Employee Centricity

Warum Sie Mitarbeiter begeistern sollten

10.07.2019 von Hans Königes
Schluss mit frustrierte Mitarbeitern! Wecken Sie Begeisterung! Der bekannte Radiomoderator, Paul Johannes Baumgartner, verrät, wie Sie das Feuer entfachen.

Herr Baumgartner, Sie plädieren für mehr Begeisterung in Führung, Marketing und Vertrieb. Ist es um die Begeisterungsfähigkeit in deutschen Unternehmen so schlecht bestellt?

Baumgartner: Formulieren wir es mal so: Es gibt große Leuchttürme und hoffnungsvolle kleinere Lichter. Das Gute ist, dass man es als Unternehmer oder Führungskraft selbst in der Hand hat, wie die Stimmung in der Mannschaft ist.

Paul Johannes Baumgartner: "Wertschätzung ist ein Grundbedürfnis, das nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Führungskräfte haben."
Foto: Baumgartner

Woran liegt es, dass die Stimmung in Betrieben nicht so gut ist?

Baumgartner: Es wäre an dieser Stelle ein Leichtes, mit dem Finger auf die Führungskräfte zu zeigen, aber das wäre zu kurz gesprungen. Außerdem hat ein Bashing der Führungskräfte noch nie weitergeholfen. Dass das Thema Begeisterung bei dem einen oder anderen nicht so im Fokus steht, hat in erster Linie mit der Konjunktur zu tun. Der Wirtschaft geht es gut, die Auftragsbücher sind voll, es läuft. Deshalb liegt bei vielen Firmen die Priorität darauf, alles abzuarbeiten. Sie müssen nur aufpassen, dass sie vor lauter Wachstum nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren, nämlich die Motivation der Menschen in den Unternehmen.

Was brauchen Führungskräfte, um Begeisterung bei ihren Mitarbeitern zu entfachen?

Baumgartner: Die Kurzfassung? Bezahlt sie fair, treibt keine Spielchen mit ihnen und kommuniziert wertschätzend. Damit wäre schon vielen geholfen.

Und die Langfassung?

Baumgartner: Die Boston Consulting Group hat in einer neuen Studie weltweit insgesamt 366.000 Berufstätige gefragt, was ihnen im Job am wichtigsten sei. Ergebnis: Für die deutschen Befragten stehen Wertschätzung und ein gutes Verhältnis zu Kollegen ganz oben. Das Gehalt folgt erst auf dem sechsten Platz. Und das ist nicht nur ein deutsches Phänomen, es entspricht dem globalen Trend: Die "weichen" Faktoren sind wichtiger als die Bezahlung.

Kann es sein, dass der Begriff der Wertschätzung einfach für viele Führungskräfte zu diffus ist, nicht greifbar?

Baumgartner: Wertschätzung ist die Antwort auf die Frage: "Wie gehen wir miteinander um?" Sie zeigt sich im respektvollen Umgang mit dem anderen. Wertschätzung ist, dem anderen das Gefühl zu geben, dass er gesehen wird. Nebenbei bemerkt ein Grundbedürfnis, das auch Führungskräfte haben.

