Versicherungskammer

Tobias Müller bricht IT-Silos auf

30.03.2023 von Jens Dose
Die Konzern Versicherungskammer soll agiler werden. Dazu hat IT-Manager Müller ein dreistufiges Change-Programm gestartet.
"In der Transformation ist es wichtig, zu signalisieren, dass sich etwas verändert und jeder mit anpacken muss", sagt Tobias Müller, kaufmännischer Geschäftsführer der IT-Unternehmen des Konzerns Versicherungskammer.
Foto: Konzern Versicherungskammer

"Die Transformation unserer IT ist eine große Aufgabe und umfasst hat alle Bereiche", sagt Tobias Müller, kaufmännischer Geschäftsführer der IT-Unternehmen des Konzerns Versicherungskammer. Der Wandel begann bereits 2017. Müller, damals Vertriebsdirektor des Versicherers, lotete mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus, was IT in Zukunft leisten müsse, um das Geschäft des Unternehmens voranzutreiben.

Laut dem IT-Manager haben sich in den letzten Jahren die Erwartungen an digitale Angebote stark verändert. "Damit musste sich auch das Verständnis innerhalb der Versicherungskammer verändern, was die IT eines Versicherungskonzerns den Kundinnen und Kunden anbieten sollte", so Müller. Nach dem Personalwesen sei IT zu einem der wichtigsten Produktionsfaktoren für Finanzdienstleister geworden. Also müsse sich die IT neu positionieren, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Beta-Organisation als Ziel

"In der Transformation ist es wichtig, zu signalisieren, dass sich etwas verändert und jeder mit anpacken muss", sagt Müller. Um eine kritische Masse für diese Veränderung zu erreichen, braucht es Change-Management.

Für weitere spannende und aktuelle Themen, Strategien und Hintergründe abonnieren Sie hier unsere CIO-Newsletter.

Als Zielmodell hat sich das Management des Konzerns für eine Struktur entschieden, die sich größtenteils an einer Beta-Organisation orientiert. Ziel ist, das Unternehmen dezentral aufzustellen. Es soll künftig schneller auf Marktbedürfnisse und Kundenwünsche reagieren können, als es in zentral gemanagten Strukturen möglich ist.

Eine Beta-Organisation fußt auf zwölf sich ergänzenden Prinzipien.

"Die Belegschaft soll selbst Verantwortung für Themen übernehmen", so Müller. Motivation solle hauptsächlich durch Sinn gegeben werden. Leistung will das Managementteam an Resultaten statt an der Menge der geleisteten Arbeit festmachen.

Damit muss sich auch der Führungsstil ändern. Müller: "Technokratisches Prozessmanagement funktioniert nicht mehr, es geht um persönliche Leadership mit Vorbildfunktion." Die Managementebene müsse zeigen, dass sie es ernst meint und viel erklären. "Kommunikation ist hier der Schlüssel", sagt der Geschäftsführer

Aus diesen Zielsetzungen erarbeitete das Team um Müller ein Programm für die Transformation. Es gliedert sich in drei "Horizonte".

Vom Silo zum Service

Der erste Horizont wurde Anfang Oktober 2019 in die Tat umgesetzt. Er zielt darauf ab, das Denken in IT-Silos, die nur für ihre Geschäftsbereiche arbeiten, in eine Servicebereich-Haltung umzuwandeln. "Wir haben für unsere internen Kunden im Konzern Key-Account-Ansprechpartner eingesetzt, die nachgelagert die Leistungserbringung koordinieren", so Müller. Der Kunde kaufe nur noch fertige Services und müsse sich nicht mehr mit IT-Produkten oder Ähnlichem beschäftigen.

Schwierig dabei war, die Leistungsverrechnungen innerhalb der IT darzustellen, um angefragte IT-Services mit einem korrekten Preis zu versehen. Müller: "Unsere Kunden müssen auf dieser Basis die unternehmerische Entscheidung treffen können: Lohnt sich das oder lohnt es sich nicht?"

