Dieter Bohlen ist der neue Werbeträger des Rottendorfer Mode-Labels S. Oliver. Dafür schlüpft der Softmusik- und Buch-Millionär in einen blauen Nadelstreifenanzug inklusive Hemd "George" und bindet sich eine Krawatte in hellblauem Uni um. Bevor die Limited Edition "Dieter Bohlen" allerdings für den deutschen Markt zum Verkauf freigegeben wurde, begutachteten Produktionsleiter in der Firmenzentrale in Rottendorf bei Würzburg die Ware auf Fehler im Gewebe - per Videokonferenz.
Für die meisten neuen Musterteile schalten sich die Produktions- und Designleiter wie auch die Agenturen aus Indien, Hongkong, China und Indonesien im Videokonferenz-Saal zusammen. Mit einer hoch auflösenden Zoom-Kamera begutachten sie akribisch die Artikel auf Passform und Produktionsfehler, ehe sie in größerer Zahl produziert und ausgeliefert werden. "Bei der hohen Frequenz der Neukollektionen ist S. Oliver auf Videokonferenzen angewiesen", sagt IT-Leiter Stefan Beyler, der nun nach und nach die bisher eingesetzte ISDN-Technologie durch IP-basierte Anschlüsse ersetzen möchte. "Das lässt sich zeitlich gar nicht machen, dass da immer jemand hinfliegt.
Nur noch ein Besuch bei den Agenturen
Die Vorteile des Einsatzes des Videoconferencing in der Produktion liegen auf der Hand. "Die Produktionsleiter beschränken sich nun auf einen Besuch pro Jahr bei den Agenturen", sagt Beyler. Für jede neue Kollektion sei zuvor ein Produktions-Check vor Ort nötig gewesen. Flüge nach Indonesien dauern mindestens zwölf Stunden, hinzu kommt der Zeitverlust durch den Jetlag.
Bei jeder neuen Kollektion ist der Ablauf der gleiche: Designer in der Zentrale sind verantwortlich für den Entwurf aller Kollektionen - etwa aus den Reihen "Premium", "Sports" und "Young Fashion". Diese gehen dann an die Agenturen nach Fernost. "Danach sprechen sich diese mit den Designern über Video ab", sagt Beyler. Die Grundlage dafür bietet das "Electronic Whiteboard", auf dem die Designcollagen und Entwürfe am PC zu sehen sind. Sind die ersten Stücke produziert, schalten sich die Produktionsleiter zu und überprüfen die Ware mit einer Detailkamera am Bildschirm. Ist das Gewebe dann in den Showrooms vor Ort, gibt es für die Mitarbeiter "Mehrpunkt-Konferenzen", von denen 20 pro Monat stattfinden. In Briefings zur Kollektion sollen bei den Mitarbeitern der Showrooms ein besseres Verständnis für die Ideen der Designer sowie Hintergrundwissen vermittelt werden.
In der Zentrale, den europaweit 28 Showrooms und den Produktionsagenturen sind heute Videokonferenz-Systeme im Einsatz. IT-Chef Beyler setzt auf eine solide Basis für den Einsatz neuer Systeme. Ohne eine Kostenbetrachtung, ohne die Berechnung eines Return onInvestment ist eine Neuentwicklung nicht denkbar.Damals war das keine Voraussetzung. Denn alles schien irgendwie gut zu sein, was der ideenreiche Gründer und Besitzer der Firma, Bernd Freier, anfing. Das geht so weit, dass das kleine Dorf, in dem er seine Firma vor 38 Jahren aufmachte, für viele heute "S. Rottendorf" heißt. Inzwischen verbindet jeder mit S. Oliver auch Labels wie Knockout, Comma oder QS.
Doch die rosigen Zeiten sind vorbei. Konkurrenten wie Esprit oder Tom Tailor schlafen nicht. Das zwingt auch IT-Leiter Beyler zu ständiger Innovation. Den nächsten Schritt in der Entwicklung der Videokonferenzsysteme hat Beyler, der erst seit knapp einem Jahr in Rottendorf ist, noch in der Schublade: Er möchte allen Mitarbeitern aus dem Führungskreis und dem mittleren Management die Möglichkeit geben, jederzeit über Videokonferenz miteinander Kontakt aufzunehmen. "Es ist einfach zu umständlich, zwei Tage im Voraus den Videokonferenz-Saal zu bestellen", meint Beyler, der eine eigene Webcam auf seinem Schreibtisch stehen und sich die technische Infrastruktur somit bereits angeschafft hat. "In größerem Maßstab ist das natürlich nicht ganz so einfach." Deshalb startet er noch in diesem Jahr ein Sicherheits-Assessment, in dem er die Erfordernisse abklopfen will.
Eine schlechte Erfahrung musste auch S. Oliver machen: Als ein externer Mitarbeiter seinen Laptop versehentlich an das interne Netz anschloss, spielte er den Blaster-Wurm ins System. Das gesamte Videokonferenz-Netz stand still. Solche Risiken möchte Beyler künftig ausschließen.