Sechs Kilometer pro Stunde sind zu Fuß ein zügiges Tempo. Das merkt man schnell, wenn man versucht, mit dem Lieferroboter der Pizza-Kette Domino's Schritt zu halten. Mit dieser Spitzengeschwindigkeit bahnt sich die hüfthohe Kiste auf Rädern derzeit mehrmals täglich ihren Weg über die Bürgersteige von Berlin-Charlottenburg, um Pizzen auszuliefern. Im Rahmen eines Pilotprojekts will das Unternehmen herausfinden, ob der Einsatz solcher Maschinen die anderen Lieferanten entlasten kann.
Über eine Klappe können die Pizzakartons ins Innere geschoben werden. Vier Sensoren und mehrere Kameras verschaffen dem Fahrzeug einen 360-Grad-Umblick. Der Roboter erkennt, wenn ihm Passanten, Kinderwagen oder Hunde in den Weg geraten. Dann verringert er das Tempo oder stoppt ganz.
Die hüfthohe Maschine ist auf den Gehwegen ein Hingucker. Passanten bleiben stehen, machen Fotos mit ihrem Handy. Die meisten reagieren lachend und neugierig, manche irritiert. Eine Mutter mit ihrem Kind an der Hand macht einen kleinen Sprung zur Seite und wirkt erschrocken, als das Gerät ihr auf einer Kreuzung entgegen kommt.
Angst müssen die Passanten nicht haben. Zwar kann der Pizza-Roboter vollständig autonom die Bestellungen ausliefern - zumindest bis vors Gebäude. Doch die Lizenz des Berliner Senats verpflichtet die Hersteller dazu, dass stets jemand mit Fernsteuerung mitläuft. Ein weiterer Beschäftigter sitzt in einem Büro in Berlin, verfolgt von dort die Bewegungen des Fahrzeugs und kann ebenfalls per Fernsteuerung eingreifen.
Hoher Personalaufwand
Dafür, dass der Roboter für Domino's einmal die personellen Engpässe auf dem Lieferdienst-Markt abfedern soll, ist der Personalaufwand aktuell noch ziemlich hoch. "Die Sicherheitsauflagen des Senats sind sehr gründlich", sagt Sprecherin Kathrin Rezac, die das Testprojekt betreut. Doch bei dem mehrwöchigen Versuch gehe es vor allem darum, Daten und Erfahrungen zu sammeln.
Hergestellt wird der Roboter vom Software-Start-up Teraki. Die Technik ist die gleiche, die auch bei autonom fahrenden Autos eingesetzt wird. "In naher Zukunft kann ein Mitarbeiter aus der Ferne viele Roboter gleichzeitig beobachten und kontrollieren", sagt Teraki-Chef Daniel Richart.
Ob Pizza oder auch Pakete: Pilotprojekte mit Liefer-Robotern oder -Drohnen gibt es schon seit Jahren. Die meisten Branchengrößen haben das Thema im Blick. Der niederländische Lieferdienstkonzern Just Eat Takeaway, der in Deutschland vor allem für seine Marke Lieferando bekannt ist, testet eigenen Angaben zufolge den Einsatz von Liefer-Drohnen in Holland und Irland. Besonders viel Erfahrung hat der Logistikkonzern DHL. Doch bislang scheint der großflächige Einsatz solcher Techniken kaum denkbar.
Echtes Personal für Lieferungen bisher unschlagbar
"Größere Presseartikel dazu gab es schon vor zehn Jahren", sagt etwa Boris Radke, Sprecher des Lebensmittel-Lieferdiensts Flink. "Und wenn man sich ansieht, wo wir heute sind bei der Auslieferung: Nowhere near it" - weit davon entfernt. "Echtes Personal bleibt für Lieferungen bei weitem die beste Lösung."
So kommt auch der Pizza-Roboter von Domino's trotz beeindruckender technischer Ausstattung mit mancher Einschränkung: Das Fahrzeug liefert nur im engen Umkreis um die jeweilige Pizza-Küche, damit das Essen nicht kalt beim Kunden ankommt. Treppen schafft der rollende Pizza-Dienst auch nicht, was für jemanden mit einer Wohnung im Hinterhaus und im sechsten Stock keine unwichtige Information ist. Schließlich ist da noch der Preis, zu dem Teraki-Chef Richart lediglich sagt, dass er unter 50.000 Euro liegen soll - immerhin.
Dennoch sei das Interesse an einer Roboter-Lieferung hoch, sagt Domino's-Sprecherin Rezac. "Wir lassen den Kundinnen und Kunden bei ihrer Online-Bestellung die Auswahl und viele entscheiden sich für den Roboter. Viele wollen das gerne ausprobieren." Ob und wann die Technik bei dem Unternehmen flächendeckend zum Einsatz kommen könnte, bleibt indes offen. Einen konkreten Fahrplan gibt es nicht.
Vor allem Unternehmen mit einer eigenen Warenhaus- oder Logistikstruktur blicken bei autonomer Technik weniger auf die Lieferung als auf die Prozesse hinter den Kulissen.
Der Lebensmittellieferdienst Gorillas hat vor einiger Zeit den französischen Konkurrenten Frichti übernommen. "Einer der Gründe für unsere Akquisition war, dass die Lager von Frichti technologisch hoch entwickelt sind", teilt ein Sprecher mit. "Ihre Automatisierungserfahrung nutzen wir nun als Vorbild für unsere Micro-Fulfillment-Center in allen neun Ländern."
Und auch DHL verweist auf Anfrage nach autonomer Technik vor allem auf künstliche Intelligenz bei der Befüllung von Packkartons sowie auf autonom fahrende Gabelstapler in den eigenen Lagern. Es dürfte also noch eine Weile dauern, bis Pizza-Roboter oder Drohnen an der eigenen Haustür klingeln. (dpa/rs/rw)