"Unified Communications ist revolutionär", verkündet Dan Bieler, Director Consulting European Telecommunications and Networking bei IDC. Um gleich anzufügen: "Aber eben evolutionär." Will heißen: Voice over IP (VoIP) und andere Technologien werden sich durchsetzen, aber in kleinen Schritten. Ihr Siegeszug dauert länger, als ursprünglich angenommen. In drei, vier Jahren, so Bieler, ist der Durchbruch erzielt.
Die Analysten von IDC haben weltweit mit 2.000 Usern - Endanwendern wie Entscheidern - gesprochen. Die Ergebnisse klingen allerdings nicht nach Revolution: Dan Bieler räumt ein, schon der Begriff Unified Communications (UC) sei schwer zu definieren. Vielen fällt zunächst einmal Voice over IP (VoIP) ein. IDC dagegen will unter UC die Integration von Sprache, E-Mail, Instant Messaging, Fax, Präsenzfunktionen (etwa einem grünen Button für den Status "Anwesend" bei Collaboration-Tools) und Kontakt-Management verstanden wissen.
Ziel ist es, UC auf Web 2.0 und Anwendungen für das Customer-Relationship-Management (CRM) und Enterprise-Resource-Planning (ERP) auszuweiten. Das ist bisher jedoch Zukunftsmusik.
UC scheitert am Menschen. "20 bis 50 Prozent der Mitarbeiter ziehen nicht mit", berichtet Dan Bieler. Das Gefühl, ständig erreichbar - und damit überprüfbar - zu sein, schürt Big-Brother-Ängste. Und manchen ist das Chaos aus Rechner, Laptop und diversen Handhelds einfach zu viel. Oder das Telefonieren mit VoIP zu kompliziert.
Doch die Mitarbeiter sind nur Teil des Problems. Der andere Teil ist auf Management-Ebene angesiedelt. Firmenleitungen verpassen, klare Verantwortlichkeiten festzulegen. Oder sie sehen UC als reines Technik-Thema und denken nicht daran, die Belegschaft über die neuen Kommunikationsmittel aufzuklären und im Umgang damit zu schulen. Oder es werden keine Policies festgelegt - mit gravierenden Folgen für die Sicherheit.
UC für besseres Arbeiten im Home Office
Nichtsdestoweniger ist Bieler von Unified Communications überzeugt. Treiber für die UC Revolution-Evolution sind der Trend zum Home Office und die Möglichkeit, mobile Arbeiter besser einzubinden, seien es die Außendienstler einer Versicherung oder die Schienenarbeiter eines Transportunternehmers. Es ist effizienter, wenn der Arbeiter schon zu Hause weiß, zu welchem Stellwerk er fahren muss, statt erst eine zentrale Stelle anzusteuern und von dort aus eingeteilt zu werden.
Der Analyst erwartet außerdem positive Effekte auf die Firmenkultur. Mehr Mitsprache der Belegschaft steigere die Produktivität. Wobei er zugibt, dass mancher Manager hier erst umdenken muss. "In einer streng hierarchisch geführten Firma haben Blogs und Foren keinen Sinn", so Dan Bieler.
Im Rahmen der Studie hat IDC die Endanwender auch gefragt, welche Applikationen sie für die wertvollsten halten. Ganz vorn rangieren E-Mail, Breitband-Zugang und die Verlässlichkeit, dass der Zugang sicher ist. Auf die Frage, welche Applikationen ihnen das Arbeitsleben erleichtern, wurden in erster Linie E-Mail, Internet und die Möglichkeit, Dokumente online gemeinsam zu bearbeiten, genannt.
Ein weiteres Ergebnis der Analyse: Je jünger die Endnutzer, desto höher die Affinität zu neuen Kommunikations-Technologien. Das gilt für den privaten Bereich ebenso wie für den dienstlichen.
Ein Blick auf Deutschland zeigt, dass der PC für 59 Prozent der Befragten das wichtigste Arbeitsmittel ist. Es folgen Laptop (16 Prozent), Festnetz-Telefon (14 Prozent) und Handy (sechs Prozent). Im Privatleben liegt ebenfalls der PC vorn (37 Prozent der Nennungen). Dann folgen Mobil-Telefon (24 Prozent), Laptop (20 Prozent) und Festnetz-Telefon (14 Prozent).
Gerade mit Blick auf die technik-affinen jüngeren Generationen ist IDC sicher, dass sich Unified Communications nicht nur durchsetzen werden, sondern, dass sich mittelfristig auch ERP und CRM zu Bestandteilen von Kommunikationslandschaften entwickeln. Nach Beobachtungen der Analysten wollen CIOs modulare Lösungen, damit sie den Netzbetreiber bei Bedarf austauschen können. Meist verhandelt der IT-Entscheider dabei nicht selbst mit dem Telekommunikationsunternehmen, sondern überlässt es dem System Integrator, sich um Konnektivität zu kümmern.
Die Rendite von UC lässt sich nicht messen
Die befragten IT-Chefs scheinen die Dinge allerdings skeptisch zu sehen. Einer gibt zu Protokoll: "Derzeit gibt es keine wahre Methode, um die Rendite von Unified Communications exakt zu messen. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Effizienzgewinne nur schwer festzuhalten sind."
IDC hat für das von Siemens Enterprise gesponserte White Paper "Unified Communication Trends in 2009" weltweit 2000 Nutzer (CIOs und Endanwender) befragt und zusätzlich mit 27 CIOs Einzelgespräche geführt.