Die Top-CIOs der Versicherungsbranche
INTER Versicherungsgruppe
Roberto Svenda ist seit 1. Juli 2023 Vorstandssprecher der INTER Versicherungsgruppe und zuständig für das IT-Ressort.
AachenMünchener
Seit Juni 2014 verantwortet Helmut Gaul die Ressorts Betrieb und IT im Vorstand der AachenMünchener. Er kennt das Haus: schon 1984, kurz nach Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums an der Fachhochschule Köln, kam er zu der Aachener Versicherung. Dazwischen lag lediglich ein Jahr im Außendienst der Colonia Versicherung.
Talanx
Jens Warkentin ist seit Januar 2023 Talanx-CIO. Der Talanx-Finanzvorstand übernahm die Aufgaben von Christopher Lohmann.
ERGO Deutschland
Mario Krause ist seit Anfang 2019 CIO der deutschen IT-Einheiten von ERGO und Vorsitzender der Geschäftsführung der ERGO-IT-Tochter Itergo. Er war zuvor im Vorstand des Versicherungskonzerns Talanx AG in Hannover für IT zuständig und zugleich Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Talanx Systeme.
Helvetia Deutschland
Seit August 2020 ist Andrea Sturmfels als CIO für das Ressort Informatik von Helvetia Deutschland verantwortlich.
ERGO Global
Tomasz Smaczny ist seit Anfang 2019 Vorstandsvorsitzender der Ergo Technology & Services Management und Global CIO für die gesamte IT bei Ergo. Smaczny ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der IT-Tochter Itergo.
Allianz SE
Seit 1. November 2023 hat der Versicherungskonzern Allianz mit Olav Spiegel einen neuen Group Chief Information Officer an Bord. Er folgt auf Ralf Schneider.
AXA Deutschland
Der neue IT-Chef der AXA Deutschland kommt aus den eigenen Reihen. Achim Dahlbokum agiert ab September 2023 als CIO des Versicherers. Der bisherige CIO der AXA Versicherung in Deutschland, Stefan Lemke, verlässt das Unternehmen zum 31. August 2023.
Wüstenrot & Württembergische
Seit Juli 2012 ist Jens Wieland IT-Vorstand der Wüstenrot & Württembergische AG. Gleichzeitig gehört er der Geschäftsführung der W&W Informatik GmbH an, der IT-Tochter der Versicherungsgruppe. Zuvor war Wieland fünf Jahre lang im Vorstand der AXA für das IT-Ressort zuständig.
Zurich Gruppe Deutschland
Seit Januar 2021 ist Jens Becker Head of IT der Zurich Gruppe Deutschland. Er folgte auf Dorothée Appel.
Signal Iduna
Stefan Lemke, CIO von Axa Deutschland, wechselt zum 1. Januar 2024 als IT-Vorstand zur Signal Iduna Gruppe
Debeka
Die Debeka hat eine neue IT-Vorständin. Laura Müller steigt intern auf und folgt auf Roland Weber, der das Unternehmen verlässt.
Alte Leipziger
Seit Januar 2018 ist Udo Wilcsek stellvertretendes Vorstandsmitglied im Alte Leipziger – Hallesche Konzern und für die IT zuständig. Davor war er – seit 2014 – Leiter des konzernweiten Zentralbereichs Betriebsorganisation.
VHV Versicherung
Seit Januar 2022 ist Arndt Bickhoff Generalbevollmächtigter für den Bereich IT bei der VHV Holding.
Sparkassen Versicherung
Der promovierte Mathematiker Thorsten Wittmann übernahm im Januar 2016 die Leitung des Ressorts Leben und IT der SV Sparkassen Versicherung (SV). Dazu gehört auch die IT-Tochter SV Informatik.
Hannover Rück
Jürgen Stoffel ist seit Januar 2013 Managing Director IT/ Group CIO der Hannover Rück SE. Der Diplom-Mathematiker Stoffel war vor seinem Wechsel zur Hannover Rück fünf Monate lang Associate Partner bei IBM IT Management Consulting, arbeitete zwei Jahre lang als Head of Consulting & Projects bei ITERGO und war 13 Jahre beim IT-Beratungsunternehmen Comma Soft AG unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung.
Generali Deutschland
Rainer Sommer übernahm im Mai 2015 als Vorstand der Generali Deutschland Holding die Aufgaben als COO und CIO. Außerdem wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der IT-Tochter Generali Deutschland Informatik Services GmbH.
HUK-Coburg
Daniel Thomas hat seit 2016 die Aufgaben Betriebsorganisation und IT von Jörn Sandig übernommen, der Ende 2015 nach Auslaufen seines Vertrages in den Ruhestand ging.
Swiss Life Deutschland
Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life Deutschland hat Tobias Herwig zum 1. März 2023 die Position des Chief Technology Officer übernommen.
VPV Versicherungen
Jürgen Reinsch ist seit Juli 2010 CIO der VPV Versicherungen in Stuttgart. Seit Januar 2018 ist er CDO und CIO. Vor seinem Wechsel zu VPV war Reinsch zwölf Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen in der W&W Gruppe. Davor arbeitete er in zwei Systemhäusern und als freiberuflicher Berater.
