CIOS SIND MIT IHREN Outsourcing-Abschlüssen gewachsen und treten selbstbewusst gegenüber Dienstleistern auf. Sie kennen inzwischen ihre Kosten und vergeben Teile der IT selektiv nach außen, statt wie früher die komplette IT. So wie sie intern ihre IT transparent gemacht haben, verlangen sie von Dienstleistern offenere Beziehungen – und wollen dafür immer weniger zahlen. Umgekehrt lehnen Anbieter schon mal einen Deal ab, wenn die Marge nicht stimmt. Deutschland gilt nach Großbritannien als der am härtesten umkämpfte Markt in Europa.
In diesem Jahr setzen Outsourcing-Dienstleister laut den Analysten von Ovum rund 11,5 Milliarden um. Bis zum Jahr 2008 prognostiziert Ovum ein durchschnittliches Wachstum von acht Prozent. Die Experton-Group geht für diesen Zeitraum von einem Anstieg von 9,8 Prozent aus. Optimistisch prognostizieren die Experten von Pierre Audoin Consulting (PAC) sogar eine Steigerung von elf Prozent. IBM nimmt von den Experten dagegen ein deutlich geringeres Wachstum von nur fünf bis sechs Prozent wahr. „Es fehlte in diesem Jahr das wichtige Grundrauschen an mittelgroßen Abschlüssen“, sagt Gerald Münzl, Marketingleiter Strategisches Outsourcing bei IBM Global Services. „Das Wachstum resultierte vorwiegend aus Bestandskunden, das Neugeschäft blieb weitgehend aus.“
CIOs zweckentfremden Dienstleister
Weder Münzl noch Stephan Kaiser, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), kennen schlüssige Gründe für die allgemeine Zurückhaltung. „Vielleicht verschieben Unternehmen nach den großen Abschlüssen 2004 weitere Auslagerungen auf 2006“, spekuliert Kaiser. Einige Anwender zweckentfremden dagegen Outsourcer zur eigenen Verbesserung. „CIOs nutzen die Angebotsphase der Dienstleister verstärkt dazu aus, ein internes Benchmarking durchzuführen“, schildert er den Trend. „Am Ende gehen die Dienstleiser oft leer aus, weil die Unternehmen ihre Anwendungen und Infrastruktur selbst weiter betreiben.“
Trotzdem wittern Outsourcer noch große Geschäfte, wie die stärker auftretenden internationalen Spieler wie Atos Origin, Capgemini und Logica-CMG zeigen. Hinzu kommt die Vielzahl von lokalen Anbietern. „In Deutschland besteht noch ein hohes Outsourcing- Potenzial“, sagt Katharina Grimme, Analystin beim Marktforscher Ovum. Nur bleibt es schwierig, die richtigen Wege zu neuen Aufträgen zu finden.
In neuen Branchen Fuß zu fassen klappte bislang noch nicht im erwarteten Ausmaß. So brachte das Outsourcing der Deutschen Bank an IBM nicht den völligen Durchbruch für die Bankenbranche. Auch verpuffte in der Versicherungsbranche die erhoffte Initialzündung durch den Gerling-Konzern, der seine IT-Tochter im Frühjahr 2005 an SBS verkaufte. „Pilotabschlüsse in einzelnen Branchen garantieren keinen Schneeballeffekt“, bestätigt Grimme. Als Branchen mit dem größten Outsourcing-Potenzial sieht sie Handel und Transport sowie Telekommunikation und Fertigungsindustrie.
Riesiges Potenzial im öffentlichen Bereich
Seit Jahren bleiben auch die sehnsüchtig erwarteten Abschlüsse aus dem öffentlichen Bereich aus. Ein wesentlicher Grund liegt für Jacqueline Fechner, Business Managerin Outsourcing bei HP darin, dass sie ihre IT-Kosten nicht genau kennen. Denn nur wer seine Kosten möglichst weit herunterbrechen kann, weiß auch, ob er beim Outsourcing spart. „Bislang haben nur sehr wenige Länder, Kommunen und Behörden damit angefangen, Kostentransparenz herzustellen.“ Neben den Kosten wird vor allem der große Bedarf an innovativen Projekten zu hohem Wachstum führen: „In den nächsten drei bis vier Jahren erwarten wir im öffentlichen Sektor ein riesiges Potenzial.“
Neben Branchen fokussieren sich Dienstleister vermehrt auf spezielle Dienste. So sieht PAC-Analyst Kaiser für Outsourcer neben dem Applikations-Hosting auch das Applikations-Management stark wachsen: „Endete bisher für Dienstleister ein Projektvertrag oft nach einer SAP-Integration, so vergeben CIOs die anschließende Betreuung der Anwendungen verstärkt in langfristigen Verträgen.“ 2005 betrug der Anteil des Applikations-Managements 1,5 Milliarden Euro vom Outsourcing-Kuchen. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 17 Prozent prognostiziert Kaiser bis 2008 eine Summe von 2,4 Milliarden Euro.
