Für IT-Abteilungen wirken die Zahlen derzeit ernüchternd. Das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert für 2009, dass das globale IT-Budget um 4,7 Prozent zurückgeht. CIOs müssen drastische Sparmaßnahmen ergreifen, Stellen streichen und Verträge neu verhandeln, berichten die Marktforscher. Das entspricht der derzeitigen Situation auf dem deutschen IT-Markt.
Gleichfalls verringern sich die Umsätze im Hardware-, Software- und Service-Bereich in diesem Jahr um 2,4 Prozent, so die Einschätzung von Wafa Moussavi-Amin, Analyst und Geschäftsführer von IDC Central Europe. Vor allem das Hardware-Geschäft bricht laut der Prognose mit über neun Prozent ein.
Allerdings präsentiert sich die gegenwärtige Situation genauer betrachtet nicht ganz so schwierig. Ungeachtet der derzeit getroffenen Sparzwänge investiert ein Großteil der Unternehmen nach wie vor in strategische IT-Projekte.
So etwa die Deutsche Bank (siehe dazu das Gipfeltreffen zwischen CIO Wolfgang Gaertner und IBM-Chef Martin Jetter), die Lufthansa oder der Finanzdienstleister MLP. "Wir stehen nicht auf der Kostenbremse, sondern investieren mit Bedacht", erklärte MLP-CIO Klaus Strumberger schon Anfang 2009, als sich noch keine bessere gesamtwirtschaftliche Lage abzeichnete. Ebenso Klaus Hardy Mühleck, CIO der Volkswagen AG, erwartet trotz Krise keine Kürzungen in seinem IT-Ressort.
Großprojekte laufen weiter
Kaum ein großes Unternehmen stellt wegen des Konjunktureinbruchs seine IT-Strategie grundsätzlich in Frage. Michael Gorriz, CIO der Daimler AG, verblüffte die Besucher einer Fachkonferenz mit der Feststellung, dass sich seine Agenda 2009 kaum von der des Vorjahres unterscheide. Eine IT-Strategie sei wie ein Kompass. Auch wenn sie bei Sonnenschein erstellt worden sei, bleibe sie doch im Sturm gültig.
Diese Sicht teilen auch andere IT-Verantwortliche, wie eine aktuelle Gartner-Umfrage belegt. "Strategische Großprojekte laufen im Normalfall weiter", berichtet Christian Hestermann, Research Director ERP bei dem Beratungsunternehmen. Das Thema Business Intelligence (BI) stehe für CIOs nach wie vor ganz oben auf der Prioritätenliste.
Bevor Unternehmen Sparmaßnahmen ergriffen, wollten sie eine brauchbare Datenbasis schaffen. In diesem Zusammenhang gewinne auch das Thema Corporate-Performance-Management (CPM) an Bedeutung.
Mehr Umsatz mit Bestandskunden
Klassische Business-Anwendungen wie ERP, SCM und CRM genießen laut der Befragung eine unverändert hohe Bedeutung. In CRM-Projekten beobachtet Hestermann indes eine veränderte Sichtweise. Ging es im Konjunkturaufschwung vor allem darum, Neugeschäft zu generieren, konzentrierten sich viele Unternehmen jetzt darauf, mehr Umsatz mit bestehenden Kunden zu erzielen. Marketing-Profis sprechen in diesem Zusammenhang von Cross Selling und Up Selling - Maßnahmen, die sich mit einschlägigen CRM-Systemen gut unterstützen lassen.
Die von IDC prognostizierten Umsätze für Business Applications in Deutschland passen zu den Gartner-Erkenntnissen. Selbst im Krisenjahr 2009 erwarten die Marktforscher ein Umsatzplus von 0,6 Prozent; für 2010 rechnen sie mit einer Verdreifachung der Wachstumsrate auf 1,8 Prozent.
Bleibt SOA auf der Strecke?
Dass die Krise strategische Vorhaben zum Thema Service-orientierte Architekturen (SOA) zu Fall bringt, halten die von der Computerwoche befragten Experten für unwahrscheinlich. "Die großen Projekte laufen in der Regel weiter", beobachtet Hestermann. "Nur wer noch nicht damit angefangen hat, wartet eventuell etwas länger oder startet mit kleineren Projekten."
Ein prominentes Beispiel liefert die Deutsche Bank, die an ihrer langfristigen SOA-Strategie festhält. Ein anderes Bild zeichnet Heinz Schick von der Experton Group: Nur wenn SOA-Vorhaben einen klaren Nutzen brächten und der RoI erkennbar sei, würden sie weitergeführt. Andernfalls gebe es durchaus Diskussionen, Initiativen zu stoppen.
Ungeachtet solcher Großprojekte müssen IT-Verantwortliche jetzt einige dringende Hausaufgaben erledigen, lautet der Rat etlicher Experten. "Unternehmen sollten die Zeit während der Krise nutzen, um aufzuräumen", empfiehlt Hestermann. Konkret bedeute das, den "Wildwuchs in der IT" einzudämmen, insbesondere die Vielzahl unterschiedlicher Business-Anwendungen.