Bonus und Motivation: Was sich Mitarbeiter vom Chef wünschen
Prämien und Anerkennung vom Chef
Ein gutes Betriebsklima ist das A und O für den Erfolg eines Unternehmens sowie die Mitarbeiterbindung. Grund genug, sich als Chef und HR-Abteilung Gedanken über die Motivation der Angestellten zu machen. Benefit-Berater Markus Sobau nennt die sieben größten Mitarbeiterwünsche.
Flexible Arbeitszeiten
Besonders ausgeprägt ist der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten. Jeder zweite Beschäftigte möchte selbst entscheiden können, wann er wie viel arbeitet.
Home-Office
Ein Drittel der Beschäftigten möchte zu Hause arbeiten. Übernimmt der Arbeitgeber für das Arbeiten im Home-Office die Kosten für die nötige Infrastruktur, ist das Interesse an Heimarbeit sogar noch größer.
Mehr brutto vom Netto
Ein höheres Gehalt motiviert allen Unkenrufen zum Trotz doch - vorzugsweise, wenn es sich netto auswirkt. Das geht elegant über eine Firmen-Card. Auf diese können Arbeitgeber monatlich 50 Euro überweisen. Der Betrag steht dem Mitarbeiter netto als Sachbezug zur Verfügung. Er kann damit essen gehen, sein Auto tanken oder das Geld sparen. So ein Benefit ist mehr wert als eine Gehaltserhöhung von 100 Euro, die versteuert werden muss.
Altersvorsorge
Viele Mitarbeiter wünschen sich, dass der Chef bei der Altersvorsorge hilft. Firmen sollten daher eine betriebliche Altersvorsorge anbieten. Für Beiträge, die sie in die private Rente der Mitarbeiter überweisen, entfallen anteilige Sozialversicherungsbeiträge. Legt der Chef diese 20 Prozent als Zuschuss oben drauf, ist das auch eine gute Investition in das Betriebsklima.
Gesundheitsvorsorge
Liegt einem Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter besonders am Herzen, ist eine betriebliche Krankenversicherung ein guter Tipp. Sie spart dem Arbeitnehmer etwa die Ausgaben für Brille, Zahnersatz oder Heilpraktiker-Behandlung. Vorteil für den Arbeitgeber: Er kann die Versicherung zunächst für ein Jahr abschließen, etwa als Bonus für erfolgreiche Mitarbeiter, und später bei Bedarf verlängern.
Kredit vom Chef
Unternehmen erhalten aufgrund ihrer oft großen Kreditvolumina und der nötigen Bonität günstige Zinskonditionen. Diese können sie an ihre Leute weitergeben. So bezahlt der Mitarbeiter statt elf Prozent Überziehungszins bei seiner Hausbank vier Prozent an seinen Chef.
Selbständiges Arbeiten
Mitarbeiter legen Wert darauf, dass Chefs ihnen vertrauen und zutrauen, die gestellten Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen. Im Sinne einer agilen Unternehmenskultur wollen sie Aufgaben auf Basis vereinbarter Leitplanken wie Umsatzerlöse, Renditeziele oder Produktinnovationen eigenständig entwickeln.

Mitarbeiter verdienen dieselbe Fürsorge wie Kunden

Wie können Führungskräfte lernen, ihre Mitarbeiter zu begeistern?

Baumgartner: Indem sie den eigenen Mitarbeitern dieselbe Fürsorge zugestehen wie ihren Kunden. Ich empfehle, sich nicht nur Gedanken über ein gut funktionierendes Customer Relationship Management System zu machen, sondern auch mal ernsthaft über ein Employee Relationship Management System nachzudenken. Bevor man über Customer Centricity spricht, sollte man sich erst einmal über Employee Centricity Gedanken machen. Wirkliche Mitarbeiterzufriedenheit oder -begeisterung kann erst dann entstehen, wenn ein paar Eckpunkte für alle im Unternehmen verbindlich festgelegt sind und auch gelebt werden.

Employee Relationship Management System, Employee Centricity - das klingt nach Arbeit und viel Veränderung in einem Unternehmen. Kommen Ihre Ideen gut an?

Baumgartner: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich verstehe mich als Impulsgeber mit begrenztem therapeutischem Ehrgeiz. Wichtig ist, dass in den HR-Abteilungen beim Thema Mitarbeiterfindung und -bindung die Erkenntnis hängen bleibt: "Die brauchen nicht uns, aber wir sie." Firmen, die das verstehen und akzeptieren, bewegen sich automatisch.

Was wirkt in der Außenwirkung von Unternehmen begeisternd und was eher nicht?

Baumgartner: Ein recht guter Indikator für den Aggregatszustand eines Unternehmens ist die Website. Natürlich kann durch einen guten Webauftritt viel kaschiert werden, aber wenn ich sehe, dass eine Website responsiv, also mobiloptimiert ist, ist das ein gutes Zeichen, weil die Firma in der Gegenwart angekommen ist. Gut sind zum Beispiel pointierte und mit Pfiff formulierte Botschaften, weil sie Rückschlüsse auf den Ton in der Firma erlauben. Gut ist auch, wenn die Bilder auf der Seite nicht aus Bilddatenbanken sind, sondern wirklich ein Bildkonzept, eine Idee, eine Philosophie dahintersteckt.

Mich befremdet immer, wenn ich bei Tagungen sehe, wie erschreckend leblos manche Unternehmensvertreter ihre eigene Firma präsentieren. Don´t bore us, get to the chorus. Bisweilen entsteht der Eindruck, sie kennen ihre eigene Story nicht. Die meisten Präsentationen beginnen in der Kreidezeit der Firmengründung und enden meist, bevor der wirklich spannende Teil, nämlich die Antwort auf die Frage "Warum soll ich ausgerechnet zu euch?" aus Zeitgründen nur noch kurz angeschnitten werden kann. Vertane Chance.

