie möglichst wenige lokale Abweichungen zulassen. Verändern beispielsweise die Geschäftseinheiten die zentralen Prozesse und Anwendungen im Rahmen eines Change Management wieder zu 50 Prozent, kann weder von einem Standard die Rede sein, noch ist ein zentraler Support möglich. Die Geschäftsbereiche sollten deshalb so weit wie möglich zentrale Prozesse akzeptieren. Zum anderen muss der Standard natürlich wichtige lokale Anforderungen abbilden. Aber diese dürfen ihn nicht unnötig aufblähen, ihn nicht so komplex machen, dass die Kostenvorteile wieder aufgehoben werden.

Deshalb ist Standardisierung zunächst ein unternehmenspolitisches Thema. So mancher angeblich unverzichtbare lokale Sonderprozess kann ohne weiteres durch organisatorische Veränderung an den Standard angepasst werden. Werden allerdings wichtige Prozesse und Funktionen im harmonisierten Ansatz nicht oder nur teilweise abgedeckt, können eventuell Altsysteme nicht abgeschaltet werden, was wiederum einen hohen Support- und Wartungsaufwand nach sich zieht. Den richtigen Architekturansatz zu wählen ist die Aufgabe zentraler Gremien sowie der Prozess- und Produkt-Manager für Anwendungen. Sie sind auch für den Aufbau eines zentralen Change-Managements verantwortlich, das die zahlreichen Change Requests filtert, priorisiert und bündelt. Änderungen werden über das Template global und zentral, damit nur einmal umgesetzt. Sie stehen dann allen Geschäftsbereichen und Anwendern zur Verfügung.

Je höher der Harmonisierungsgrad, desto größer sind die Potenziale eines gemeinsamen Applikations-Managements. Standards können auf allen Ebenen eingeführt werden: bei den Geschäftsprozessen, bei Stammdaten, Datensemantik und -syntax, auf struktureller Ebene in Form standardisierter Organisationselemente und Nomenklaturen, auf der technischen Ebene - etwa bei Schnittstellen und der Programmierung - sowie im ERP-Produkt selbst und nicht zuletzt bei den Basistechnologien wie Servern und Datenbanken.

Wie hoch die Betriebskosten letztendlich sind, hängt außerdem von den Schnittstellen zu den Legacy- und anderen ERP-Systemen im Unternehmen ab. Sind sie vollständig standardisiert, ist zwar der Aufwand beim ERP-System selbst relativ gering; allerdings müssen dann alle Änderungen des Standards auf Seiten der externen Systeme nachvollzogen werden. Wird umgekehrt jede Schnittstelle neu entwickelt, ist der Implementierungsaufwand naturgemäß sehr hoch. Empfehlenswert ist deshalb eine Systemkopplung mit Hilfe eines Integrations-Layers. Dabei wird zwischen der standardisierten Schnittstelle und den externen Systemen eine zusätzliche Mapping-Schnittstelle eingefügt. Bei Änderung des Standards müssen nur die Mapping-Regeln modifiziert werden, nicht die Systeme selbst.

Eine Standardisierungsstrategie lässt sich nicht nur vor einer ERP-Einführung umsetzen, sondern auch durch Reviews und Harmonisierungsprojekte bei bestehenden Installationen. So wurden in einem Projekt mit 26.000 SAP-Nutzern 36 Applikationen mit unterschiedlicher Ausprägung in den verschiedenen Lokationen auf sieben mySAP-Systeme reduziert. Dadurch wurden die globalen und lokalen Betriebskosten für Anwendungs-Support und Rechenzentrum insgesamt um mehr als 55 Prozent gesenkt.

Auch Architektur prägt Kosten

Um das Potenzial einer ERP-Standardisierung auszuschöpfen, müssen vier Hauptfaktoren betrachtet werden: Governance, Templates, Architektur und Methodik.

Zu einer weiteren Kostensenkung kann die richtige Dimensionierung der Hardware- und Software-Architektur beitragen. Diese hat bei der Implementierung eines SAP-Systems im Durchschnitt einen Anteil von rund 20 Prozent (den Löwenanteil von 80 Prozent der Implementierungskosten verursachen interne und externe Ressourcen während des Projekts); im laufenden Betrieb liegt das Verhältnis bei 30 bis 40 Prozent für die Architektur und 60 bis 70 für Service und Support. Die Dimensionierung hängt oft von der Ausgangslage des Kunden ab. Wurden zum Beispiel aus politischen Gründen vor der ERP-Implementierung die Investitionskosten "niedrig kalkuliert", ist die Architektur oft unterdimensioniert.

Systemkapazitäten müssen schon kurz nach dem Produktionsstart erweitert werden. Viel häufiger ist jedoch der umgekehrte Fall: Der Kunde ist unsicher, was er tatsächlich benötigt, und wird bei der Kapazitätsplanung eher konservativ vorgehen. Besonders externe Service-Provider setzten die Anforderungen an Kapazitäten in der Regel eher höher an, um Risiken im Systembetrieb abzufedern und die Erfüllung vereinbarter Service Level zu garantieren. Die höheren Investitionskosten zahlt der Kunde über den Service-Preis.

Durch Anpassung der Hardware- und Software-Architektur an den tatsächlichen Bedarf können die Kosten reduziert werden. Grundlage ist eine klassische Performance-Analyse von Implementierung, Betrieb und Support. Dabei können unterschiedlichen Betrachtungsebenen im Vordergrund stehen wie Prozesse (Funktionen über die gesamte Systemlandschaft hinweg), einzelne Lösungen (CRM, SCM etc.) oder vertikale Funktionen und Anwendungen für einzelne Branchen. Hier entscheidet die konkrete Kunden-Installation.

Nicht zuletzt hängt es auch von der Wahl der richtigen, auf die konkrete Anforderung zugeschnittenen Tools und Technologien ab, ob und mit welchem Aufwand Unternehmen die Ziele erreichen, die sie mit der SAP-Einführung anstreben. Das betrifft zum einen Basistechnologien - beispielsweise sind die Lizenzkosten für verbreitete Betriebssysteme wie Unix, Open Source und Windows günstiger als für Mainframe-Systeme. Aber auch im SAP-Umfeld können mit einer genauen, kontextbezogenen Analyse und Bewertung die Effektivität und Effizienz der Gesamtlösung beträchtlich optimiert und die Betriebskosten gesenkt werden.

Siegward Sanden ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH in Wiesbaden.