Gothaer
Seit Juni 2016 ist Burkhard Oppenberg Geschäftsführer der Gothaer Systems GmbH, dem IT-Dienstleister im Gothaer Konzern, und CIO des Gothaer Konzerns. Er trat die Nachfolge von Volkmar Weckesser an.
R+V Holding
Mitte Juni 2018 ist Tillmann Lukosch in den R+V-Holdingvorstand berufen worden. Er übernahm die Verantwortung für das Zentralressort Informationssysteme sowie für die digitale Transformation. Lukosch ist Nachfolger von Peter Weiler, der in den Ruhestand ging.
Munich Re
Robin Johnson übernahm im April 2017 in Nachfolge von Rainer Janßen die Leitung des Zentralbereichs Information Technology bei der Munich Re. Johnson war vor seinem Wechsel zu Maersk von 2008 bis 2012 Global CIO beim US-Computerhersteller Dell.
LVM
Marcus Loskant ist seit dem 1. Juli 2019 Mitglied des Vorstands der LVM Versicherung und verantwortlich für das IT Ressort. Dieses beinhaltet die Vorstandsmandate der LVM a.G., LVM Kranken, LVM Leben und LVM Pension - also aller LVM Versicherungen. Zuvor war er Generalbevollmächtiger für das IT-Ressort der LVM Versicherung.
Baloise Group
Der promovierte Umweltwissenschaftler Alexander Bockelmann ist seit Februar 2019 Chief IT Officer (CTO) der Schweizer Baloise Group in Basel. Bockelmann kam von der österreichischen Versicherung Uniqua. Nach beruflichen Stationen bei der Boston Consulting Group und bei Versicherungsunternehmen in Deutschland und den USA wurde er 2013 Head of Group IT bei Uniqua. Seit Mitte 2016 war er dort Chief Digital Officer.
Provinzial Rheinland
Patric Fedlmeier ist seit Januar 2018 Vorstandsvorsitzender des Konzerns Provinzial Rheinland. Er ist seit 2009 im Vorstand, zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für die Ressorts Vertrieb und IT zuständig. Diese Aufgaben behält er.
Mobiliar
Thomas Kühne ist seit Januar 2019 Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung beim Allversicherer Mobiliar in Bern in der Schweiz. Er war davor IT-Leiter bei Zurich Deutschland. Der Informatiker hatte diese Aufgabe im Dezember 2017 übernommen. Zuvor verantwortete er seit 2016 als Bereichsleiter Enterprise Transformation and Services bei der Zurich Gruppe Deutschland alle Shared Services sowie Betriebsorganisation, Real Estate, Einkauf und das Druckzentrum. Seit 2017 war er zugleich auch COO des Direktversicherers der Gruppe DA Direkt.
Viridium
Martin Setzer ist seit April 2018 CIO und Mitglied des Vorstands der Viridium Gruppe. Setzer war davor bis Mitte 2017 Mitglied des Vorstands und COO der Landesbank Baden-Württemberg. Im Anschluss beriet er Unternehmen im Bereich der Digitalen Transformation und übernahm Mandate in Start-ups der Finanzindustrie (Fintechs).
HDI Global SE
Die IT und den Bereich Operations im Vorstand der HDI Global SE führt seit Juli 2018 Thomas Kuhnt. Kuhnt kam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
HDI Lebensversicherungs AG
Zum 1. März 2021 wechselte Dirk Böhme vom IT-Beratungshaus Silbury in den Vorstand der HDI Lebensversicherungs AG. Zugleich wird er Vorstandsmitglied der HDI Systeme AG, dem IT-Dienstleister der Talanx-Gruppe.
Zurich
Seit Frühjahr 2012 verantwortet Claudia Dill als COO (Chief Operation Officer) die IT der Sparte General Insurance beim Schweizer Konzern Zurich. Sie berichtet an Kristof Terryn, den obersten IT-Entscheider des Konzerns.
BayDit AG
Die Versicherungsgruppe die Bayerische bündelt seit Januar 2019 in der "die Bayerische Digital AG" (BayDit AG) ihre digitalen Aktivitäten. Das Unternehmen wird von einer Doppelspitze geführt: Der Vorstand besteht aus Michael Brand (l.) und Thomas Wolf. Michael Brand ist Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Software-Engineering und seit 1990 in der Versicherungs-IT tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Bayerischen IT GmbH. Thomas Wolf, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, war von 2002 bis Oktober 2018 Vorstand der iS2 Intelligent Solution Services AG.
Süddeutsche Krankenversicherung (SDK)
Ralf Oestereich wurde im April 2019 IT-Vorstand der Süddeutsche Krankenversicherung a. G (SDK). Er ist als Vorstand für Informationstechnik für die Bereiche IT-Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb sowie die Betriebsorganisation zuständig.

