Die Chancen, die ein technologischer Wandel bisher mit sich brachte, waren schon immer immens. Technologie hat nicht nur eine Produktivitätssteigerung in jeder erdenklichen Branche ermöglicht. Sie hat auch dazu beigetragen, völlig neue Branchen zu schaffen und etablierte Branchen zu verändern. Für innovative Personen und Unternehmen war es immer eine der größten Quellen der Inspiration und Innovation, sich technologische Errungenschaften genau anzuschauen und nach Möglichkeiten zu suchen, diese auf ein Unternehmen anzuwenden und zu kommerzialisieren. Sehr oft werden das wahre Potenzial und der Wert einer neuen Technologie erst Jahrzehnte nach ihrer Erfindung entdeckt.
Als im Jahre 1947 in den Bell Laboratories in Murray Hill, New Jersey, der Transistor erfunden wurde, dachte niemand daran, dass er eines Tages den Kern der Smartphones bilden würde, die jeder von uns 70 Jahre später in der eigenen Hosentasche trägt und die unsere gesamte Gesellschaft revolutioniert haben. Als die Gebrüder Wright im Dezember 1903 den ersten motorisierten Flug wagten - eigentlich war es eher ein Hüpfer von 37 Metern Länge der nur 12 Sekunden dauerte -, hätte niemand gedacht, dass nur gerade zehn Jahre später die erste kommerzielle Fluggesellschaft zur Personenbeförderung entstehen und damit die Geburtsstunde einer ganz neuen Branche schlagen würde.
Technologie ist Teil des Produkts
Innovative Unternehmen scannen und erkunden den Markt ständig nach Technologien, die helfen können, ihre Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern oder neue zu schaffen, beziehungsweise Prozesse effizienter zu gestalten oder sogar vollständig zu eliminieren. Interessanterweise wurde die Informationstechnologie lange Zeit hauptsächlich in etablierten Unternehmen eingesetzt, um die Effizienz zu steigern, Prozesse zu automatisieren und Lieferketten zu optimieren. Nur in seltenen Fällen wurde sie auch Teil der Kernprodukte und Dienstleistungen.
So führte American Airlines Anfang der 1950er Jahre das erste elektronische Buchungssystem ein, um interne Prozesse zu optimieren. Es dauerte jedoch nochmals mehr als 50 Jahre, bis Flugpassagiere ihre eigenen reisebezogenen Informationen auf elektronischem Weg nahtlos abrufen konnten. Und das ist auch heute noch nicht selbstverständlich. Für viele Reisende ist heute die mobile App genauso Teil des "Produkts" oder des Reiseerlebnisses geworden wie der Sitzplatz oder das Essen und der Service an Bord des Flugzeugs.
Ebenso sind für den Besitzer eines modernen Elektroautos etwa die digitale Interaktion und die Upgrade-Möglichkeiten des Fahrzeugs ebenso Teil des Produkts wie die Sitze, der Motor und die physische Karosserie. Weil mehr und mehr Funktionen und Eigenschaften eines physischen Produkts in Software wandern und dadurch virtualisiert werden und zusätzliche digitale Dienstleistungen rund um das Produkt angeboten werden, die seine Funktionalität verbessern, wird die IT selbst zu einem Kernstück des Produkts.
Die Umstellung oder Kombination von traditionell physischen Kernprodukten oder Dienstleistungen hin zu digitalen Komponenten hat dazu geführt, dass die IT nicht mehr nur als Support- oder Backoffice-Funktion betrachtet werden kann, die für den Betrieb des ERP-Systems und die Verwaltung von PCs und Netzwerken zuständig ist. Sie wird zu einem Kernelement jedes Unternehmens und viel mehr zu einer strategischen Komponente als zu einer Support-Einheit. Das bedeutet auch, dass die IT nicht mehr als reiner Kostenfaktor betrachtet werden kann - ganz im Gegenteil: Sie trägt nun zur zentralen Wertschöpfung der Produkte und Dienstleistungen bei.
Kostenfaktor oder Mehrwert?
Während die IT in der Vergangenheit hauptsächlich an den Kosten gemessen und ein guter CIO als einer angesehen wurde, der die Kosten der IT jährlich senken konnte, muss er sich in Zukunft darauf konzentrieren, wie die IT einen Mehrwert für das Unternehmen, das heißt für die Kernprodukte und -dienstleistungen schaffen kann. Es geht also darum, wie sich mit IT als Komponente der Produkte und Dienstleistungen Umsatz generieren lässt und die Wertschöpfung für das Kundenerlebnis verbessert werden kann. CIOs werden daher vermehrt am Mehrwert der IT gemessen und nicht mehr nur an den Kosten.
Dies wiederum erfordert, dass CIOs strategischer und Business-orientierter denken. Ein moderner CIO muss unternehmerischer und weniger operativ sein, also weniger risiko- oder kostenorientiert. CIOs, die diesen Sprung nicht schaffen, laufen Gefahr, irrelevant zu werden. Am Ende verwalten sie alte IT-Systeme und Infrastrukturen und werden im Wesentlichen zu Chief Legacy Officers.
Weiterlesen:
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 1: Mehrwert schaffen mit IT
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 3: Produkt- und Prozesstechnik verschmelzen
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 4: Die Virtualisierung der "Dinge" kommt
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 5: Open Innovation muss auf die Agenda
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 6: Jeder muss ein digitaler Leader werden