Dabei gehe es vorrangig darum, Applikationen zu konsolidieren. Gefragt sei eine "Kombination aus Aufräumen, Sparen und Modernisieren". Die vielerorts verfolgten Standardisierungsbemühungen in der IT reichen nach seiner Einschätzung nicht aus. Deutliche Effekte ließen sich vor allem dann erzielen, wenn bereits auf der Business-Ebene bei den Geschäftsprozessen angesetzt werde. Auch Experton-Analyst Schick sieht in der Krise eine Chance für IT-Organisationen, sich für bessere Zeiten aufzustellen.
Neben Konsolidierungs- und Standardisierungsvorhaben sollten CIOs die Gelegenheit nutzen, um Mechanismen zur IT-Governance einzuführen: "In der Krise lassen sich Regeln einfacher durchsetzen als in schlechten Zeiten." Peter Wroblowski, CIO der Henkel AG & Co KGaA, sieht für sein Unternehmen sogar Chancen auf dem Arbeitsmarkt: "Wir nutzen die Gelegenheit, IT-Talente zu uns zu holen, da der Personalmarkt das momentan auch hergibt."
Sparen, bis der Arzt kommt?
Dass IT-Manager es mit dem Aufräumen und Sparen auch übertreiben können, sehen nicht wenige Analysten als Gefahr. Unternehmen dürften sich nicht "kaputtschrumpfen", warnt IDC-Mann Moussavi-Amin. Zwar ließen sich beispielsweise im Bereich der Hardware schnell Einsparungen erzielen. Die Herausforderung für CIOs bestehe aber darin, "die Balance zu halten".
Grundsätzlich spreche nichts dagegen, wenn IT-Verantwortliche weniger in Server-Hardware investierten. Schließlich sei die gleiche Leistung zu immer niedrigeren Preisen zu haben. Zudem erlaubten es Virtualisierungstechniken, die Rechner besser auszulasten.
Gleichwohl gingen Unternehmen ein Risiko ein, wenn sie die Systeme bis zum Letzten ausreizten. Moussavi-Amin: "Alles hat seine Grenzen." Etliche Unternehmen neigten dazu, in diesem Bereich blauäugig zu sparen. Wenn die Anforderungen an die Rechenleistung im nächsten Jahr wieder anzögen, könne sich herausstellen, dass die Kapazität nicht mehr ausreiche und teure Nachrüstungen fällig würden.
Ob das Hype-Thema Cloud Computing Unternehmen nach der Krise hilft, ist umstritten. Hestermann etwa sieht ein wachsendes Interesse an einschlägigen Angeboten. Entscheidend dabei sei die "Elastizität", die das Konzept bezüglich der benötigten IT-Ressourcen biete.
Unternehmen erhielten die Möglichkeit, "nach Bedarf Gas zu geben oder zu bremsen". Allerdings würden zur Zeit viele traditionelle Angebote vorschnell auf "Cloud" umgetauft, so dass Kunden genau hinschauen sollten.
Die IT nach der Krise
Ganz anders argumentiert Moussavi-Amin. Nach seiner Einschätzung wird sich die IT nach der Krise nicht wesentlich vom Ist-Zustand unterscheiden. Zwar erlebten Themen wie Cloud Computing oder Software as a Service (SaaS) derzeit einen Boom. Doch er erwarte auch im kommenden Jahr keine sehr großen Clouds, wie sie etliche Anbieter derzeit propagierten: "Mit Cloud Computing verbundene Vorteile wie Flexibilität und niedrigere Kosten hören sich gerade in Krisenzeiten verlockend an." Doch bei nüchterner Betrachtung blieben die von vielen IT-Managern gehegten Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Verfügbarkeit der Cloud-Dienste bestehen.
Zumindest in einem Punkt scheinen sich die Experten einig zu sein: Die IT nach der Krise wird schlanker sein, konsolidiert und standardisiert - ob nun mit oder ohne Cloud Computing. (wh)
Wie CIOs auf die Krise reagieren
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Zum Pflichtprogramm gehört das Konsolidieren, Modernisieren, Virtualisieren und Standardisieren der IT-Landschaften.
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Green-IT-Vorhaben verfolgen Unternehmen vor allem im Zusammenhang mit Sparmaßnahmen.
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Trotz Krise investieren viele CIOs weiter in strategische Projekte, die die Wettbewerbsfähigkeit langfristig stärken.
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BI-Projekte stehen auf der Prioritätenliste ganz oben.
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Klassische Business-Anwendungen wie ERP, SCM und CRM genießen eine unverändert hohe Bedeutung.
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In CRM-Projekten konzentrieren sich Unternehmen darauf, mehr Umsatz mit bestehenden Kunden zu machen (Cross Selling und Up Selling).
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SOA-Projekte werden weitergeführt, wenn ein klarer geschäftlicher Nutzen erkennbar ist.
Der Artikel erschien bei unserer Schwesterpublikation Computerwoche.