Mittlerweile kann die IT ihre Leistungen zu 100 Prozent je Servicebereich quantifizieren und verrechnen. Es ist klar ersichtlich, was IT wo leistet und wieviel das kostet.

"So können wir mit den Kunden im Detail diskutieren, wo IT zu teuer oder zu günstig ist, wo investiert und wo erneuert werden muss", erklärt Müller. Man komme weg von Diskussionen wie "die IT müsste mal…". Stattdessen kann der Manager gemeinsam mit seinen Kollegen alle IT-Kosten je Geschäftsfeld, Service und Produkt transparent einsehen und diskutieren, wo Investitions- und Sparpotenziale liegen.

Entwickler-Pools mit dualer Führung

Im zweiten Horizont hat das Team um Müller innerhalb von sechs Monaten die klassische Aufteilung in Bereiche, Abteilungen und Ressorts aufgelöst. Seit Juli 2020 sind die IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Entwickler-Pools organisiert. "Diese Pools haben eine disziplinarische und eine fachliche Führungskraft", erklärt der Manager.

Line-Manager übernehmen die disziplinarische Führung. Sie befassen sich hauptsächlich mit den Kolleginnen und Kollegen selbst, deren Weiterentwicklung, Bedürfnissen und dem Zielemanagement.

Auf der anderen Seite gibt es Produkt- und Serviceverantwortliche, die fachlich zuständig sind. Sie bekommen laut Müller Kapazitäten aus den einzelnen Entwickler-Pools. Anschließend können die Kosten produktgenau weiterverrechnet werden.

"Die Fokussierung auf fachliche und disziplinarische Führung war im Grunde der Kern der Transformation. Dieser Schritt hat der gesamten Organisation signalisiert, dass wir etwas völlig Neues machen, auf das sich alle einlassen müssen", so Müller.

Viel Zeit nahm sich das Führungsteam, um Widerstände gegen die neue Organisation abzubauen. "Wir mussten viel erklären, darstellen, transparent machen und Perspektiven aufzeigen", berichtet der IT-Geschäftsführer Zudem standen zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitervertretern an. Müller: "Das war ein hochgradig mitbestimmungspflichtiger Prozess, weil wir das komplette Führungsmodell geändert und in Rollendefinitionen eingegriffen haben."

11 Tipps für besseres Change Management
Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt.
Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren.
Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite.
Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser.
Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen.
Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen.
Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht.
Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen.
Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen.
Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen.
Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.

Der Aufwand habe sich gelohnt. Laut dem Manager wurde für alle Mitarbeitenden eine für sie passende Funktion gefunden. Den fachlichen und disziplinarischen Führungskräften stand es offen, welchen Weg sie einschlagen wollen. "Das war ein zentrales Versprechen, das wir am Anfang gegeben haben: Wir werden in dem neuen Modell für jede und jeden einen Landeplatz finden."