Ein noch kräftigeres Wachstum erwartet PAC beim Business Process Outsourcing (BPO): Mit einer jährlichen Steigerungsrate von 23,5 Prozent soll das Volumen von 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2005 bis 2008 auf 3,2 Milliarden Euro klettern. „Langfristig wird BPO den Markt revolutionieren“, ist sich Kaiser sicher.
Beim Infrastruktur-Outsourcing liegen dagegen die Gewinnspannen inzwischen nahe an der Nachweisgrenze. „Die Preise sind massiv in den Keller gegangen“, sagt Michael Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der TDS AG aus Neckarsulm. Deswegen gehen Dienstleister vermehrt dazu über, die Hardware beim Kunden zu lassen und nur noch zu managen. Lukrative Geschäfte erwarten Dienstleister zudem durch Anschlussaufträge. Eberhardt: „Bei zusätzlichen Services rund um die Infrastruktur liegt ein sehr großes Potenzial.“
Offenheit nimmt Angst vor Abhängigkeit
Das bestätigt auch Holger Sievers, Vertriebsvorstand beim Hamburger Dienstleister Info AG. „Infrastruktur ist Mittel zum Zweck. Dienstleistungen im Anwendungsmanagement und -hosting sowie Projekte bieten für uns ein deutliches Differenzierungspotenzial gegenüber Mitbewerbern“, erklärt Sievers. Bei den vielen noch nicht outsourcenden Mittelständlern sieht er noch ein großes Potenzial: Bis 2008 erwartet er ein durchschnittliches Wachstum von rund zehn Prozent. Auch das Argument der befürchteten Abhängigkeit vom Dienstleister treffe er immer weniger bei Unternehmen an. „Wenn Firmen ihre IT aufgenommen, optimiert und gebenchmarkt haben, können sie völlig transparente Verträge aushandeln“, sagt Sievers.
Nicht nur Verträge müssen transparenter werden, sondern auch der Umgang mit den Kunden. Gerade mittelständische Dienstleister wie Info AG und TDS wollen sich über ihre regionale und persönliche Nähe zum Kunden differenzieren. Diesen Vorteil müssten mittlere Anbieter noch stärker gegenüber den großen Spielern ausbauen: „SLAs sind der Kern des Outsourcings. Wenn es hier zu Problemen kommt, reagieren die kleineren Anbieter schneller und flexibler“, sagt Eberhardt. Kundennähe nahmen viele Anwender allerdings lange Zeit allgemein oft als eine einzige Katastrophe wahr – bei kleinen wie bei großen Dienstleistern. „In den vergangenen drei Jahren haben wir unsere Ausgaben für Betreuung und Beratung der Kunden um 50 Prozent erhöht“, hebt Eberhardt die gewandelte Bedeutung der Kundenbeziehung hervor.
Das effektive Governance-Modell
Berater Andreas Burau von der Experton Group rät Anbietern deshalb zu einem effektiven Governance-Modell: „Dienstleister müssen in jeder Phase zeitnah mit dem Kunden kommunizieren und ihn bei jedem Schritt einbeziehen. Um den Erfolg zu überprüfen, sollten sie Instrumente wie Key Performance Indicators und Balanced Scorecards einsetzen.“ Diese Offenheit wird umso wichtiger, je komplexer und vielschichtiger die Kundenbeziehungen wie beim Business Transformation Outsourcing werden.
Rund 40 Prozent aller Neuverträge beinhalten bei IBM mittlerweile On-Demand-Anteile. In den nächsten zwei Jahren sieht IBM auch Abrechnungen nach Output-Größen wie Anzahl der Belegverarbeitung und Gain-Sharing-Modelle kommen. Beim Gain-Sharing geht der Dienstleister mit ins unternehmerische Risiko des Kunden und richtet seinen Preis zum Teil nach dem Geschäftserfolg wie verkauften Versicherungen aus. „In den nächsten zwei Jahren kann es zu ersten SLAs bei Abrechnungen auf Transaktionsbasis und bei Risikomodellen kommen“, prognostiziert Münzl von IBM.
Risikomodelle erfordern nicht nur eine hohe Transparenz zwischen Kunde und Dienstleister. „Risikomodelle bergen auch ein hohes Konfliktpotenzial“, warnt Burau. Wenn beispielsweise der Geschäftserfolg ausbleibt, geht die Suche nach den Schuldigen los. „Es müssen sehr viele Kommunikationsschnittstellen geschaffen werden, was zu hoher Komplexität führt“, so Burau. Eine derart hohe Transparenz lässt sich nicht mehr allein formal über SLAs abbilden. „Risikomodelle funktionieren nur bei einem partnerschaftlichen Verhältnis, weil beide Parteien voneinander abhängig sind“, erläutert Münzl.
HP-Managerin Fechner hält ein partnerschaftliches Verhältnis für unumgänglich, wenn Dienstleister und Kunde ebenfalls vom Outsourcing profitieren wollen. Die Zeit dafür sieht sie aber noch nicht gekommen. „Zurzeit läuft der extrem harte Wettbewerb fast ausschließlich über die Kosten. Der Preisdruck wird noch weiter zunehmen, bis sich der Markt konsolidiert“, ist sie sich sicher.