Schon während des Studiums startet Martin Strobel eine eigene Firma für Software-Implementierung. Ein großes Projekt ist die Einführung der kompletten IT eines Kerzenfabrikanten – in einer Zeit, in der es noch kein Excel gibt. Dass er einmal als Techniker selbst Chef werden würde, war zu der Zeit kaum abzusehen.
Nach den Studien der Informatik, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik beginnt Strobel 1993 bei der Boston Consulting Group. Zuständig ist er für Fragen des strategischen IT-Managements im Banken- und Versicherungssektor.
Anfang 1999 übernimmt er bei der Bâloise-Gruppe die Leitung Informatik der Basler Schweiz. Nun ist er innerhalb der Bâloise verantwortlich für geschäftsübergreifende Großprojekte im Versicherungs- und Finanzbereich.
Die neuen Tugenden eines CIO: Zuhören und Fragen stellen
Schon zu dieser Zeit arbeitet Strobel eng mit der Geschäftsleitung zusammen: "Ich habe bereits als CIO viele Gespräche mit dem Vorstand geführt und oft die Geschäftsleitung interviewt, um zu sehen, welche Projekte anstehen. Dabei habe ich mich immer gefragt, was die IT dazu beitragen kann."
Strobel erwirbt sich durch die Gespräche detaillierte Kenntnisse über Geschäftsprozesse und erkennt sogar Mängel in der Geschäftsstrategie. Er sieht zum Beispiel, dass der Anpassungsdruck an Produkte steigt. Versicherungen würden nicht alle drei Jahre neue Produktparameter benötigen, sondern jedes Jahr. So drängt er schon frühzeitig bei der Baloise, die IT neu darauf auszurichten.
CIOs müssen die Wirtschaft verinnerlichen
Ein moderner CIO, der sein Unternehmen weiterbringen will, sollte sich intensiv mit dem Business auseinandersetzen und eng mit CEO und CFO zusammenarbeiten. Das denkt auch Martin Curley, Director of IT Innovation bei Intel. In seinem aktuellen Buch "Managing Information Technology for Business Value" beschreibt er, wie IT geschäftliche Werte in Unternehmen generieren kann.
"Wer sich regelmäßig mit der Geschäftsleitung auseinandersetzt und immer am Ball bleibt", so Curley, "der wird auch unternehmerisches Denken entwickeln und es stetig ausbauen."
"Als Grundlage muss ein CIO natürlich wissen," sagt Curley, "welche Chancen sich durch den Einsatz bestimmter Technologien für das Unternehmen erschließen und welchen Beitrag die IT zur Lösung geschäftskritischer Probleme leisten kann." Aber genauso wichtig sind die unternehmerische Kompetenz und die Fähigkeit, die Sprache der CEOs und CFOs zu sprechen, so Curley.
"Aufgrund der zahlreichen Gespräche mit dem Vorstand habe ich ebenfalls erkannt, dass für Versicherungen die Daten in Zukunft wichtiger sein werden als Programme," berichtet Strobel. "Das führte zu einem völlig neuen Konzept für Data Warehouse."
Beides, das flexible IT-Konzept und die Datenverarbeitung, arbeiten heute sehr gut, so Strobel. Sein Engagement lohnt sich: Am 1. Januar 2003 wird er Mitglied der Konzernleitung, seitdem ist Strobel verantwortlich für den Konzernbereich Schweiz. Er ist gerade 37 Jahre alt.
IT und Business – zwei Seelen in einer Brust
Ein CIO, der CEO werden will, benötigt nach Ansicht von Strobel vor allem eines: "Er muss Spaß an der Wirtschaft haben, die IT ist Mittel zum Zweck." Die beste Grundlage ist natürlich ein betriebswirtschaftliches Studium. Notwendig sind ein breites Wissen von der jeweiligen Branche und eine Informatik von der Pike, so Strobel.
"Der CEO Strobel entscheidet: Brauchen wir das? Der CIO Strobel schätzt das Risiko ab: Benötigen wir alte, bewährte Technik oder neue, die mit mehr Risiko behaftet ist?"
Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn vor zwölf, dreizehn Jahren konnte Strobel sich kaum vorstellen, einmal in der Chefetage zu landen. Er sah sich als CIO allein zuständig für die IT. "Heute sehe ich die Informatik durch die Geschäftsbrille. Zu 70 Prozent bin ich CEO, zu 30 Prozent CIO."
Der Parade-CIO benötigt Business- und Technologiekenntnisse
"In Zukunft wird es auf der obersten Führungsebene immer mehr Manager geben, die gleichermaßen über unternehmerische Fähigkeiten und IT-Kenntnisse verfügen," prophezeit Curley. Ein betriebswirtschaftlicher Hochschulabschluss sei hierfür eine gute Basis. "Aber ich denke, am besten lernt man durch Erfahrung. Und manchmal muss man auch eine negative machen, um zukünftig erfolgreich zu sein."
Zudem empfiehlt Curley allen CIOs, eine Portion Geduld und diplomatisches Geschick mitzubringen. Das sei notwendig, um in einem modernen Unternehmen erfolgreich zu agieren und auch schwierige Entscheidungen durchzusetzen. Eine ausgeprägte soziale Kompetenz hilft, sein Team von IT-Profis zu motivieren. Dazu gehört auch die Gabe, andere anzuspornen und zu begeistern.
"CIO könnte in Zukunft für Chief Innovation Officer stehen." sagt Curley. "Das bedeutet, der CIO wird zur treibenden Innovationskraft im Unternehmen – wenn er lernt, sich von unternehmerischem Denken leiten lassen."