Hilfreich dabei war, dass die zweigeteilte Führung neue Entwicklungschancen eröffnet. Müller: "Neben dem bisherigen, rein disziplinarischen Karrierepfad hat das Managementteam nun auch einen fachlichen geschaffen, der ähnliche Verantwortungsstufen und Gehaltslevel bietet." So könnten die Kollegen den Weg wählen, der ihren Neigungen am ehesten entspricht.

Des Weiteren wirkt sich die duale Führung laut Müller auch auf die Streitkultur aus. Die Mitarbeiter seien weniger abhängig von ihrer Führungskraft. "Liegt die Führungsaufgabe ganz bei einer Person, kann sie fachliche Diskussionen durch ein disziplinarisches Machtwort beenden. Das ist in unserer neuen Struktur deutlich schwieriger", resümiert er.

Mehr Agilität wagen

Der dritte Horizont dreht sich um neue Arbeitsformen. "Wir kommen aus einer Wasserfall-Welt und diese Arbeitsweise ist auch heute noch valide für eher repetitive Aufgaben ohne große Scope-Veränderungen", sagt Müller. Neue IT-Lösungen dürften jedoch nicht mehr 18 Monate brauchen, bis sie live gehen.

Daher wollte das Managementteam den Beschäftigten zwar nicht vorgeben, wie diese in Zukunft arbeiten. Doch es regt sie an, sich über moderne Arbeitsformen Gedanken zu machen. "Sie sollen sich, unabhängig von der Hierarchie, auf ein Framework-orientiertes Arbeitsumfeld einstellen. Es geht darum, schneller zu werden, die Fachbereiche stärker einzubinden und am Ende das Business-IT-Alignment zu verbessern", so Müller.

Wenn neue Systeme entwickelt werden, arbeitet die Versicherungskammer-IT nun mit agilen Frameworks. Müller: "Wir haben mit SAFe sowie Nexus gearbeitet und in einem geschützten Raum mit überschaubarem Risiko alternative Arbeitsformen erprobt."

Rigide Regeltreue zu den jeweiligen Frameworks ist laut dem Manager jedoch der falsche Weg und drückt sogar die Effektivität. "Wir setzen keines der beiden Frameworks in Reinform ein, arbeiten aber mit Release-Trains und Scrum-Teams."

Die Teams entscheiden selbst, wie sie am besten ans Ziel kommen und passen die Vorlagen an ihre Anforderungen an. Müller: "Wenn die Kolleginnen und Kollegen sich ihren eigenen Weg suchen, hat das meistens Vorteile."

In der cross-funktionalen Zusammenarbeit mit den Fachbereichen setzt der IT-Manager auf klares Feedback. Sein Team hat gemeinsam mit den Business Units Kennzahlen erhoben, die als Indikatoren für den Erfolg der Transformation dienten: "Wir haben Services- und Produktdialoge eingeführt und beobachtet, wie sich die Leistungswahrnehmung der Kunden verändert."

Zeitweise knirschte es auch im Getriebe. "Wir mussten viele Prozesse anpassen. Am Anfang gab es Ineffizienzen und kleinere Dinge sind uns auch mal nicht gelungen", so Müller. Das ließ die IT jedoch nicht unter den Tisch fallen, sondern brachte es mit den Fachbereichen zur Sprache. Wurden SLAs nicht eingehalten, gab es keine Ausreden, sondern die IT erkannte an, dass noch mehr zu tun ist, um das Leistungsversprechen einzuhalten. "Diese Offenheit hat das Verhältnis mit unseren Kunden sehr verbessert", resümiert Müller.

Führung im Team

"Die wichtigste Frage war, wie wir aus dem Topmanagement heraus Glaubwürdigkeit ausstrahlen und selbst Verantwortung übernehmen" sagt der IT-Manager. Daher tritt die IT-Führung der Versicherungskammer ebenfalls als Team auf.

Das Top-Management der IT hat ein Managementteam gebildet. "Wir haben uns eigene Zuständigkeitsbereiche geschaffen mit Aufgaben und Rollen, sind aber kollektiv dafür verantwortlich," so Müller. Das Auftreten als Managementteam der IT habe klar gemacht: Es gibt keine Silos mehr, sondern eine IT, die gemeinsam für alle steht.

