"Arbeite am Flughafen München." "Mache Urlaub". "Plane das neue Budget." Solche und ähnliche Kurznachrichten tauschen die Nutzer von Twitter, Jaiku, Rejaw und anderen SMS-Kommunikationsplattformen zu Zehntausenden untereinander aus. Bei diesen Diensten kann man Kurzmitteilungen einer Vielzahl von Anbietern abonnieren, die online oder mit mobilen Geräten empfangen werden. Diese Mischung aus Blog, SMS und Chat nutzen inzwischen auch sehr viele Geschäftsleute. Das sagt der Gartner-Analyst Jeffrey Mann, zuständig für Social Software Collaboration, der gemeinsam mit seinen Kollegen dafür gesorgt hat, dass die Technologie zum ersten Mal im bekannten Gartner Hype Cycle auftaucht.
Microblogging ist nicht mit Instant Messaging zu vergleichen, sondern ähnelt mehr dem Rundfunk, stellt Berater Mann fest. Dabei kann der Nutzer seine Gedanken zu eigenen Aktivitäten oder zu bestimmten Themen in Kurzform äußern. Die Nachrichten können dann von anderen ganz einfach abonniert werden. In großen, verteilten Teams können diese Updates per Handy, zusätzlich zu den bestehenden, einen weiteren Kommunikationskanal bilden. Mit einem eigenen Konto kann man sich bei anderen als "Follower" definieren und sich so einen Botschaften-Mix zusammenstellen. Die SMS lassen sich genauso im Internet lesen und schreiben; auch mit Programmen von Dritten kann der Nachrichtenfluss gelesen und gefüttert werden.
Der Empfang auf dem Handy verursacht in der Regel keine Kosten. In Europa hat Twitter zwar vorerst den Versand per SMS gestoppt und verhandelt mit Providern über den kostenlosen Versand. Nicht betroffen ist der Empfang in den USA, Kanada und Indien. Twitterer können aber andere Möglichkeiten nutzen. Wer die Seite m.twitter.com aufruft, kann dort SMS lesen und versenden - zu den für Datendienste üblichen Kosten.
Lücke zwischen Telefon und Mail
Beim PR-Unternehmen Text 100 in München nutzen die Mitarbeiter bereits die neuen Möglichkeiten. "In internationalen Projektteams tauschen wir über Microblogging Ideen, Gedanken und Marktinformationen aus", berichtet Birgit Heinold, Managing Consultant. "Bei spontanen Einfällen, bei denen man nicht gleich zum Hörer greift, füllen sie eine Lücke und sorgen dafür, dass wichtige Ideen und Informationen nicht verloren gehen."
Wie so viele andere Dinge, die zuerst privat genutzt werden, um dann ins Geschäftsleben mit hinübergenommen zu werden, "ist Microblogging ein Trend, der aus der Consumer-Welt kommt", stellt Gartner-Analyst Mann fest. "Es ähnelt dem Statusbericht bei den bekannten Social-Network-Sites wie Facebook oder MySpace." Auch bei der Social Business Community Xing können sich die Mitglieder mithilfe der Microblogging-Funktion "Neues aus meinem Netzwerk" innerhalb einer Gruppe Nachrichten zukommen lassen.
Noch ist diese Art der Kommunikation für Unternehmen weltweit ziemlich neu. Beim Computerhersteller Dell gibt es einen offiziellen Twitter-Blog, den Interessierte abonnieren können. Auch die Fernsehsender BBC und CNN nutzen diese Methode, vor allem aus Marketinggründen, um ihre Pressemitteilungen und PR-Ankündigungen zu promoten. Birgit Heinold: "Auch wir vernetzen (Micro-)Blogger mit unseren Kunden und weisen sie darauf hin, an welchen Informationen sie Bedarf haben. Für ausgewählte Unternehmens-News nutzen wir Twitter Alerts."
Mann ist davon überzeugt, dass es bald auch Firmen geben wird, die den Austausch von Kurznachrichten auf Microblogger-Plattformen genauso mitlesen werden wie heute schon Blogs. "Die Firmen wollen auch hier wissen, wie sich ihr Image in der Öffentlichkeit entwickelt, um rechtzeitig gegensteuern zu können." Auch neue Trends tauchen hier zuerst auf. Birgit Hei-nold: "Wir folgen den Nachrichten einiger Journalisten und Blogger, um zu verstehen, was sie thematisch beschäftigt."
Gartner-Experte Mann hält Microblogging vor allem für die individuelle Selbstvermarktung und die unternehmensinterne Profilierung von Mitarbeitern für wichtig. Technologiefirmen wie IBM oder SAP bestärken ihre Führungskräfte deswegen darin, daran teilzunehmen. "Microblogging ist vor allem für die schnelle, unkomplizierte Interaktion gut. Man kann sich auf dem Laufenden halten, was die Menschen, für die man sich interessiert, gerade tun oder woran sie arbeiten."
Dass Unternehmen wie bei E-Mails auch beim Austausch der Kurznachrichten besonders auf gesetzliche Regularien achten müssen, hält Mann derzeit für unwahrscheinlich. "Hier geht es weniger ums Geschäft und um Verträge", sagt er. "Das Risiko von Missbrauch, Missverständnissen oder Insiderhandel ist deswegen geringer." Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter aber genauso wie bei privaten Blogs daran erinnern, dass vertrauliche Dinge nicht weitergegeben werden sollen. Dazu gehören etwa die Bekanntgabe von noch unveröffentlichten Produkten, finanzielle Unternehmensergebnisse oder Aussagen über Kunden.
Microblogging hat für Firmen derzeit nicht die höchste Priorität. "Es ist immer Teil einer größeren Umgebung. Firmen, die bereits eine Social Software Suite wie Lotus Connections oder Microsofts Sharepoint nutzen, verfügen bereits von Haus aus über die Fähigkeiten dazu", sagt Mann. Kommunikation via Twitter steht noch am Anfang des Hype Cycle, eine Innovation, die aber laut Gartner bald ihren ersten Höhepunkt erreichen wird. "Das Interesse ist derzeit sehr groß."
Und Birgit Heinold urteilt: "Microblogging wird sich als ein seriöser Kommunikationskanal auch im geschäftlichen Umfeld etablieren, wobei es aber immer ein Kommunikationskanal unter vielen bleiben wird."