Kienbaum-Studie

Unternehmen finden keine High Potentials mehr

07.04.2011 von Thomas Pelkmann
Blöd gelaufen: Der Bedarf an hochqualifizierten Nachwuchskräften steigt, doch es gibt immer weniger davon. Persönlichkeitstrainings, Weiterbildung und Förderprogramme sollen den Missstand beheben.
Das Rekrutieren geeigneter Kandidaten fällt Unternehmen immer schwerer.
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Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland können bis zu 25 Prozent ihrer Wunschkandidaten nicht für sich gewinnen, so das Ergebnis der Studie "High Potentials 2010/2011". Besonders dünn gesät sind demnach junge Sprösslinge für die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie IT. Das Rekrutieren geeigneter Kandidaten fällt logischerweise hier besonders schwer.

Dabei ist der Bedarf an solch’ jugendlichen Spezialkräften hoch: 73 Prozent der deutschen und sogar 87 Prozent der österreichischen Unternehmen planen, im kommenden Jahr bis zu 15 High Potentials einzustellen, mit Vorliebe in den Bereichen Marketing und Vertrieb, im Controlling und in der strategischen Unternehmensführung. Besonders Absolventen von Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften mit einem universitären Mastertitel haben in Deutschland große Chancen auf einen Direkteinstieg in den Beruf: Fast sämtliche befragte Unternehmen suchen Bewerber mit genau so einem Abschluss.

Fördermaßnahmen für den Top-Nachwuchs

Um solch’ hoffnungsvolle Kräfte für sich zu gewinnen, gewähren die Unternehmen dem Top-Nachwuchs "vielfältige Vorzüge", wie es im Report heißt: So bieten 71 Prozent der befragten deutschen Unternehmen interne Weiterbildungsmöglichkeiten an, 68 Prozent wollen ihre potenziellen High Potentials mit Fachtrainings begeistern. In Österreich setzen gleich alle befragten Unternehmen auf die positive Wirkung von Fachtrainings, 97 Prozent bieten ihrem Top-Nachwuchs Persönlichkeitstrainings an.

Neben diesen konkreten Angeboten ist es der Umfrage unter 530 deutschen und 60 österreichischen Unternehmen zufolge wichtig, in der Zielgruppe präsent zu sein. Um das zu erreichen, schalten 85 Prozent der deutschen und 88 Prozent der österreichischen Personalentscheider Stellen- und Imageanzeigen im Internet. Messepräsenz sowie allgemeine Presse- und Medienarbeit werden von den meisten Unternehmen zusätzlich genutzt, um qualifizierte Nachwuchstalente anzusprechen.

Dabei suchen die Firmen nicht nur fachlich hochbegabte Kräfte. Besonderen Wert, gaben zumindest die befragten Unternehmen zu Protokoll, lege man auf die Persönlichkeit der High Potentials. "Eigenmotivation und Zielorientierung sind Attribute, die ein Nachwuchstalent unbedingt mitbringen sollte", kommentiert Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer von Kienbaum Communications. Rund 90 Prozent der befragten Unternehmen stufen die Eigenmotivation als wichtiges Persönlichkeitsmerkmal ein. Mobilität ist dagegen weniger wichtig: Nur rund 20 Prozent fordern dies von potenziellen Bewerbern.

Praxiserfahrung schon bei Absolventen gefragt

Die Schwierigkeit bei der Rekrutierung des Nachwuchses hängen möglicherweise auch mit überhöhten Anforderungen zusammen: So fordern die Arbeitgeber von ihren Kandidaten neben Fach- und Führungskompetenz auch Praxiserfahrung. Immerhin reichen ihnen dafür Praktika statt langjähriger Erwerbsbiografien. Interessant, dass die Unternehmen zwar unbedingt auf universitär gebildete Kräfte setzen, dem Ansehen der Ausbildungsstätten - egal, ob Uni oder Fachhochschule - dagegen nur wenig Bedeutung zumessen. Hauptsache, ein Titel.

Das meiste Geld verdienen können solche Absolventen, die neben ihren Praktika noch promovieren. In Deutschland führt diese Kombination zu einem durchschnittlichen Jahreseinstiegsgehalt von 52.000 Euro, in Österreich ist der Einstieg um 8.500 Euro niedriger.

Gehaltsunterschiede

Im Schnitt verdienen Universitätsabsolventen in beiden Ländern bis zu 3.000 Euro mehr im Jahr als vergleichbare Studienabgänger von Fachhochschulen. In Deutschland sind Jura-Absolventen mit 44.500 Euro Jahreseinstiegsgehalt die Topverdiener, während es in Österreich die Natur-, Technik- und Ingenieurwissenschaftler mit 41.500 Euro Jahresgehalt sind.

Vergleicht man die Einstiegsgehälter der verschiedenen Funktionsbereiche eines Unternehmens, liegen die Gehälter in Österreich in einigen Abteilungen durchschnittlich niedriger als in Deutschland. Auch je nach Art des Berufseinstiegs variiert das Gehalt: Trainees erhalten beispielsweise den geringsten Einstieglohn. In Deutschland sind es im Schnitt 38.500 Euro, in Österreich nur 34.250 Euro.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich werben Arbeitgeber nicht nur mit attraktiven Gehältern. Zusätzlich locken sie mit arbeitnehmerfinanzierter betrieblicher Altersversorgung und weitere Versicherungen. Firmenwagen stehen aber nur selten auf der Liste der Lockmittel: Nur fünf Prozent der österreichischen und zehn Prozent der deutschen Unternehmen bieten Firmenwagen zur dienstlichen Nutzung an.

Fehlende Aufstiegschancen Grund für Kündigung

Stattdessen setzen die Personalverantwortlichen auf herausfordernde Aufgaben und das Übertragen von Verantwortung, um ihren Topnachwuchs langfristig ans Unternehmen zu binden. Sämtliche österreichischen und deutschen Unternehmen bieten ihren High Potentials beispielsweise die Mitarbeit an anspruchsvollen Projekten. Neben rein privaten Gründen seien fehlende Aufstiegschancen und Karrieremöglichkeiten sowie Abwerbung die häufigsten Gründe, weshalb High Potentials ein Unternehmen verließen, kommentiert Kienbaum-Chef Bethkenhagen.