Frauen holen auf. Sie verfolgen eigene Berufsziele, fordern mehr Geld für gleiche Arbeit und widmen sich der eigenen Karriere. Die zum Weltfrauentag am 8. März veröffentlichte Studie von Accenture zeigt, dass qualifizierte Frauen inzwischen zielstrebiger berufliche Chancen nutzen. 65 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie beruflich erfolgreich sind und fast genauso viele gehen davon aus, dass sie auch zukünftig gute Karriereperspektiven haben. Seit 2007 befragt Accenture jedes Jahr weltweit mehr als 4000 Berufstätige.
Überrascht hat Sandra Babylon, Managing Director Financial Services bei Accenture, dass die befragten Männer den gesellschaftlichen Wandel kritisch sehen. Im Hinblick auf eine gute Work-Life-Balance äußerten sich 49 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen skeptisch. Einen Grund hierfür sieht die Managerin darin, dass sich das traditionelle Rollenmodell verändert. "Immer mehr Väter fragen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, denn sie wollen ihre Kinder nicht nur im Schlafanzug sehen, sondern Verantwortung übernehmen. Inzwischen nutzen fast genauso viele Väter wie Mütter bei Accenture die Elternzeit."
Aber können IT-Berater, die internationale Projekte stemmen und für die eine hohe Arbeitsauslastung normal ist, Teilzeit arbeiten? "Ja", sagt Babylon und ergänzt: "Wir suchen das Gespräch mit unseren Kunden. Manche finden es gut, weil sie das Thema aus dem eigenen Unternehmen kennen, einige erwarten aber nach wie vor volle Verfügbarkeit ohne Abstriche." Doch Babylon gelingt es oft im Gespräch mit skeptischen Kunden, sie für eine Probephase zu gewinnen. "Es erfordert zwar mehr Organisation von allen Seiten, doch projektbezogenes Arbeiten heißt immer, flexibel zu reagieren und verschiedene Arbeitszeitmodelle unter einen Hut zu bringen.?
Arbeitgeber und Politik sind gleichermaßen gefordert
Das Elternzeitmodell brachte Bewegung in die Diskussion und in die Köpfe von Firmen und Eltern. Accenture-Frau Babylon arbeitet zur Zeit in der Schweiz. Dort gewährt der Gesetzgeber nur eine achtwöchige Karenzzeit nach der Geburt, dann sollten Frauen wieder als Vollzeitkraft zurückkommen: "Viele Schweizer beneiden uns daher um die gesetzlich garantierte Elternzeit." Doch wenn ihr Geschäftspartner in Frankreich von den Kinderbetreuungsmöglichkeiten erzählen, und in Schweden auch hochrangige Manager pünktlich das Büro verlassen, um ihre Kinder abzuholen, kommt die eloquente Managerin in Erklärungsnot. "Niemand versteht, wieso wir es in Deutschland nicht schaffen, gute und flächendeckende Kinderbetreuung anzubieten. Für Eltern ist es immer noch ein großer Spagat, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren." Schwierig wird es auch, wenn Babylon den Begriff "Rabenmutter" erklären soll, denn diese Diffamierung von arbeitenden Mütter lässt sich nicht übersetzen und gibt es nur hierzulande.
Frauen sollten Karriere besser planen
Mentoren unterstützten Sandra Babylon auf ihrem Karriereweg. Inzwischen gibt die erfolgreiche Managerin ihr Wissen an jüngere Kolleginnen im Unternehmen weiter und leitet für den deutschsprachigen Raum die "Women Initiative", ein Netzwerk für Accenture-Mitarbeiterinnen. "Frauen fehlt oft der nötige Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen, ihre Karriere konsequent voranzutreiben", so Babylon. Doch das lässt sich lernen. "Anfangs waren im Team immer viele Männer und ich als einzige Frau", erzählt die 42-Jährige heute schmunzelnd. Gestört habe sie das keineswegs, denn so lernte die studierte Kulturwirtin schnell die Spielregeln. "Frauen sind gnadenlos ehrlich und schaden sich damit selbst. Steht ein neues Projekt an, sagen viele 'Das kann ich nicht', anstatt sich der Herausforderung zu stellen." Manches schaute sich die Managerin auch bei ihren männlichen Kollegen ab, etwa über Erfolge im Projekt mit dem Vorgesetzten sprechen, sichtbar sein, Komplimente für gute Arbeit annehmen und mit einem schlichten "Danke" zu beantworten, anstatt sich für die Leistung zu rechtfertigen.
"Frauen managen ihre Karriere nicht aktiv genug, Selbst-Marketing liegt vielen nicht." Männer hätten dagegen die nächste Karrierestufe immer auf dem Radar und setzten sich entsprechend in Szene. "Viele Frauen bleiben im mittleren Management stecken, weil sie sich nicht trauen, wenn es darauf ankommt. Mitunter geben sie auch zu früh auf", vermutet Babylon. Diese Einschätzung bestätigt auch die Accenture-Studie, denn 40 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie für ihren momentanen Job überqualifiziert sind, nur 27 Prozent der Männer teilen diese Auffassung.
Gehaltsverhandlungen schrecken die befragten Studienteilnehmer keineswegs. Annähernd gleich viele Frauen und Männer verhandeln über ihr Gehalt. Doch in Deutschland verdienen Frauen für die gleiche Arbeit oft weniger als Männer, wie die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) regelmäßig herausfindet. Hierzulande beträgt die Gehaltslücke erschreckende 22 Prozent. "Solche Unterschiede gibt es bei Accenture nicht. Für jede Karrierestufe gibt es Gehaltsklassen und die eigene Leistung entscheidet über den Bonus - nicht das Geschlecht", versichert Babylon.
Die Accenture-Studie
Die Anforderungen von Job und Familie miteinander in Einklang zu bringen, beschäftigt Berufstätige weltweit gleichermaßen. Seit 2007 befragt Accenture jedes Jahr weltweit mehr als 4000 Berufstätige in 32 Ländern. Doch die Studie spürt auch Zukunftstrends auf. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass Multi-Tasking eine wichtige Qualifikation im Arbeitsleben sein wird. 41 Prozent der Frauen und 47 Prozent der Männer sind davon überzeugt, dass es zukünftig keine festen Kernarbeitszeiten mehr geben wird und rund ein Viertel vermutet, dass Angestellte überwiegend virtuell zusammenarbeiten werden.