Ethische Führung als Bestandteil moderner Unternehmenskultur
Wie Führungskräfte ethische Werte und Leitbilder vermitteln
Autoritärer und rücksichtslos an Profit orientierter Führungsstil stößt bei Arbeitnehmern zunehmend auf Unverständnis. Arbeitgeber und ihre Führungskräfte sind deshalb unter den Gesichtspunkten Mitarbeiterbindung und -motivation gut beraten, ihre Unternehmenskultur schnellstens auf Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichberechtigung, Identifikation und technischen Fortschritt auszurichten und ihren Beschäftigten diese Werte glaubhaft durch eine ethische Führung vorzuleben.
Grundwerte definieren
Überlegen Sie, welche Grundwerte und Moralvorstellungen Ihr Unternehmen vertritt. Definieren und entwickeln Sie Grundwerte, die für Ihr Unternehmen zählen. Wie verhalten Sie sich und wie Ihre Mitarbeiter? Entspricht das Verhalten den Grundwerten?
Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragungen vermitteln ein aussagekräftiges Meinungsbild der Angestellten.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Zeigen Sie ihren Mitarbeitern, dass sie auch im privaten Umfeld ethisch und moralisch handeln und ihre Werte vertreten. Kommunizieren Sie offen, was das für Sie bedeutet.
Vertrauensbasis schaffen
Vertrauen Sie ihren Mitarbeitenden und kommunizieren Sie, dass Sie umgekehrt ebenso Vertrauen erwarten. Geben Sie ihren Mitarbeitern nicht das Gefühl, dass Sie sie kontrollieren, vor allem dann, wenn es in den persönlichen Bereich eingreift.
HR-Technologie optimieren
Durch Plattformen für Employee-Self-Service und Management-Self-Service werden die Aufgaben für HR-Abteilungen vereinfacht. Außerdem werden durch die Nutzung diese HR-Technologien der transparente Umgang und die Kommunikation mit den Mitarbeitern gefördert.

Themen für das Führungsteam kommen etwa aus Mitarbeiterbefragungen, beispielsweise die neuen Karrierepfade. Hier erarbeitete das Management mit Kollegen aus den Fachabteilungen neue Modelle. Müller: "Die hatten dann auch nicht den Touch, dass sie 'von oben' kommen, sondern wurden aus der Belegschaft für Kolleginnen und Kollegen entwickelt."

Über Performance sprechen

Um herauszufinden, ob die neue Organisation in die richtige Richtung geht, setzt Müller auf Performance-Dialoge. Das bedeute, sich fachlich und disziplinarisch über Ziele, Erwartungen und Resultate auszutauschen. "Ein Transformationsprozess funktioniert dann nachhaltig, wenn man klar macht, was gewünschte Verhaltensweisen und Ziele sind und woran noch gearbeitet werden muss", urteilt der Manager.

"Bei allen agilen Formen muss man diesen Dialog über die Performance immer wieder führen", sagt Müller "Menschen verändern Organisationen, nicht IT-Tools oder Prozesse. Wir wollen Charaktere, die sich nicht hinter Prozessen verstecken, sondern Verantwortung übernehmen."

Das Management müsse diese Haltung vorleben, so Müller. Es müsse verstehen, dass es für die Mitarbeiter da ist. Es räume Probleme aus dem Weg, damit die Ziele erreicht werden.

Diese Haltung zahlt sich aus. Laut Müller hat das Unternehmen bereits bei Vielem den gesteckten Zielzustand erreicht. "Bei einigen Themen sind wir noch auf dem Weg der Umsetzung. Transformation ist nie ganz abgeschlossen. Es geht immer weiter" sagt er. Daher dürfe auch das Engagement des Managements nicht abnehmen.

Mindestens 50 Prozent ihrer Zeit sollten Führungskräfte laut Müller in die Transformation stecken. Sie müssten erklären, Transparenz schaffen und sich mit Führung und Leadership der Kollegen befassen: "Nur so können wir die schnellen Veränderungen in einem komplexen Umfeld in den Griff bekommen."