Tipps für die Mitarbeitermotivation
Zwischendurch Luft schnappen
Da kann es schon für mehr Energie sorgen, zwischendurch kurz an die frische Luft zu gehen. Vielleicht lässt sich ein Meeting nach draußen verlegen.
Ein Kaffee zwischendurch
Wer keinen Kicker oder Sportangebote im Büro vorfindet, dem hilft vielleicht eine kurze Kaffeepause mit Kollegen, um anschließend motiviert und mit neuen Ideen an die Arbeit zu gehen.
Verabredungen am Feierabend
Wer tagsüber im Büro vom Biergartenbesuch träumt, sollte ihn für abends fest einplanen und sich mit Kollegen oder im Freundeskreis verabreden. Die Aussicht auf eine schöne Verabredung motiviert für den Tag.
Ablenkung mit Kollegen
Wer sich kurz mit Kollegen ablenkt - zum Beispiel am Tischkicker - ist danach oft motivierter.
Weg vom Schreibtisch
Besonders bei größeren Arbeitgebern gehören Sport- und Entspannugsangebote genauso dazu wie die Kantine. Sie helfen, danach ausgeglichener und motivierter an den Schreibtisch zurückzukehren.
Entspannung am Schreibtisch
Manchmal muss man für mehr Entspannung den Schreibtisch auch gar nicht verlassen: zum Beispiel für eine kurze Meditation oder wenn der Arbeitgeber einen Massagedienst anbietet.
Entspannung im Sitzen
Mancher entspannt auch lieber allein für einige Minuten und findet in einer Sitzsack- oder Sofaecke Erholung und Motivation für neue Aufgaben.
Eiskalte Motivation
Auch die Aussicht auf ein Eis in der Mittagspause oder nach Feierabend kann die Motivation steigern.
Motivation am Nullpunkt
Gerade wenn es draußen wärmer wird, leidet häufig die Motivation der Mitarbeiter, die gedanklich schon die Füße im Badesee baumeln lassen.

Ein Bewerbungsgespräch ist eine Bühne

Wie können HR-Verantwortliche im Gespräch authentisch ihre Begeisterung ausstrahlen?

Baumgartner: Grundvoraussetzung ist, dass der HR-Verantwortliche vom eigenen Unternehmen begeistert ist und das auch zeigen kann. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird's eng. Ich betrachte solche Gespräche immer als Spiel. Mensch trifft auf Mensch - was passiert? Neugierig sein, aber nicht ausfragen. Witzig sein, schlagfertig, interessiert, auch Entertaining. Ein Bewerbungsgespräch ist sowohl für den Bewerber als auch für den HR-Verantwortlichen eine Bühne. Und auf einer Bühne gilt der eherne Ansatz "When on stage - do it with a smile".

Sie sind Top-Speaker beim Business Breakfast der CAREERS LOUNGE mit dem IDG Verlag im Oktober 2019. Worauf können die Gäste sich jetzt schon bei Ihrem Vortrag freuen?

Baumgartner: Auf die Erkenntnis, dass Mumien im Unternehmen wenig zum Thema Begeisterung beitragen können, dass die Frage "Wo stehen Sie?" nicht zwangsläufig zu Begeisterungsstürmen führt und was um Himmelswillen Tina Turner mit dem Geheimnis der Mitarbeiterbegeisterung zu tun hat.

Paul Johannes Baumgartner im Herbst bei IDG

Am 25. Oktober referiert Paul Johannes Baumgartner in München im Rahmen eines kostenlosen Business Breakfast, das COMPUTERWOCHE und CIO-Magazin mit der CAREERS LOUNGE veranstaltet. Titel seines Vortrags: "Vom Mitarbeiter zum Fan. Das Geheimnis der Begeisterung." Erfrischend erfahren Sie in dieser Keynote, welche Faktoren bei Mitarbeitern Begeisterung erzeugen und was regelrechte Begeisterungskiller in der Beziehung zum Mitarbeiter sind.

Video Teaser zum Business Breakfast

Der Gesprächspartner

Paul Johannes Baumgartner zählt zu den Top-100-Speakern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sein erstes Buch "Begeistere und gewinne" erschien 2009, sein zweites "Das Geheimnis der Begeisterung" 2014. Baumgartner ist zudem Moderator bei Antenne Bayern, Deutschlands erfolgreichster Privatradiostation. In seiner Sendung erreicht er über eine Million Hörer pro Sendestunde. Zu seinem Kundenstamm als Speaker, Berater und Trainer zählen sowohl namhafte Mittelständler als auch große Konzerne wie Audi, BMW und Microsoft. Er ist Referent an diversen Akademien und Hochschulen, unter anderem an der TU München, der Universität Augsburg und der Business-School St. Gallen.

Das Gespräch führten Jürgen Bockholdt von der CAREERS LOUNGE und Hans Königes, CW-Redakteur.